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Ausgabe:

1978

Spalte:

428-429

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Böcher, Otto

Titel/Untertitel:

Die Johannesapokalypse 1978

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 6

428

Hofius, Otfricd: Der Christushymnus Philipper 2, 6-11. Untersuchungen
zu Gestalt und Aussage eines urchristlichen
Psalms. Tübingen: Mohr 1976. VII, 118 S. 8° = Wissenschaft
liehe Untersuchungen zum Neuen Testament, hrsg. v.
M. Hengel, J. Jeremias u. O. Michel, 17. DM 39,-.
Das Buch lehrt, daß es sich durchaus lohnt, vielverhandelte
Texte des Neuen Testaments einer neuen Untersuchung zu
unterziehen. Der Vf. hat sich von seinen Arbeiten zum Hebr
her dazu anregen lassen, Phil 2,6-11 aus einer anderen als der
gewohnten Blickrichtung ins Auge zu fassen.

Daß der Text einen urchristlichen, nicht von Paulus stammenden
Christushymnus wiedergibt, setzt H. als gegeben voraus
. Einsatzpunkt seiner Untersuchung sind die zwei Fragen,
ob die Wendung V.8c „ja zum Tod am Kreuz" erst paulinisches
Interpretament ist, und wer mit den „Himmlischen und
Irdischen und Unterirdischen" von V.lOb gemeint ist sowie zu
welchem Zeitpunkt im Sinne des Hymnus ihre Huldigung erfolgt
. H. zeigt, daß V.8c weder aus rhythmischen (Anadiplosis)
noch aus sachlichen Gründen aus dem Hymnus ausgeschieden
werden muß. Denn das angebliche Inkarnations-Erhöhungs-
Schcma, nach dem der Hymnus gestaltet sein und in dem das
Stichwort „Kreuz" keinen Platz haben soll, ist nach H. ein
„reines Postulat der Exegeten" (S. 13). Hebr zeigt vielmehr,
dafj die Nennung des schmachvollen Todes am Kreuz (Hebr
12,2) in einer Darstellung des Weges Jesu nach den Gesichtspunkten
„Präexistenz - Inkarnation - Tod - Erhöhung" sehr
wohl ihren Platz haben kann. Der Tod ist für den Hymnus
nicht einfach die Konsequenz der Inkarnation, sondern das
Kreuz ist ihm das Ziel der Inkarnation (vgl. S. 64). In der
Beantwortung der zweiten Frage kommt H. zu dem Ergebnis,
dafj die Trias „Himmlische und Irdische und Unterirdische"
nicht auf die gottfeindlichen, dämonischen Mächte zu beziehen
ist, sondern daß mit ihr die Engel, die Lebenden und die Toten
bezeichnet werden. Die Proskynese aber, die von ihnen ausgesagt
wird, ist nicht ein schon mit der Auferstehung erfolgtes
Geschehen, sondern ein solches, das der Hymnus erst von der
Parusie erwartet. Den Hintergrund dazu bildet die alttesta-
mentlich-jüdische Erwartung der universalen eschatologisehen
Huldigung vor Jahve. Ebenso wie Jahve immer schon König
ist und doch die Völkerwelt ihm erst noch als König huldigen
wird in der Endzeit, ebenso ist Jesus bereits erhöht zu göttlicher
Herrlichkeit, wird aber erst in der Endvollendung die
eschatologische Huldigung aller Geschöpfe erfahren. Bei diesem
endzeitlichen Bekenntnis handelt es sich um ein heilbringendes
. Der Hymnus spricht also einen Heilsuniversalismus
aus, den er in dem Geschehen von Kreuzestod und Erhöhung
Jesu begründet sieht. Eine alttestamentlichc Präformation für
solchen Glauben und daher auch einen unmittelbaren Einfluß
auf seine Formulierung in Phil 2.6-11 findet H. bei Dtjcs, speziell
Jes 52,13-53,12. Freilich betrifft das nur die Passionsund
Erhöhungsaussagc; aber sie trägt im Hymnus auch den
Ton.

Abschließend analysiert H. den Abschnitt Hebr l,2b-14, um
Gleichartigkeit und Verschiedenheit gegenüber dem Hymnus
in Phil 2 zu zeigen. Auch Hebr begreift die Inthronisation des
gekreuzigten Christus, der doch der präexistente Sohn ist, als
die Offenbarung der eschatologischen Königsherrschaft Gottes.
Nur teilt Hebr nicht den Heilsuniversalismus von Phil 2. Der
Endtriumph besteht nach Hebr gerade auch in der endgültigen
Vernichtung aller Feinde Gottes und seines Christus (Hebr 1,13
und 10,13).

Der Vf. hat ein interessantes und weiterführendes Buch vorgelegt
, in dem die Beziehungen zwischen dem Christushymnus
Phil 2 und dem Hebr überzeugend herausgearbeitet sind. Als
besonderer Gewinn kann verbucht werden, daß es auf diese
Weise gelingt, auch die Wendung Phil 2,8c in die Interpretation
des Hymnus selbst einzubeziehen - sie als sogar entscheidend
wichtig für seine Gesamtaussage zu begreifen.

Zur Lösung des religionsgeschichtlichen Problems des Hymnus
trägt H. auch dadurch in gewichtiger Weise bei, daß er
den sozusagen „gnostischen" Weg als schwerlich zutreffend
aufweisen kann. Allerdings ist sein eigenes Lösungsangebot
nicht restlos befriedigend. Zu Recht stellt er als gemeinsame

Grundanschauung von Phil 2,6-11 wie Hebr 1 heraus: „Der
Weg des Sohnes aus der Höhe in die Tiefe und aus der Tiefe
in die Höhe ist der Weg, auf dem Gott selbst seine
Königsherrschaft endgültig und allumfassend durchgesetzt hat"
(S. 95). Die Präexistenz und der Weg aus ihr in die Tiefe des
Kreuzestodes ist ein konstitutives Moment solcher Anschauung.
Gerade dieses aber läßt sich nicht von Jes 53 her aufschließen.
Und das gilt auch von der Art und Weise, wie in dem Weg
Jesu nach Phil 2 und Hebr Gott selbst sich verherrlicht. Es ist
daher auch schwerlich Zufall, daß H. Hebr nicht mit Jes 53 in
Zusammenhang bringt, obwohl dort ein paralleler Bezug zu
dem bei Phil 2 bestehen müßte. Auch die Erklärung der
Präexistenzanschauung in beiden Texten - Phil 2 und Hebr
aus dem alttestamentlichen Theologumenon, daß Gott schon
immer König ist und doch zugleich in der Endvollendung
König wird (S. 66. 93f.), ist problematisch, da dadurch Irkarna
tion und Kreuz um ihre geschichtliche Bedeutung gebracht
würden. Überdies aber hat der Vf. das gleiche Theologumenon
bereits zur Erklärung einer anderen Aussagcnfolge im Hymnus
Phil 2 eingesetzt, nämlich dem Nebeneinander von Inthronisation
des Christus und eschatologischem Bekenntnis zu ihm als
dem Inthronisierten. Und tatsächlich erhellt es hier überzeu
gend die Aussage.

Der Weg, den H. der Interpretation des Christushymnus
Phil 2 gewiesen hat, sollte weitergegangen werden. Vielleicht
könnte man das JohEv in die Untersuchung einbeziehen, da
auch in ihm nicht nur der Präexistenzgedanke eine Rolle spielt,
sondern - wie mir scheint - auch das Verhältnis von Inkarnation
und Passion ähnlich gesehen ist, wie H. es für Phil 2 herausgearbeitet
hat.

Halle (Saale) Traugott HoltZ

Böcher, Otto: Die Johannesapokalypse. Darmstadt: Wissenschaftliche
Buchgesellschaft 1975. XVII, 154 S. 8° = Erträge
der Forschung, 41. DM 28,-.

Das Buch bietet als Teil I einen forschungsgcschichtlichen
Längsschnitt (Die Auslegung der Johannesapokalypse seit
1700), als Teil II einen exegetischen Querschnitt (Hauptprobleme
der Johannesapokalypsc in Kommentaren seit 1900) und
schließlich als Teil III eine Bibliographie zur Apokalypse.

Der Teil I ist - entsprechend seinem Umfang von 25 Seiten -
ein recht allgemeiner Überblick über die Kommcntierungs-
arbeit der letzten 275 Jahre an der Apokalypse. Er ist nach
Jahrhunderten gegliedert, ein Verfahren, durch das die zusammengehörigen
Linien in unnötiger Weise zerrissen werden. Die
Beurteilung der exegetischen Arbeit unseres Jahrhunderts
durch B. ist akzentuiert. Der Kommentar von Lohmcycr, „dieses
eigenartige Buch" (S. 27), ist „ein bedauerlicher Rückschritt
gegenüber den Kommentaren von Bousset und Charles" (S. 16)!
aber auch diesen wird „Weitschweifigkeit" vorgehalten (S. 28)
Immer wieder gelobt wird dagegen der Kommentar von H '
dorn, „gewissermaßen eine geglückte Synthese aus Bousset.. ■/
Lohmcycr . . . und Zahn", der „längst einen Nachdruck verdient
" hätte (S. 17). Zahn war zuvor freilich mit der Wendung
..fast ein Fossil im 20. Jahrhundert" charakterisiert worden
(S. 16). Markant ist auch das Urteil, mit dem B. die Behandlung
der „protestantischen Auslegung nach Lohmcycr und Hadorn"
abschließt und in der er zuvor R. Kracmer, H. Lilje, Ch. Brütsch
und M. Rissi vorstellt: „Eine vorurteilsfreie Verknüpfung der
wissenschaftlichen Auslegungsmclhodcn ist jedoch erst in dem
. . . Kommentar des Lutheraners Eduard Lohsc ... wieder erreicht
" (S. 21).

In dem 2. Teil stellt B. mittels Referat und Zitat sieben Kommentare
in ihrem Urteil zu 12 von ihm ausgewählten Problemen
der Apokalypsen Exegese vor. Es handelt sich dabei
um die Kommentare von Bousset (1906), Charles (1920), Lohmeyer
(1926), Hadorn (1928), Sickenberger (1942), Wikcnhau-
ser (1959), Kraft (1974). Indessen lassen sich auf diese Weise
schwerlich die „Erträge der Forschung" 1975 darstellen. Abgesehen
von Kraft ist der letzte der hier vorgestellten pro-