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Ausgabe:

1978

Spalte:

483-484

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Katalog der Calvoerschen Bibliothek 1978

Rezensent:

Blaschke, Karlheinz

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483

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 7

484

Dieses Thema ist es, das auf ganz überraschende Weise
entwickelt wird. Denn weil gesagt werden kann, daß Juda
mehr Greuel als ihre Schwestern verübt hat, kann auch gesagt
werden, daß Juda ihre Schwestern rechtfertigt (16, 51).
Das ist die überraschende Entwicklung dieses Themas: Die
Weite von Jerusalems Sünde beginnt einen universellen
Erneuerungsaspekt anzunehmen. In Kap. 14 können Älteste
des Volkes zum Wohl desselben Volkes gebraucht werden.
Hier aber ist es noch breiter; es ist das Unüberbietbare in
der Behauptung eines Negativen, das ein Positives bewirkt.
Sicher ist der Hauptzweck, daß Jerusalem seine Schande
offen anerkennt, aber sie ist von solcher Art, daß sie in dem
Zweck der Rechtfertigung ihrer Schwestern verwirklicht
wird. Das Ende von 16, 52 lautet: „... trage deine Schande,
wenn du deine Schwestern rechtfertigst." Die Folge „Reaktion
— Verstehen — Verantwortung" seitens Judas dem
eigenen Tun gegenüber soll andere auf ihre Schuld aufmerksam
machen und ist zum Bild nicht der schuldlosen, sondern
der erniedrigten Vermittlerin geworden.

Das alles war aber nur lange nach der Vernichtung möglich
geworden, und es ist bezeichnend, daß Kap. 24 am Ende
(wie Kap. 4 am Anfang) auf die Belagerung zurückkommt.
Der Tag ist gekommen! Darauf wird großer Nachdruck gelegt
, denn Ezechiel wird gesagt, er soll das Datum dieses
Tages aufschreiben (24, 2). Die Stadt, die einmal als Schutz
angenommen wurde (11, 3) ist zum Kochtopf geworden
(24, 5). Es ist bezeichnend, daß das letzte Kapitel dieses Abschnitts
auf die Belagerung zurückkommt, und noch bezeichnender
, daß die allerletzte Einheit in 24,15 ff. von der Reaktion
des Volkes auf die Vernichtung Jerusalems redet. Das
ist die eindringlichste, persönlichste Reaktion, denn sie wird
durch eine symbolische Handlung ausgedrückt, in der Ezechiels
Frau stirbt — und er soll nicht trauern (24,15—18)!
Ezechiel ist hier viel persönlicher beteiligt als in den Zeichenhandlungen
der Belagerung und der Verbannung in
Kap. 4 und 12. Dort kann er einige persönliche Beschwernisse
gehabt haben, jetzt aber ist seine Frau gestorben! Jetzt
ist es wichtig, wie das Volk auf die Vernichtung des Heiligtums
reagiert, denn sie entfernt ja die ganze Basis der Existenz
des Volkes. Daß Jahwe sein Heiligtum entweiht (24,
21), heißt doch, daß das Volk sowohl religiös als auch politisch
einen völlig neuen Anfang in Kauf nehmen muß. Denn
die Verbannten haben noch Söhne und Töchter in Jerusalem
, die durch das Schwert fallen werden. Die Deportierten
sind es, für die so viel auf dem Spiel steht, die die Notwendigkeit
und Richtigkeit der Vernichtung des Heiligtums anerkennen
müssen.

Ezechiel hat von den Verbannten viel gefordert. Das war
nur möglich, weil er selber von der Notwendigkeit dazu
überzeugt war. Der Gehalt des Komplexes Geschehnis — Reaktion
— Anerkennung ist: Überzeugung wegen eines Geschehnisses
, eine Entschlossenheit zu Handeln, worin er
Bestätigung weiß (das Wort Jahwes kommt zu ihm), und
das alles gleicht einer Erfahrung der Anrede, die weitergeht
, indem sie den Verbannten übertragen werden muß.
Für die, welche sich dieser Anrede nicht entziehen, war die
Möglichkeit eines Neuanfangs gegeben.

Im Anhang in Kap. 24,25—27 wird der Tag des Heiligtums
als Tag der Freilassung verstanden. „An dem Tag wird ein
Deportierter zu dir kommen ... dein Mund wird aufgemacht
werden ... und du wirst reden und nicht mehr stumm sein
— so wirst du ihnen zum Zeichen werden und sie werden
erkennen, daß ich Jahwe bin." Dieses Erkennen Jahwes findet
sich in einer Zusammensetzung von Ezechiels Reaktion,
Interpretation der Vernichtung des Heiligtums und der
Übertragung auf das Volk, das es selbst annehmen muß.
Dieser Anhang, der eine Verbindung mit Kap. 33, 21 f. herstellt
, wo Ezechiel die Nachricht vom Fall Jerusalems hört,
die als Einleitung zur Botschaft der Erneuerung des Volkes
Israel dient, zeigt, was über eine Zeitspanne geschehen
kann. Die Weichen werden nie für alle Zeit gestellt; Ezechiel
wird noch reden können.

ALLGEMEINES, FESTSCHRIFTEN

Weber, Hans-Oskar [Hrsg.]: Katalog der Calvörschen Bibliothek
. 1: A—K, bearb. von H. Burose. 2: L—Z und Ergänzungen
, bearb. von H. Burose und H.-O. Weber. 3: Register
, bearb. von U. Schmidt und H. Burose. Clausthal-
Zellerfeld: Universitätsbibliothek 1972/73/75. XX, III,
1428 S. 4°.

Kataloge von Privatbibliotheken aus früheren Jahrhunderten
erlangen mehr und mehr Interesse nicht nur bei
Bibliothekswissenschaftlern und Bibliophilen, auch die Kultur
-, Geistes- und Wissenschaftsgeschichte widmet ihnen
stärkere Aufmerksamkeit, lassen sich mit ihrer Hilfe doch
geistige Bewegungen und Ausstrahlungen, Beziehungen
und Abhängigkeiten, Wirkungen und Interessen erschließen
. Für die Erforschung einer Zeit, deren geistiger Habitus
noch vorwiegend von einzelnen Persönlichkeiten geprägt
wurde, muß die Kenntnis gelehrter Privatbibliotheken besonders
wichtig sein, denn bei dem fast gänzlichen Fehlen
öffentlicher Bibliotheken stecken ihre Bestände den Horizont
ab, in dem sich der betreffende Gelehrte bewegte.

Der Generalsuperintendent für das Fürstentum Braun-
schweig-Grubenhagen Caspar Calvör (1650-1725) mit dem
Amtssitz in Clausthal hat in echter Begeisterung für die
Theologie und die Musen bei Lebzeiten eine Bibliothek von
fast 3000 Bänden mit etwa 8000 bibliographischen Einheiten
zusammengebracht, die er testamentarisch der Salvator-
Kirche in Zellerfeld im Oberharz zu dauernder und ungeteilter
Aufbewahrung bestimmte. 1963 wurde die inzwischen
auf etwa 4400 Bände mit rund 11 000 Titeln angewachsene
Bibliothek als Depositum im Lesesaal der

neuerbauten Universitätsbibliothek Clausthal-Zellerfeld
aufgestellt.

Die Arbeit an dem vorliegenden Katalog begann 1961. Er
verzeichnet, bei der Titelaufnahme den preußischen Instruktionen
folgend, die Schriften in alphabetischer Reihenfolge.
Der besseren Erschließung des Katalogs dienen die im
3. Band vereinigten Register über die Personen, Orts- und
Ländernamen, Erscheinungsorte, Drucker und Verleger, Erscheinungsjahre
, Dissertationen und Disputationen und die
Vorbesitzer, womit für die buch- und bibliotheksgeschichtliche
Durchforschung des Bestandes eine gute Vorarbeit geleistet
ist. Das erste Erscheinungsjahr ist 1477, das 16. Jh. ist
stark vertreten, das Schwergewicht liegt im 17. Jh. Inhaltlich
überwiegt bei den Titeln die Theologie, doch war der
Besitzer so vielseitig interessiert, daß auch Philosophie,
Geschichte, Literatur, Naturwissenschaften, Jurisprudenz.
Medizin und Geographie vertreten sind. Wer die Gedankenwelt
, den Interessenkreis und den Bildungsstand eines höheren
lutherischen Geistlichen aus dem norddeutschen
Raum um 1700 kennenlernen will, wird in dem Katalog und
seinen Registern reiche Belehrung finden.
Friedewald b. Dresden Karlheinz Blaschke

[Welte, Bernhard:] Jesus. Ort der Erfahrung Gottes. Festschrift
für B. Welte zum 70. Geburtstag. Mit Beiträgen von
B. Casper, E. de Guereflu, K. Hemmerle, P. Hünermann.
K. Lehmann, R. Pesch, H. Riedlinger, Th. Schulz, M.Theu-
nissen, Freiburg-Basel-Wien: Herder [1976]. 247 S. 8°.
Lw. DM 29,80.

Unter diesem glücklich gewählten Titel haben ehemalige
Schüler von Bernhard Welte neun Beiträge verfaßt, die sie