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Ausgabe:

1978

Spalte:

421-423

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Appel, Gersion

Titel/Untertitel:

A philosophy of mizvot 1978

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 6

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genauer die Mailänder Handschrift (6. Jh.) zugrunde7. Vor- den, die eine durch Akibas Rcspons b.Sanh.65b, nach der allein
lagen hat der Autor, abgesehen von historischen Bemerkungen, der Wille Gottes den Sabbat vor den übrigen Tagen auszeichne
in den Visionen benutzt, eventuelles Traditionsgut in der net, die andere in Philos Versuch einer allegorischen (letztlich
übrigen Schrift ist jedenfalls eingehend bearbeitet (mit 4 Esr rationalen) Interpretation. Weit zurück reicht auch die Ein-
verbinden ihn gemeinsame apokalyptische Traditionen). Unter- teilung in hukim und mischpatim, nach der die ersteren nur
schiede zwischen den Visionen und den Reden (die nicht auf auf Israel bezogen, ritualgcsetzliche, letztlich souveräne Verden
Inhalt der jeweils vorangehenden Offenbarung eingehen fügungen sind, während die letzteren ethisch, allgemein ver-
1112]) werden besonders an den theologischen Themen aufgc- bindlich und rationaler Begründung fähig erscheinen. Diesem
zeigt; die des Autors sind nach einer übersichtlichen Zusam- Problcmkrcis, der in der Gesctzeslehre des Frühjudentums bc-
menstellung Gott, Israel, das Gesetz, die Völker, die Welt, Ge- gründet ist, aber eine lange posttalmudische Nachgeschichte
tum und Auferstehung, die der Visionen der Gesalbte, der hat, gilt die vorliegende Untersuchung von Gersion Appel, der
künftige Überfluß, das Land, das messianischc Gericht über die aus der Schule des in Harvard lehrenden, vor allem als Philo-
Völkcr. Der Kommentar gibt vor allem zahlreiche Hinweise forscher bekannten Judaistcn H. A. Wolfson hervorgegangen
Mir Stellen des Alten Testaments, der frühjüdischen und mit- ist und jetzt als Professor für jüdische Philosophie am Stern
unter auch der rabbinischen Literatur (Stcllcnregistcr 186-191), College der Yeshiva University New York wirkt. Er verfolgt
überdies textkritische Anmerkungen. die Frage von der Mischna bis in die mittelalterliche jüdische
Daß 1973-1976 von JSHRZ zehn Hefte erscheinen konnten, Philosophie hinein, wo bei Saadja Gaon (882-942) sich die
"i denen z.T. je mehrere frühjüdischc Schriften besprochen, Klassifikation nach rationalen und geoffenbarten Gesetzen fin-
überselzt und erläutert und so einem größeren Benutzerkreis det, Maimonides (1125-1204) um eine philosophische Begrünini
Lichte neuer Erkenntnisse - weithin solcher der Bearbeiter - dung bemüht ist, für die die Irrationalität nur aus der Pcrspek-
erschlossen werden, ist in mehrfacher Hinsicht zu begrüßen, tive des Menschen besteht, von Gott her alles rational ist. Den
unter anderem im Blick auf eine bestimmte Gemeinsamkeit im Hauptgegenstand der Aufmerksamkeit bildet eine außerhalb
Methodischen, der spezifischen Arbeitsweise in der Behandlung der jüdischen Theologie kaum beachtete Schrift, der sefer ha
der Texte. Um den Benutzern eine Übersicht über die JSHRZ hinnuk (Buch der Erziehung), die wahrscheinlich im 13. Jahr-
zu erleichtern, sollte m.E. erwogen werden, ob man dem Gc- hundert von Rabbi Aaron ha Levi aus Barcelona (über den
samtwerk zuletzt einen (nicht notwendig umfänglichen) Über- Autor und seine Quellen unterrichtet ein Exkurs S. 191-194)
blick über das bearbeitete Schrifttum voranstellen könnte, der verfaßt wurde, unter dem Einfluß des Maimonides steht und
im Rahmen des Erkennbaren auch das chronologische Verhält- dessen Einteilung der 613 Gebote übernimmt, aber sich von
nis der Texte zueinander wenigstens andeutete. seiner Deutung unterscheidet. Als ein vorzugsweise einem

pädagogischem Zweck dienendes Werk repräsentiert es so

Halle/Saale Gerhard Delling

etwas wie den Normalstandard nachtalmudischer Gesetzesichre
.

Wie sehr Appel daran liegt, die Kontinuität einer jüdischen
" «SL1^ '*!' 19|6 Sp' 1U~,Uv 9U91% . ... . Gesetzeslehre zu erfassen, wird an den zahlreichen Rückver-

fc.rwa von Anspielungen auf die Situation oder Ereignisse der Zeit des

Autors her. weisen auf die talmudische Literatur, vor allem in dem fast

c,n^f„Un^Bc'",o7icWa*Kldcr^,Eu^lcTls „'J ?ludy ot J"daeo G™k Lil""""c- 70seitigcn Anmerkungsteil (S. 195-261) ebenso deutlich wie

>-tncinnati 1974. der über alle in JSHRZ I 2 zusammengestellten Autoren J ™ v . ' ,

handelt, konnte Walter nur eben noch hinweisen. am ständigen Vergleich des Hinnuk mit Maimonides, dem auch

,„H'cr,übl " '1uffa,,cnd n"bc Kritik (i92f.) an dem Verfahren von Hanliart das |m Anhang beigefügte Parallelcnregister dient (S. 262-264).

"> der editio Gottingcnsis. 80 Abweichungen von dessen Text führt er 284f vor _ _, i . .

• Die Frage nach dem Ort der Entstehung läfit H., soviel ich sehe, offen (im Der Weg der Deutung geht der Vorlage entsprechend vom
m ,'?"zu •■ "oUÖaag Richnow. Untersuchungen /.u Sprache und Stil des zweiten Prinzipiellen zum Konkreten, vom Theologischen zum Legisla-

"^•ikkabaerbuches. Ein Beitrag zur hellenistischen Historiographie. Diss. phil ,. , . , .. .. , . , _

Gottingen ige« (in jstiRZ i 3 nicht berücksichtigt). tiven. Auf die Entfaltung des göttlichen Zweckes des Gesetzes

XU 8 Rc/ P' Bogacrl' Apoca'ypsc dc Bari"* i n. Paris 1969, in (g. 32-46) und der als praeanibula fidei dargetanen Gottcslehrc

i z 95, 1970 sP. 2e2f. jm engcrcn Smnc (S. 45-72) folgt als Kernstück unter dem

Titel »A rationale of Mizvot"1 die Verankerung der Einzcl-
gobote im Gedanken der Vorsehung Gottes für alle Kreatur
und der Wohlfahrt für alle Menschen (S. 73-90). Von da kann
eine Pflichtenlehre einsetzen (S. 91-109), der die Vorstellung
APpcl, Gersion: A Philosophy of Mizvot. The Religious-Ethical dcr imitatio Dei nicht fremd ist-, Individuum und Gcmcin-
Conccpts of Judaism. Their Roots in Biblical Law and the schaft erfaßt (S. 110-132) und die ausführlich dargelegten
Oral Tradition. New York: KTAV Publishing House, 1975. XI, Ritualgesetzc von der Anbetung Gottes als Herrn der Welt
288 S. gr. 8°. $ 4.95; Lw. $ 12.50. bestimmt sieht (S. 133-169). Die traditionsbelastcte Frage nach

■ . , . ...... den auch die Nichtjudcn bindenden noachitischen Geboten

Jeder, der sich mit dem Problem des Gesetzes im rcl.g.oscn (b Sanh 59a in Auslegung von Gcn 9 4_6) crhalt einen bcso„.

j^ben und in der Theologie des Judentums beschäftigt, kennt dcren WQ guch sje ^ ct ^ ^

E, • "a^ni'ch ,dcm Stcllcnw«-t der Einzclgcbote, der m.zwot. Grundsatz dcr strengen Abgrenzung wegen der Vcrunreini-
7* * Irische Überzeugung, daß die religiösen und ethischen durch Götzcndicnst Dje im vorletzten Kapitel (S. 170 bis

mschauungen in den Geboten der Thora konkret werden, daß ^ cnthaltcncn mctahaiachischcn Aspekte demonstrieren, wie

=*« sie den jüd.schen Glauben in die Realität des Lebens über- kabbalistischc Dcnkweisc und Interpretation den reinen Lega-
"BBen. Schon früh bemühte man sich um deren genaue Ab durchdringen und ihnl einc reiigiöse Dimension geben,

J'enzung; wichtigste Station ist die Herausbildung der sog. ein phänomcn# das bis in dic väterzeit zurückreicht (vgl. die

WJag der 613 Einzclgcbote, wie sie uns zuerst bei R. Simon GetMt des Eleazal. ben Arak bei Bacher, Aggada der Tannaitcn

cn Eleazar (Mech. zu Ex 20,2) und R. Simlai (b. Makk. 23b) g g6ff, und guf das hinzuweisen Gershom Scholem nicht müde
"egegnen. Einem noch heute lebendigen traditionsorientierten wurde:i
Judentum, für das die hier anzuzeigende Arbeit einsteht, konfluieren
sie nicht nur einc göttliche Lebensordnung, sondern Es bedurfte nicht des Schlußabschnitts (S. 183-190), um zu
büden die Elemente einer authentischen Philosophie des Juden- verdeutlichen, daß wir es hier mit einer jüdischen Parallcl-
tums. Diese sieht sich freilich einem Rcflexionsvorgang aus- erscheinung zur Scholastik zu tun haben, die wie diese das
9c;setzt, der nach der Begründung der Einzclgcbote fragt, ob Verhältnis von Vernunft und Offenbarung reflektiert und sich
dicse nun ausschließlich auf göttlicher Setzung beruhen, also zu den Überlieferungen der talmudischcn Epoche verhält wie
'etztlich irrationalen Charakter tragen oder ob sie der Vernunft jene zu den Zeugnissen der Väterzeit. Daß mit Kenntnisreich-
unsichtig gemacht werden können (etwa als dem Heil der tum und Engagement für eine „philosophy of Mizvot" geschrie-
^cnschen oder der Sonderung vom Götzendienst dienend). bene Buch zeigt an, wie innerhalb einer durch viele divergie-
Bcidc Antworten sind schon in klassischer Zeit gegeben wor rende Strömungen gekennzeichneten jüdischen Theologie auch