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Ausgabe:

1978

Spalte:

448-450

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Rothermundt, Jörg

Titel/Untertitel:

Personale Synthese 1978

Rezensent:

Steck, Karl Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang lü7ö Nr. 6

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Theologen aller Fachrichtungen, die sich, was auch immer sie
zu sagen haben, dieser Prämisse deutlich bewußt sind. Damit
käme jener schöpferische Umgang mit der Sprache zum Tragen,
von dem Ricocur redet, ja, dieses Stück Poetik, das er aller
wirklich theologischen Rede nachsagt. Nota benc: Es wäre
schön, wenn die unter uns, die sich so tiefgründig mit der
Sprache beschäftigen - einschließlich Eberhard Jüngcl und
Paul Ricoeur - dabei den Anfang machten und selber eine
bessere Sprache sprächen, eine weniger verschlungene, besser
durchschaubarc, vielleicht eine metaphorisch ansprechende.

Jena Klaus-Peter Hertzsch

Schwarzwäller, Klaus: Die Wissenschaft von der Torheit. Evangelische
Theologie im Schnittpunkt von christlichem Glauben
und kritischer Vernunft. Stuttgart-Berlin: Kreuz Verlag
(1976]. 377 S. 8°.

1. Die vorliegende Einführung will über die Arbeit und
Ziele evangelischer Theologie informieren (Theologie im Hause
der Wissenschaften, 27ff.), Fragen und Zweifel im Blick auf die
ihr eigene Wissenschaftlichkeit erörtern (Theologie als Wissenschaft
, 133ff.) und schließlich einen Überblick geben über die
fünf Unterdisziplinen: Religionswissenschaft, alttcstamentlichc,
neutcstamcntlichc, historische und praktische Theologie, und
die diese zusammenschauernde systematische Theologie (Theologische
Enzyklopädie, 249ff.). Im Anhang ist ein 1973 verfaßter
Brief zur Frage der Studienreform abgedruckt, nebst die
Handlichkeit erhöhendem Personen- und Sachregister. (Die
wichtgsten corrigenda i 129, Z. 6 v.u.: zumindest statt zunächst;
160, 1. Abs. nach dem Zitat, Z. 5: Zunft statt Zukunft; 175, Z. 6
v.u.: einfachen statt eigenen; 333, Quellenangabe: 1869 statt
1969; 364, Sp. B: Hertz statt Hetz).

2. Zu einzelnen Stichworten: Um Theologie als Wissenschaft,
also kommunikabel und kontrollierbar treiben zu können,
müssen die Grundbedingungen von Wissenschaft offengclegt
werden (29ff. bzw. 62ff.). Diese geschieht (als Forschung)
monologisch, in einem Fachjargon, bezogen auf einen einzigen
Arbeitsbereich - und zugleich dialogisch, durch Schulen und
Namen repräsentiert, offen - und zugleich traditionsgebunden
in den Gegenständen, Methoden und Organisationsformen.
Heute ist dabei zu beachten, daß die Wissenschaftstheorie Wissenschaft
nicht zum Selbstzweck werden und deren Begründung
in der vorgängigen Lebenswirklichkeit und somit in Glaube,
Hoffnung und Liebe absterben läßt: „Den Grund für die Wissenschaft
zu legen aber und sie zu stiften, diese Kompetenz
und Potenz hat allein die Religion" (94) - eine ebenso bekannte
wie umstrittene These lutherischer Provenienz. Eine
Wissenschaft, der es um mehr als nur sich selbst geht, erfordert
„den Einsatz, die Hingabe und den Glauben der Wissenschaftler
" (97). Spätestens an diesem Punkt ist die Theologie als
Grund oder Krönung, als Vergewisserungsort oder Zielpunkt
aller Wissenschaft erwiesen; und sie beantwortet nun ihrerseits
die Frage nach dem zureichenden Grund von Wissenschaft:
„Im Akt der Anbetung des dreimal heiligen Gottes nehmen
wir d e n Grund als Boden für uns und unsere Wissenschaft
an, der mit dem Evangelium gelegt und mit dessen Verkündigung
uns zugewiesen wird. Im Akt der Anbetung eignen wir
uns die uns durch das Evangelium widerfahrende verbindliche
Deutung in der Welt vor Gott persönlich an. Das ist die hier
vorzustellende theologische Lösung des Problems" (109).

3. Was heißt von dieser Voraussetzung her nun Theologie
als Wissenschaft: „Der Theologie obliegt es, das Gotteslob der
Kirche in Anbetung und Evangeliumsbezeugung - in Wort und
Tat - auf Voraussetzungen, Inhalte, Ziele, Konsequenzen und
Randbedingungen hin zu untersuchen, und zwar auf Grund
geschehener Anbetung und Evangeliumsbezeugung hin auf
neues Gotteslob in diesem doppelten Sinn des Wortes.
Kriterium ist dabei die Bibel als 'Kanon'. Theologischer Gegenstand
ist somit die authentische Rede zu und von Gott und

alles Handeln im Namen Jesu Christi. 'Theologisch' ist demgemäß
eine Aussage bzw. Arbeit, insofern sie einen Sachverhalt
in diesem Zusammenhang erforscht, prüft und beurteilt" (165).
Wie öfter wird auch diese These durch einen Hinweis auf
Iwand eingeführt: „Die Theologie hängt in ihrem Bestände
nicht von ihrer Einordnung in die Enzyklopädie der Wissenschaften
ab, sie ist da nicht mehr 'unterzubringen', sie hängt
von einer ganz anderen Frage ab, von der inhaltlichen, ob sie
wieder Theologie ist, d.h. ob sie es wagt, allein daraus zu
existieren, und zwar als Wissenschaft zu existieren, daß über
und vor allem menschlichen Reden und Fragen Gott geredet
und gefragt hat; ob sie das Wort Gottes zum alleinigen
Exislenzgrund zu machen wagt" (161). Nimmt man die
kritischen Einwände gegen Pannenberg, Rendtorff, Varianten
politischer Theologie bzw. gegen den sozialphilosophischcn
und wissenschaftstheoretischen Rationalismus (Habermas;
Albert und Ebering) hinzu, dann läßt sich als Motto festhalten:
„Indem man um des Toren und einer von Torheit zerwühlten
Wirklichkeit willen Wissenschaft betreibt und selber töricht
wird und redet, kann es geschehen, daß der Tor seine Torheit
abstreift und zum Mitwisser der uns bestimmenden Geheimnisse
wird (355) - ein Vollzug von Theologie, der sich
mit dem „Fest der Narren" (Cox) verbinden könnte.

4. In der Darstellung der theologischen Enzyklopädie finden
sich die klassischen Konsequenzen, durchsetzt mit beherzigenswerten
Hinweisen (etwa zur Erzählstruktur in der historischen
Theologie (305ff.); zur Beschreibung der praktischen Theologie
als umfassender theologischer Hermeneutik im Sinne von
Kommunikation (320ff.). Zusammenfassend: „Handelt die
Religionswissenschaft von der Abhängigkeit von Mächten und
der Gewinnung menschlicher Lebensmöglichkeit in der demüti
gen Einstellung auf sie; die Alttestamentliche Theologie vom
Anheben der Befreiung aus dieser Abhängigkeit durch den sich
als wahren Gott erweisenden Gott Israels; die Neutestament-
liche Theologie von dem Geschehen „als die Zeit erfüllet war"
und der über der ganzen Welt aufgerichteten Wahrheit des
Evangeliums; die Historische Theologie von der damit in Gang
gesetzten universalen Geschichte, aus der die Gegenwart erwuchs
: So handelt nunmehr die Praktische Theologie von dieser
durch Gottes Heil bestimmten und von uns zu gewinnenden
und zu gestaltenden Gegenwart selbst, begleitet sie also
kritisch prüfend, wägend und forschend das Geschehen, daß
die Kirche das Evangelium vernimmt, aufnimmt, bezeugt und
darin sich identifiziert" (328f.).

5. Einige Anmerkungen: Engagement für die Torheit in Gestalt
des Wortes vom Kreuz (1 Kor 1,18), eine klare Intention
in der Sache und eine schriftstellerische Ader des Vfs. haben
eine markante, nicht zu übersehende Einführung in die evangelische
Theologie entstehen lassen. Um ihren Kontext noch
genauer ins Visier zu bekommen (Iwand, Luther, Barth tauchen
ständig als Kronzeugen auf), sollen einige Fragen angeschlos
sen werden: Zunächst könnten uneingeweihte Leser durch die
vielen eingeschobenen Zitate und Namen irritiert werden. -
Man hätte sich eine intensivere Beschäftigung in ebenso verständlicher
Sprache gewünscht einerseits mit den wissenschafls-
theoretischen Werken Pannenbergs und Sauters und andererseits
mit den seriösen Varianten politischer Theologie. - Da
hinter steht wohl trotz des Redens von Religion (255ff.) das
einseitig kerygmatheologische Erbe dialektischer Theologie? -
Und schließlich: Erhält der Vf. dann nicht Beifall gerade aus
der von ihm nicht anvisierten Ecke? - Um diese Vermutungen
und Fragen nachzuprüfen und zu diskutieren, soll zur Lektüre
dieses angenehm lesbaren Buches eingeladen werden.

Rehburg-Loccum 1 Uwe Gerber

Rothermundt, Jörg: Personale Synthese. Isaak August Dorner»
dogmatische Methode. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
[1968]. 250 S. gr. 8° = Forschungen zur systematischen und
ökumenischen Theologie, hrsg. v. E. Schlink, 19. Kart-
DM 25,-.