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Ausgabe:

1978

Spalte:

19-21

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Robertson, David

Titel/Untertitel:

Linguistic evidence in dating early Hebrew poetry 1978

Rezensent:

Koch, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 1

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sich „Zur Auslegung von Johannes 6 bei Bucer während der
Abendmahlskontroverse" und stellt als Eigenart Buccrs in dieser
Frage das Fehlen eines metaphysischen Dualismus, seine
Theorie von der Nutzlosigkeit einer leiblichen Gegenwart
Christi, die Deutung der Einsetzungsworte von der Metapher
von Joh 6 her und die Parallelisierung von Brotgenuß und
Seelenspeisung fest. Marijn de Kroon geht „Bemerkungen
Martin Bucers über das Abendmahl in seinem Psalmenkommentar
von 1529" nach und entdeckt eine irenische Atmosphäre
in diesem Bereich, die er darauf zurückführt, daß Bucer wohl
mit potentiellen römisch-katholischen Lesern seines Kommentars
rechnet; es finden sich freilich auch Parallelen zur Abendmahlstheologie
Luthers. Unter dem Titel „Landgraf Philipp
von Hessen und das Regensburger Buch" führt Gerhard Müller
die handschriftlichen Bemerkungen des Landgrafen zum
Regensburger Buch vor, aus denen sich Schlüsse zur Theologie
und Frömmigkeit Philipps wie auch zu Problemen ziehen
lassen, die ihn im Zusammenhang seiner Doppelehe interessiert
haben. Werner Bellardi ediert mit einer kurzen Einleitung
„Ein Bedacht Hedios zur Kirchenzucht in Strasburg aus
dem Jahre 1547", das in zwei Fassungen im Archiv St.Thomas
handschriftlich vorhanden ist.

Den Schluß des Bandes bildet die Bucer-Bibliographie 1951
bis 1974 (als Fortsetzung von Robert Stupperichs Bibliographia
Bucerana), redigiert von Mechtild Köhn. Die Bibliographie
macht einen äußerst genau gearbeiteten Eindruck. Sie umfaßt
540 Nummern (von denen einige in a und b unterteilt sind) in
drei Abteilungen: Quellen - Sekundärliteratur - Nachdrucke,
ist innerhalb dieser Abteilungen jeweils chronologisch geordnet
, erfaßt auch Nachträge und enthält ein Autorenregister.
Die Bucerforschung wird auf dieses wertvolle Instrument
künftig nicht verzichten können. Zu ergänzen ist zu 1974:
Loofj, S.: Der frühe Martin Butzer - Ideologie und revolutionäre
Wirklichkeit in der Zeit von Reformation und Bauernkrieg
. In: Jahrbuch für Geschichte 10, 1974, S. 57-119.

Der Druck des Bandes ist bis auf ein paar wenige Druckfehler
, die sachlich nicht schwer wiegen, sorgfältig. In Nr. 521
der Bibliographie mufj das Erscheinungsjahr natürlich 1973
heißen. Auf S. 53 ist die Folge der Zeilen 3 bis 6 durcheinandergeraten
. Sie mufj nach dem vorliegenden Druckbild lauten:
3-5-4-6.

Leipzig Ernst Koch

ALTES TESTAMENT

Robertson, David A.: Linguistic Evidence in Dating Early
Hebrew Poetry. Publ. for The Seminar on Form Criticism.
Cambridge, Mass.: Society of Biblical Literature 1972. IX,
159 S. 8° = Dissertation Series, 3. $ 2.50.

Die Datierung poetischer Texte aus dem Alten Testament ist
bekanntlich in besonderer Weise seit Jahrzehnten umstritten.
So ist es nur zu begrüßen, wenn jemand versucht, nicht mit
den sattsam bekannten Etiketten vorexilisch-nachexilisch, aus
vorgeblich „inhaltlichen" Erwägungen heraus gewonnen, aufzuwarten
, sondern nach linguistic evidence, also an Sprachformen
ausweisbaren Daten, für exakte zeitliche Ansetzung
sucht. Wenn überhaupt, müßte sich hier der Weg zu einem
tragfähigeren Konsens eröffnen, als er bisher gegeben war.

In Anlehnung an Albright, Cross, Freedman, geht die von
M. H. Pope betreute Yale-Diss. davon aus, daß vom poetischen
Schrifttum fast nur die prophetischen Teile eindeutig datierbar
sind, nämlich in die Zeit nach dem 8. Jh. v. Chr. Was sich in
ihnen als sprachliche Strukturen findet, wird von R. Standard
Hebrew Poetry genannt. Seine Frage: Läßt sich davon syntaktisch
wie morphologisch eine Early Hebrew Poetry anhand
älterer Sprachformen abheben? Als Anhalte dafür bieten sich
neben allgemeinen sprachgeschichtlichen Erwägungen die
Parallelen aus Ugarit und den Amarnaglossen zum Vergleich
an.

Im Kapitel über die Syntax untersucht R. die für Erzählungen
über vergangene Ereignisse verwendeten Tempora.
R. verwendet freilich nicht mehr den obsolet gewordenen Begriff
Tempus der hebräischen Schulgrammatik, sondern schreibt
von Konjugation, näherhin von Präfix- und Suffixkonjugation
(anstatt Imperfekt und Perfekt). Die Suffixkonjugation wird
durchgängig in der gesamten hebräischen wie ugaritischen
Poesie für vergangenheitlichc Begebenheiten benutzt, wirft
also für das anstehende Problem nichts ab. Anders steht es mit
der Präfixkonjugation (im folgenden PK). In der hebräischen
Standardpoesie erscheint für vergangenheitliches Geschehen
neben der Suffixkonjugation nur eine mit der Konjunktion
waw eingeleitete und veränderte PK; wo nacktes PK auftaucht,
trägt es frequentativen Sinn. In der ugaritischen Poesie und in
alttestamentlichen Dichtungen, die demnach in die frühe Zeit
gehören, wird dagegen nackte PK "syntaktisch äquivalent" für
Suffixkonjugation benutzt, während waw-PK höchstens innerhalb
von Verszeilen auftaucht, deutlich als Anschlufsvcrbindung,
meist nach vorhergehendem nacktem PK. Damit hat R. ein
erstes Indiz zur Bestimmung sonst undatierbarer hebräischer
Poesie gewonnen.

Umfangreicher ist das Kapitel über die Morphologie.
Als Kennzeichen für frühe Sprachformen werden hauptsächlich
angeführt:

A Beibehaltung von silbenöffnendem End-y/w bei tertae
infirmae,

B Relativpronomen zü, zö, zä

C altertümliches Suffix -anhü und -aiinft für die 3. Pers.

sg.

D altertümliches Suffix -mö/mü für die 3. Pers. pl.,

E Endungs-y als Nisbe-Bildung, Überbleibsel des Genitivs
u. ä.,

F Endungs-ö als Nominal-Affix.

Schließlich wird aufschlußreich und ausführlich über das von
vielen Exegeten postulierte enklitische mem gehandelt. Eine
Fülle von Vorschlägen zu verschiedenen alttestamentlichen
Stellen werden von R. kritisch geprüft und nur in einer Minderzahl
für die Übertragung der sonst ugaritisch belegten
Form in die hebräische Bibel votiert (79-110).

Das Ergebnis ist freilich, wie die beiden abschließenden
Kapitel Cumulative Evidence und Evaluation ergeben, nicht
überwältigend. Denn die aufgrund von ugaritischen und
Amarna-Parallelen als alt ausgewiesenen Sprachformen tauchen
leider auch in späteren poetischen Texten auf, die eindeutig
zur hebräischen Standardpoesie gehören, und müssen demnach
als Archaismus in einer Reihe von Belegen aufgefaßt werden.
Leider gibt es kein eindeutiges Kriterium, um Archaismen von
gängigen Sprachausdrücken in Texten zu unterscheiden. Die
Verwendung von PK in vergangenheitlichen Begebenheiten
legt eine Zugehörigkeit zur frühen hebräischen Poesie für
Exodus 15, Ri 5, Hab 3, 2 Sam 22 = Ps 18, Dtn 32 und Hiob
nahe, in zweiter Linie für die Bileamsorakel und die Psalmen
78, 104 und 114. Die morphologischen Daten kumulieren einzig
in Ex 15 und erweisen dieses Kapitel mit Sicherheit als alt. „In
all other cases the grammatical forms discussed in the preced-
ing Chapters cannot legitimately be used as evidence of an
early date" (135).

Was ist der Grund, daß eine so gewissenhafte und durchweg
kritisch durchgeführte Studie mit einem Ergebnis endet, das
anscheinend den Verfasser selbst nicht glücklich werden läßt?
Deutsche Alttestamentler werden sich in ihrem Vorurteil bestärkt
fühlen, daß linguistische Untersuchungen Zeitverschwendung
darstellen und als belanglos abgetan werden können.
Dem Rezensenten erscheint dies eine verkehrte Reaktion zu
sein. Er ist überzeugt, daß sich nur durch Beobachtungen, die
sich an der Ausdrucksebene der Texte festmachen lassen - und
nicht durch die Behauptung vorgeblich inhaltlicher Differenzen
-, die willkürlichen Zeitansetzungen für Psalmen und
andere Poesie überwinden lassen. Dazu freilich wäre nötig,
daß syntaktische und morphologische Erscheinungen nicht für
sich genommen werden, wie es bei R. und vielen anderen ge-