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Ausgabe:

1978

Spalte:

501-503

Kategorie:

Judaistik

Titel/Untertitel:

Josephus-Studien 1978

Rezensent:

Baumbach, Günther

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 7

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sen; doch überschneiden sich die behandelten Bereiche über
die in den Themen angedeuteten Querverbindungen hinaus
mannigfach. Man kann unter Apologetik und Mission5 verschiedene
Formen der Propaganda verstehen; Wunder werden
in den Dienst der Mission gestellt, in anderer Weise
auch das Bild des „göttlichen Menschen". Bemerkenswerter
scheint es mir, daß das Verständnis und die Wertung von
Wunder, Magie, „göttlichem Menschen", Mission usw. seitens
der Referenten z. T. nicht unwesentlich differiert. Aber
das hat gewiß das Seminar gerade auch interessant gemacht
und verheißt Entsprechendes dem Leser.
Halle (Saale) Gerhard Delling

1 Bei Hinweisen auf Teile der Beiträge führen wir nur die Seiten
des Textes an. Leider stehen die Anm. jeweils hinter dem Referattext
.

! Zum Thema z. B. Carl R. Holladay, Theios Aner in Hellenistic
Judalsm: A Critique of the Use of This Category in New Testament
Christology, Diss. phil. Cambridge 1975.

* Hier hört man wohl das Herz des Priesters Josephus schlagen.

4 Mordecai Margaliouth, Sepher ha-Razim, Jerusalem 1966; dazu
s. G. 131-138.

1 Ob man in bezug auf das Judentum (auch) der Diaspora von
eigentlicher Mission reden kann, ist noch umstritten.

[Michel, Otto:] Josephus-Studien. Untersuchungen zu Josephus
, dem antiken Judentum und dem Neuen Testament
. Otto Michel zum 70. Geburtstag gewidmet, hrsg. von
O. Betz, K. Haacker und M. Hengel. Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht [1974]. 414 S. mit 1 Abb., 1 Taf. gr. 8°.
Lw. DM 88,-.

Im Unterschied zu der 1963 Otto Michel gewidmeten Festschrift
ist die von 1974 thematisch sehr viel stärker eingegrenzt
und speziell auf Flavius Josephus (Jos.) und dessen
Bedeutung für das Neue Testament und die Geschichte des
Judentums bezogen. Hinzu kommt, daß alle 23 Beiträge eine
Gemeinsamkeit haben: sie zielen auf eine positive Würdigung
des Jos. und seines Werkes und wollen seine Bedeutung
für die Erklärung neutestamentlicher Hauptprobleme
herausstreichen. Trotz dieser thematischen Eingrenzung
kommen eine Fülle von Problemen zur Sprache, wie die folgende
knappe Ubersicht zeigt.

Mit der „vierten Philosophie" befassen sich M. Black
(„Judas of Galilee and Josephus's ,Fourth Philosophy'", 45
bis 54) und M. Hengel („Zeloten und Sikarier. Zur Frage
der Einheit und Vielfalt der jüdischen Befreiungsbewegung
6—74 n. Chr.", 175—196), die beide die in den Ant. vorgenommene
Zuordnung der „Zeloten" zum Pharisäismus als historisch
zutreffend verteidigen, wobei aber M. Hengel zugibt,
daß „das Problem der Parteinamen ... seine Fragen aufwirft
" und daß es schwierig ist, ..die oft so dunklen und ungenauen
Angaben des Jos. über die jüdische Freiheitsbewegung
' bis ins einzelne hinein erhellen zu wollen" (196).
M. de Jonge („Josephus und die Zukunftserwartungen
seines Volkes", 205—219) verteidigt die für Jos. typische un-
messianische Sicht der zelotischen und essenischen Anführer
und Propheten, die lediglich „dem Volk die unmittelbar vor
der Tür stehende Befreiung von Gott her versprechen" wollten
(219). „Das Schicksal im Neuen Testament und bei Josephus
" wird von G. Stählin untersucht (319—343), der
den synkretischen Charakter des Themas Gott und Schicksal
bei Jos. herausarbeitet und hierin „eine gewisse Parallele zu
dem Synkretismus der kolossischen Irrlehre" (342) und insofern
einen grundlegenden Gegensatz zu dem biblischen
Gottesglauben erblickt. G. Delling („Die biblische Pro-
phetie bei Josephus, 109—121) macht auf die „hellenistisch
gefärbte" Verbindung von Prophctie und Schicksalsglauben
bei Jos. aufmerksam (117), wobei die Erfüllung biblischer
Weissagungen Gott als Gott Israels und als Herrn der Geschichte
ausweisen soll, an dessen Weisungen festzuhalten
sich lohnt. Mit den „jüdischen Lehrern bei Josephus" befaßt
sich G. M a i e r (260-270) und verweist auf die Darstellung
dieser Lehrer in Parallelität zu den hellenistischen
,theioi andres' und auf die Frömmigkeitstypen, die sich aus
ihrer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Da die in allen jüdischen
Gruppen vorhandene Theologisierung der Weisheit
zu deren Dogmatisierung und damit zu einer Art Bekenntnisbildung
prozediert, geschieht hier bereits eine „Vorarbeit
für die christlichen Bekenntnisse" (269). Um eine sehr positive
Würdigung von Jos. als „Politiker und Prophet" bemühen
sich R.Mayer und Ch. Möller (271—284), indem
sie seinen Übergang ins römische Lager aus der „komplexen
Einheit seiner Persönlichkeit" zu erfassen und in die „lebensgefährliche
Turbulenz seiner geschichtlichen Situation"
einzuordnen versuchen (271). Als „Anwalt seines Volkes vor
den Römern" (284) „mußte" er den Schritt ins Lager der
Römer wagen. Sehr viel kritischer sind demgegenüber die
Beiträge von E. Kamiah und R.Meyer. E. Kamiah
(„Frömmigkeit und Tugend. Die Gesetzesapologie des Josephus
in cAp 2,145-295", 220-232) erklärt überzeugend
aus der apologetischen Zielstellung des Jos. die Akzentuierung
des Gesetzes als Erziehungsmittel zur Tugend mit Gott
als Voraussetzung des Guten. Neben dieser hellenistischen
Ausprägung sieht er bei Jos. auch eine gut jüdische, die das
Gesetz in der Theokratie verankert. R. Meyer („Bemerkungen
zum literargeschichtlichen Hintergrund der Kanonstheorie
des Josephus", 285—299) weist durch sorgfältige
Analyse von Qumrantexten nach, daß die Kanonstheorie
des Jos. „nicht einfach einen historischen Sachverhalt wiedergibt
), sondern ... offensichtlich auf noch fließenden pharisäischen
Schultraditionen" fußt (298). Anhand der Genesis-
Exegese des Jos. zeigt J. J er v e 11 (..Imagines und Imago
Dei", 197—204), wie konsequent Jos. bemüht ist, jeden Gedanken
an ein Gottesbild auszuschließen. „Für Josephus gibt
es keine Imago Dei, weil Gott selbst, sein Wesen, seine Gestalt
nicht beschreibbar sind" (202). K. Haacker und
P. Schäfer untersuchen die „nachbiblischen Traditionen
vom Tod des Mose" (147—174) von Jos. bis zum 5. Buch des
Memar Marqah und machen dabei deutlich, wie Michael-
und Henochüberlieferungen mit der Gestalt des Mose verknüpft
wurden, woraus sich die im Neuen Testament bezeugte
Vorstellung einer endzeitlichen Wiederkehr des Mose
(und des Elia) erklärt.

Mit „priesterlichen Traditionen bei Johannes und Josephus
" zum Thema: „Die Preisgabe eines Menschen zur
Rettung des Volkes" beschäftigt sich W. Grimm (133 bis
146), der den jüdisch-sadduzäischen Hintergrund von Joh
11,47-53 aus Bell 4, 190 ff.; 5, 418 ff.; 6, 103 ff. und die Heilsbedeutung
des Todes Jesu im 4. Evangelium aus Jes 43, 3 ff.
22 ff. zu erweisen versucht. O. B ö c h e r geht unter der
Uberschrift: „Die heilige Stadt im Völkerkrieg" (55-76) den
Wandlungen des apokalyptischen „Zionsschemas" nach, dessen
wesentliche Elemente schon in den Psalmen 46. 48 und
76 vorliegen, das in Hes 37—48 voll entfaltet, von Philo, Paulus
u. a. spiritualisiert und „in seltener Vollständigkeit" in
der Johannesapokalypse bewahrt (72) sei und das dem
Christentum „als bevorzugtes Gefäß für seine eschatologi-
schen Hoffnungen gedient" habe (76). Mit der schwierigen
Frage nach dem „Schauplatz des letzten Kampfes zwischen
den aufständischen Pharisäern und Alexander Jannäus (Ant
13,379f.; Bell 1,96)" (300-318) beschäftigt sich A. Schalit
und kommt dabei zu dem Ergebnis, daß beide' Quellen
„einen und denselben Ortsnamen enthalten, die erstere
Quelle in hebräischer, die letztere in aramäischer Fassung"
(318). E. Bammel („Zum Testimonium Flavianum, Jos
Ant 18, 63-64") (9-22) arbeitet durch Textanalyse eine Ur-
fassung dieses Testimoniums heraus, die er als „die älteste
Denunziation der Christen" (21 '22) bezeichnet. Die „relative
Exaktheit der Angaben des Josephus" (360) stellt A. S t r o -
be 1 in seinem Beitrag: „Die Südmauer Jerusalems zur Zeit
Jesu (Jos Bell 5,152 ff.)" (344-361) in kritischer Auseinandersetzung
mit dem Grabungsbericht von K. M. Kenyon heraus
. Anhand von Strabo, Geographica XVI, 2. 35—37, und
Diodorus Siculus, Bibliotheca Historica XL frg 3, zeigt
J. C. H. Lebram (..Der Idealstaat der Juden". 233-253).