Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1978

Spalte:

379-381

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Loeschen, John R.

Titel/Untertitel:

Wrestling with Luther 1978

Rezensent:

Beintker, Horst

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

370

nischem Arianismus und reichskirchlicher Orthodoxie um wirkliche
Probleme handelte, oder um versteifte Gegensätze, die gelegentlich
»besonders im wandalischen Nordafrika) dazu führten
, dal.! man sich traditionelle Schlagwortargumente (Bibel-
steilen) entgegenhielt, die theologisch nicht mehr verarbeitet
wan n. S<> scheinen auch die antiarianischen Belegstellen in der
Hand des Apsis-Christus mehr den Sieg über die aufsässige
Herrschaft /u dokumentieren als das Ergebnis einer theologischen
Debatte.

Auel', sonsi meinen wir zu weitgehende Interpretationen ab-
lehnen zu müssen. Im Bewußtsein jener /eil; war Christus weniger
im Iiistorisrhen Rückblick greifbar, sondern stärker als
himmlischer Herrscher gegenwärtig. Und der Haupttyp des
Christusbildes zeigt eben nichl den Irdischen (etwa den Gekreuzigten
, wie hei uns seil der Gotik), sondern den Erhöhten. Sein
Bild in der Kirche (als seinem Thronsaal) bringt seine Herrschaft
zum Ausdruck. Und dieses kann mit verschiedenen imperialen
, prophetischen und apokalyptischen El.....enten, Himmelsund
Gerichtsmotiven verbunden werden, ohne dal.! dies schon
auf eine ganz spezielle Aussage zielte. Dieses Zeitalter dachte
starker assoziativ. Die oll von früheren Interpreten provozierten
Überlegungen des Vis., welcher Augenblick gemeint, welche
Schriftstelle illustriert worden sei. gehen m. E. am Charakter
dieser Darstellungen vorbei. Kür jene Zeil gab es nur eine
ewige himmlische Herrlichkeit, deren einzelne Elemente an verschiedenem
Ort beschrieben waren, und diese eine Herrlichkeit
wird mil wechselnden Bestandteilen dargestellt. Selhsl historisch
fixierbare Herrlichkeitsszenen (Verklärung, Himmelfahrt) erhallen
einen gewissen Ewigkeitscharakter, da sie die Herrlichkeit
des Ewigen beschreiben.

Ein wichtiges Ergebnis der Arbeil isi die Feststellung, dal.!
auf den ältesten Kopien die Leidenswerkzeuge in den Händen
der beiden Thronengel der Stirnwand fehlen (S. 65), und es
bedarf nichl der Anstrengungen des Vts., sie für den ältesten
Bestand zu reiten (vgl. S. 74). Derartige Motive begegnen im
Weltgerichtsbild erst ein halbes Jahrtausend später, und S.
Michele war bisher die Ausnahme, die das Bild der Entwicklung
störte.

Das Bändchen isi reichlieh mit Bildern ausgestattet, die nichl
nur einen guten Eindruck vom Mosaik vermitteln, sondern
auch die Reste der Kirche, Vergleichsmaterial, und vor allem
einen großen Teil der alten Kopien zeigen.

Greifswald Hans Georg ThttmnM]

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Loesch......lohn R.: Wreslling wilh Luther. An [ntroduetion to

the Study of Iiis Thought. St. Louis: Concordia Publ. House
[1976]. 195 S. gr. 8°. Lw. $ 9,50.

Im englischen Sprachraum wirkten zur Vermittlung der Theologie
Luthers bisher meist Übersetzungen. Mit diesem Buch
stellt sich nun nach den inzwischen zahlreichen Monographien
eine Gesamtdeutung der Hauptlinien, die Vf. in 15-jährigem
Umgang mit Luthers Theologie erfaßt hat, als eine Einführung
in ihr Studiuni vor. ..Ringen mit Luther-, das ist in der Tal
ein zutreffender Titel für die Darstellung der theologischen
Paradoxa, in denen Luther denkt, und der Aktualität, die sie
für die heutige Besinnung auf religiöse Sachproblemc haben.
Diese Paradoxa erfaßt Neschen von der linguistischen Proli-
lierung her. die A. N. Whitehead in Amerika repräsentiert. Er
gliedert sein Studienbuch in Einleitung ..l'.ssay I Coram Den —
Coram Mundo'], drei Hauptteile und Schluß („Conclusion.
l'.ssay VIII Regnum Dci Uegmiin Muüdi").

Schon Einleitungs- und Schlußteil verraten das systematische

Anliegen: Gott und Well ist das Grundverhältnis, in das sich,
bei di r bekannten Dialektik Luthers von der Bindung an Gotl
ausgehend, das Kreisein für die Welt und alle theologischen
Gedanken einfügen. Dabei ist Gottes Verborgenheit, sein heimliches
Regiment, wenn der Glaube zugleich vor ihm und vor

3S0

der Welt steht, wohl bedacht, So schließt der heim einzelnen
anhebende Weg (coram deo coram mundo) das Ganze der
LheCflogie Luthers auf und führt, deren Konsequenzen in den
sozialen Strukturen der Zwei-Reiche-Lehre aus. Die drei Hauptteile
mil je zwei gründlichen Abhandlungen, deren Themen
wieder systematisch aufgebaut sind, lehnen sich in etwa den
Aspekien der drei Glaubensartikel an, freilich mil aktualisierter
Blickrichtung. ..Barl One" fragt. „wo Gotl ist. das heißt, oh die
Beziehung zwischen Gotl und Mensch i heii/cn i ri seh oder anthropozentrisch
" sei, und untersucht gleich im „sec.....I essay"

die ..Natur von Gottes Wort an die Menschen und welcher
Mensch sich selhsl entdeckt, indem er in dein Offenbarungslichl
isi" (S. 41). Mit „God's Adress" überschrieben, behandelt

I,oeschen hier im ersten Hauptteil die Begriffspaare ..II......p

iiicurvatus — Homo Ingressus" sowie „Lex el Fides". („Adress"
isi im Deutschen vielleicht mit „Willenskundgabe" zu übersetzen
.) ..Barl Two: God's Futurity" zieh mil ..l'.ssay IV Pro-
missio et Fides" und „Essay V [nitium Novae Creaturae" auf
eine gott-menschliche Verwandtschaft (relationship), so daß
NB in Christo) „die göttliche Zukünftigkeil natürlich auch die
menschliche Zukünftigkeit'' und Zukunft isi S. 81). Im drillen
Hauptteil „God's Body" (Gottes Körper bzw. Verkörperung;
also gleichsam die Welt in der Werkstatt des III. Geistes dürfte
in. IC. damit gemeint sein) sieht die eiste Abhandlung die
„Ubiquitas Carnalis Christi" und die andere Luthers sogenannte
Larvenlehre („Larvae Dei") dar. also die auch bei B.
Hermann genau dargelegte Lehre von den „Larven und Masken
Gottes" (Gesammelte und nachgelassene Werke [. Luthers
Theologie, Berlin und Göttingen I9(i7. S. 167—178). Und von

hier, wo bei I.....sehen auch Uber „Person" und „Amt" die Bede

war (S. 157). kommt es organisch zur Zwei-Üeiclie-I.ehie Luther
».

Bei Loeschen hängt alles an dialektischen Begriffen wie
„flesh-spirit", „Law-Gospel", „simul iuslus — simul peccator",
„regnum dei — regnum mundi", „person-office" usw.: er rettel
den oft als unsystematisch angesehenen Reformator mil dem
Aufzeigen solcher durchgehenden Dialektik für die Systematik.

Sicher trifft es zu. daß Luther nicht in der Darlegung, wohl
aber in den theologischen Grundgedanken systematische Theologie
treibt. Auch hängen diese mit einer paradox anmutenden

Dialektik zusammen. Aber m. E. gehl Loeschen in vereinfachender
Systematisierung zu weil, wenn er das organisierende Prinzip
der Theologie I.uihers als System in dem Grundmodell von
..coram deo coram mundo" sucht. Natürlich stimmt es, daß
all diese Unterschiede Gesetz und Evangelium, Fleisch und

Geist, Person und Ami. das „Gerecht und Sünder zugleich' nur
der (IIa übe, jedenfalls erst der Glaube richtig versteht
Aher die reiche Komplexität und zugleich liefe Einfalt in Luthers
Denken hängt nicht an einem gleichsam philosophischen
Axiom oder läßt sich nichl mil einem genialen Grundgedanken
über (Iii.......ischliche Existenz vor Gott und Well zugleich erklären
. Vielmehr gibt I.uihers Theologie iiiclits anderes wieder
als die großartige l.i n lach hei i von Gottes Selbstoffenbarung in
seinem Wort, für das selbst die Bibel und wieviel mehr Lu-

ihers Gedankenwelt nur ein unvollkommenes Gefäß ist, in dem
wir dem Geheimnis von Gollesworl in Menschenwort begegnen
können. Gleichwohl isi Loeschens Studie ein sehr verdienstvolles
Buch, das wir zur weiteren Anregung und Information
über den systematisch denkenden Luther ins Deutsche
übersetzt wünschten.

Tan paar Hinweise: Loeschen wird z. B. von dem namhaften

Forscher Conrad Bergendorff 'Dekan und Präsident vom Au-
gustana Luthcran Seininary. USA) konzidierl, daß er die Spil-
zenreihe der Lullierforscher in seinem Werk vereint hahe. Nun
gut. aher dann müßte doch präziser berücksichtigt werden, wie
hei diesen differenziert wird. H. Hermann isi oben mit der Meinung
zitiert, daß ein Vergleich heider Partien zeigen kann, wo

die Grenzen der Systematisierung Luthers sind. (Auch hat u*
außer dem Buch Hermanns von 1930 nichts anderes von ihm

zur Kenntnis genoi.....en und auch hei W. Joest, dessen Namen

er — wie den von Modalsli falsch schreibt, ist nur das Ein-
sichtnehmen der ersten Lutherstudie, nicht die „Ontologie de''

Person hei Luther". 1967, dokumentiert.) Die dem Buch bei-

Theologische Literaturzeitung 10!!. Jahrgang 197S .Nr. 5