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Ausgabe:

1978

Spalte:

453-454

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Der Gott, der mitgeht 1978

Rezensent:

Voigt, Gottfried

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Seite 1

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Theologische Litcraturzcitung 103. Jahrgang 197R Nr. 6

454

spiele deutlich: Wenn es SUr Aufgabe der Trauung und damit Grund des Dascindürfcns und Dascinmüsscns. Geschichtliche
der Traupredigt gehört, Sprachlosigkeit zu überwinden und Erwählung ist „Ausdruck" für das Dasein als eines geschenkten
auch das zur Sprache zu bringen, was die Betroffenen nicht (25); man sieht: dem heilsgeschichtlichen Denken ist der Ahaus
eigenem Vermögen zu artikulieren imstande sind, dann schied gegeben, Israels Erwählung ist Erkenntnisgrund für das
wird dies in dem vorliegenden Band nur in einem sehr bc- Sclbstverständnis des Glaubens, das grundsätzlich und von
grenzten Umfang verwirklicht. Erdrückend ist streckenweise vornherein allen offensteht. Als der Gebende und Fordernde
die dogmatische Überfremdung der Verkündigung (auch der zieht Gott mit. Liebe zu ihm und zum Nächsten gehören unlös-
biblischen Texte selbst!); ermüdend die konventionelle Bewah- lieh zusammen. Wenn auch der Zusammenhang von Tat und
rungs-, Führungs- und' Vorsehungsthcologic, wie sie sich Tatfolge - also Gehorsam und Heil, Ungehorsam und Unheil -
immer wieder in stereotypen Gemeinplätzen artikuliert; ärger- undurchsichtig ist, hofft der Glaube auf Gott, der sein Volk
lieh der Verzicht auf Konkretion und unmittelbares, nicht ver- gnädig erhöht. Das NT möchte den Menschen ebendahin brin-
klausuliertes Eingehen auf die Situation und die Flucht in ein gen, wo er nach dem AT stehen soll.

abstraktes, anonymes „man". Das Hilfreichste an diesem Band Manches würde man gern diskutieren. Etwa, wie sich die
sind eigentlich die Situationsanalysen, die deutlich machen, Gottunmittelbarkeit aller Menschen aller Zeiten zu unserem
wie man auf eine bemerkenswert praktische Weise Theologie Angewiesensein auf Offenbarung verhält (17), wie die biblische
treiben und das Thcoric-Praxis-Problem auch auf sehr unaka- Erfahrung des göttlichen Du-sollst zur anderweitigen Gesetzes-
demischen Wegen angehen kann; daß in diesem Zusammen- erfahrung steht (20f.). Fragen müßte man wohl, ob nicht das
hang nun auch all jene von M. Scitz ausgeklammerten „nicht- Handeln Gottes, in dem er sich selbst verkündigt und durchtheologischen
" Faktoren wieder relevant werden, versteht sich setzt, seinerseits eine „Geschichte" hat, einen Zusammenhang
von selbst. also, der - wohlgcmerkt: nur vom Glauben - auch in seinem

fortschreitenden Nacheinander, d.h. aber als „Hcilsgcschichtc"

Leipzig Karl-Heinrich Bieritz crkannt wird Der mitgehende Gott ist jc-heutc mit seiner Gemeinde
als der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, soll heißen:
in die heutige Begegnung bringt er alles ein, was er seinem
Volk auf seinem Glaubens- und Unglaubcnsweg gesagt, getan,

„ . . „ . . _ , „ . versm-ochen und als Stiftung mit auf den Weg gegeben hat.

Gunneweg, Antonius H. J.; Kaiser, Otto, Ratschow, Carl Heinz, vtiipiuuiui a

u. Ernst Würthwein: Der Gott, der mitgeht. Alttestamentliche Die Predigten sind zumeist vor akademischen Gemeinden

Predigten. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn gehalten worden; dies bestimmt ihren Stil. Die historische

[1972) 141 S 8° DM 12 80 Patina der Texte wird keineswegs abgekratzt; Einsichten der

historischen Schriftforschung werden der Gemeinde zugenvu-
Fünfzehn Predigten und - „statt eines Vorwortes" - ein weit- tet (geschichtliche Ausführungen z.B. 60f.; 109ff.; 119ff.; 129ff.).
ausholender, geistesgeschichtlich weiträumiger grundsätzlicher Am jabbok ringen „zwei Texte" miteinander. Die Manna-
Aufsatz von O. Kaiser („Von der Gegenwartsbedeutung des geschichte wird wohltuend ent-sensationalisiert, damit wir den
AT") werden in ihrem theologischen Zuschnitt durch den Titel qoü entdecken können, der uns heute und allezeit versorgt,
des Buches aufs beste charakterisiert. Hier ist nicht von einem Man iernt, w;e anders Israel denkt als die leicht ins Spekulieren
ewig sich gleichbleibenden, über der Wirklichkeit schwebenden geratende Durchschnittsfrömmigkeit unter uns. Das (noch) Vcr-
Ideal-Gott die Rede, auch nicht von einem Gott, der nur im borgene Gottes ist das Zukünftige (109). Man erlebt es, wie
Einst der klassischen Offenbarungsgeschichte zu suchen wäre, _ zu Hiob 5 (Würthwein) - aufgrund der Gesamtintention des
sondern der Gott, der mitten in der Welt, in der für ihn kein Hiobbuches gegen den gegebenen Text gepredigt wird. Die
Platz mehr ist, sich selbst verkündigt, vernehmbar nur für den Turtnbaugcschichtc endet in der Predigt nicht (wie die Ur-
Glaubcn. Als dieser Gott wird er in den Predigten ebenso geschichte bei J) gnadenlos, sondern wir erfahren im Sinne des
nüchtern wie kraftvoll bezeugt. Der Ausleger versteht sich, Evangeliums, daf} wir den Turm nicht zu bauen brauchen. Dies
nach Kaiser, einmal als Anwalt des Textes, zum andern als nur einige Proben und Blitzlichter. Auch in den Predigten ist
Anwalt der Gegenwart; es ist nicht von vornherein gesagt, ob von dem Gott die Rede, der mitgeht, mit dem also wir Mcn-
man hier oder dort von Gott und dem Menschen mehr gewußt schen unseres Jahrhunderts zu tun haben. So wird Gott bc-
hat bzw. weif}. In solchem „dialektischen Verhalten" wird der zeugt, ohne daß man den „Dunkelmann" argwöhnen mufj, der
Ausleger bzw. Prediger Gott bezeugen - und eben darin be- uns aus der Weite des Lebens in ein lichtloses Abseits drängen
zeugt Gott, wo und wie er will, sich selbst. will (14).

Man hätte Lust, den grundlegenden hermeneutischen Aufsatz Corrigcnda: S. 26, Z. 3 mißverständlich; statt „nur für den

von Kaiser gedrängt wiederzugeben. Nur, dieser ist selbst in Menschen" besser: „nur dort für den Menschen". S. 30 Abs. 2

außerordentlich dichter, überdies zuweilen eigenwilliger Sprache z 12 statt „ihr": „ihnen". - S. 63 Abs. 2 Z. 1: „Gebundenen",
geschrieben („Ständigkeit", „aufgehende Welt", „Verhältnis-

losigkeit"), so daß er statt einer Zusammenfassung eher einer Leipzig Gottfried Voigt

Explikation bedürfte, deren er wahrhaftig wert wäre. Wir müssen
uns beschränken. Vf. grenzt sich gegen überkommene
Interpretationsschemata des AT unter den Gesichtspunkten der

Heilsgeschichte, des Schemas von Verheißung und Erfüllung ____ äk^_,_j- iThr) «ß I07fi

OH«- a ^ * at r „ wie die Alten Bormann, Paul: „Immer so nahe dem Abgrund (TnGl oo, 19/o

°der dessen von Gesetz und Evangelium ab. Was die Airen 353-367)

- vielleicht - noch konnten, die Neuzeit kann es nicht: das Ga^bauer Ferdinand: Gruppendynamik und Kloster (Erbe und

Ganze der Welt heilsgeschichtlich deuten. Der Historiker stellt Auftrag 53, 1977 S. 193-204).

Glauben fest, nicht aber Gott. Dennoch ist Gott, „mitgehend", Goldbrunner, Josef: Tiefenpsychologie und Theologie (ThR 73,

da. Der Glaube weiß, daß alle Menschen aller Zeiten unmittelbar ig77 Sp -\).

?-u Gott sind- er hat damit noch keinen heilsgeschichtlichen Gruber, Elmar R.: Einstellungen österreichischer Theologen zur

Schlüssel zum' Zusammenhang des Geschichtsganzen. So wird Parapsychologic Dokumentation einer Befragung (ZKTh 98,

man, wie gesagt, das AT nicht vom Schema Weissagung, - Er- 1976 S 400-42 >j dienste fur die Sonntagsmessc

fullung her deuten. Eher im Sinne Bultmanns: Israels Ge mhZ^,^07 8. 11-24).

schichte im Ganzen ist die Geschichte des Scheiterns des Theo- Kleinheycr<' Bruno': Das Große Segensgebet zur Feier der

kratiestrebens. Heil wird - je heute - ergriffen im Glauben, Trauung (Erbe und Auftrag 53, 1977 S. 94-107).

der Zukunft aus Gottes Hand empfängt. Die Zeugen des AT Lcppinr peter u. Meier, Johannes: Sterben und Tod in der

erfahren sich - als Volk und als dessen einzelne Glieder - Krankenpflegeausbildung (ThGl 66, 1976 S. 419-426).

»in menschlicher Gemeinschaft und aufgehender Welt als ge- Lippert, Peter: Gruppen und „Klein-Gemeinden" in der Kirche.

schenkte" die für sich selbst für diese Gemeinschaft und für Entstehung - Chancen - Grenzen (Wort und Antwort 18,

diese Welt "vor Gott verantwortlich sind" (23). Gott ist für sie 1977 S. 74-79; 97-101).