Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1978

Spalte:

376-377

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Bauch, Hermann

Titel/Untertitel:

Die Lehre vom Wirken des Heiligen Geistes im Frühpietismus 1978

Rezensent:

Weigelt, Horst

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

375

Theologische I .iteraturzeitung

103. Jahrgang 1978 Nr. 5

376

Ick tische Theologie ;in der Verdrängung Troeltschs aus der
evangelisch-theologischen Arbeil schuld sei, wirkt etwas ein-
seiiig. Audi ihre Konkretion in einem theologiegeschichtlichen
Beweisgang verwischt diesen Eindruck nicht. Man könnte auch
nach dein Anteil der kirchlichen Orthodoxie vor und nach 191S
und nach dem Anteil der Lutherrenaissance fragen. Im übrigen
isl der Verfall religiös-philosophischen Denkens im Stile
von Troeltsch ein sehr viel umgreifenderes Phänomen, als daß
es sieh auf das Gegeneinander theologischer Schulrichtungen
reduzieren ließe.

In komplementären Beiträgen untersuchen Dyson (Oxford)
und Gerrish (Chicago) die Möglichkeiten einer systematischen
und einer historischen Theologie nach Troeltsch. Dyson, bewußt
auf formale Aspekte konzentriert, analysiert den komplexen
historisch-philosophisch-thcologischen Zusammenhang im
Denken von Troeltsch und meint, in dieser Komplexität würden
neue Chancen eines kreativen Sprechens über die konkrete
Beziehung zwischen Transzendenz und historischer Existenz
sichtbar (99). Insofern sei Troeltsch ein „Startpunkt". Gerrish,
der Dysons formale Analyse durch eine inhaltliehe Betrachtung
der Systemalisehen Theologie Troeltschs ergänzt und dabei vor
allem auch die posthum edierte „Glaubenslehre" verwertet,
spilz.l das Problem auf den Absolutheitsanspruch des Christentums
im relativierenden Fluß der Historie zu. Troeltschs bekanntes
Sythese-Prpgramm ist nach Gerrish nicht unbedingt als
gescheitert anzusehen, denn gerade die „Glaubenslehre" sei
„fdled with a lively sense of the yet unexhausted possibilities
of Christianity for ineeting the summons of history" (134).
Gerrish tut den von den Biographen konstatierten Pessimismus
Troeltschs nicht ohne weiteres ab. relativiert ihn aber. Die
1!>74 publizierten Troeltsch-Briefe an F. von Hügel hätten
Gerrish dafür weiteres rgumentationsmaterial an die Hand
geben können.

Im letzten Teil des Bandes stellt Sykes (l)urham) die Trage,
was Wesen des Christentums nach Troeltsch bedeutet, und Pye
(Lecds) gehl „Ernst Troeltsch and the end of the problem aboul
,dt her' feligions" nach. Sykes weist die verschiedenen Entwick-
lungsstadien im Werk 'Troeltschs zur Frage nach dem Wesen
des Christentums auf und kommt zu dem Schluß, daß Troeltsch
wegen seines Geschichtsbegriffs nicht zu normativen Aussagen
durchstoßen konnte. Pye geht es darum, den traditionellen Gegensatz
zwischen der ..eigenen" und den ..anderen" Religionen
in Frage zu stellen. Fr fordert die Anerkennung der Pluralität
autonomer Religionen und kultureller Traditionen sowie des
Wandels von Tradition in der Geschichte. Beide Einsichten, im
Prinzip von Troeltsch klar herausgearbeitet, seien teilweise durch
andere Akzente überlagert worden. Sie voll zur Geltung zu
bringen, könne aus der dichotomisehen Betrachtungsweise
herausführen (175f.).

Der Band ordnet sich den Bemühungen protestantischer Theologie
der Gegenwart zu, die methodologischen Voraussetzungen
dogmatischen Denkens verstärkt zu rellektieren. Gleichzeitig
vermag er einen Beilrag zur Bewußtseinsbildung der Theologie
zu leisten, die in einer Situation inlerkulttirellcr Konflikte
zwischen Kirchen, Konfessionen und Kontinenten eines erweiterten
theoretischen Horizonts bedarf. Die Aufwertung des Begriffs
und der Sache „Religion", wie sie seit einiger Zeit zu
beobachten isl, bis hin zur Forderung nach einer „'Theologie
dei Religion", wird u. ü. auch das Interesse der evangelischen
'Theologie neu auf Troeltsch zurücklenken können. Begrüßenswert
wäre unter den Aufsätzen ein Reilrag gewesen, der eine
direktere Zuordnung Troeltschs zur aktuellen Problemlage ver-
suchl hätte. Bei der allzu streng auf Troeltsch-Exegese ausgerichteten
Verfahrensweise wirken die sich wie ein roter Faden
durch den Rand ziehenden Hinweise auf „verheißungsvolle Möglichkeiten
" künftigen Thcologisicrens etwas überanstrengt. —
Die Beiträge sind sauber und exakl gearbeitet. Wer zuverlässige
, verdichtete Information wünscht, ist mit der Lektüre
gut beraten.

Zur Ergänzung der von .I. Klapwijk angefertigten Bibliographie
wären an neuesten Arbeiten u. a. einzufügen: H.-J.
Gabriel: Christlichkeit der Gesellschaft? Eine kritische Darstellung
der Kulturphilosophie von Ernst 'Troeltsch. Berlin 1975;

K.-E. Apfelbacher/P. Neuner (Hg.): Ernst Troeltsch. Briefe an
Friedrich von Hügel 190J L923. Paderborn 1974; Hubert M.
Spörri: Ernst Troeltsch. Geschichtsphilosophje. Kulturphilosophie
. Aktuelle Stellungnahme. Diss. phil. Zürich 1973.

!.t*ip/.it{ Kurl Nowak

Rauch. Hermann: Die Lehre vom Wirken des Heiligen Geistes

Im Frühpietismus, Studien zur Pneumatologie und Eschato-

logie von Campegius Vilringa, Philipp Jakob Spencr u. Johann
Albrecht Bengel. Hamburg—Bergstedt: Reich L974.
153 S. gr. 8° = 'Theologisehe Forschung. Wissenschaftl. Beiträge
zur kirehl.-evang. Lehre, hrsg. v. II. W. Bartsch, F.
Buri, I). Georgi, 0. Habsmeier, .1. VI. Robinson, F. Theunis,
K. Wegenast, 55. Kart. DM 16,—.

Die vorliegende Monographie, — eine gekürzte und umgearbeitete
Dissertation, die im Wintersemester 1966/67 von der
Evangelisch-theologischen Fakultät der Johannes-' rutenberg-Uni-
vcrsilül Mainz angenommen worden isl —, beschäftigt sich mit
der Pneumatologie im Frühpietismus.

Bei seiner Darstellung der in der Forschung bislang zu wenig
beachteten Pneumatologie des .Frühpietismus' untersucht der
Vf. die Lehre vom Wirken des Heiligen (leisles bei Campegius
Vilringa, Philipp Jakob Spener und Johann Albrecht Beugel

in drei ges.....leiten Kapiteln. Hierbei wird die Pneumatologie

dieser Pietisten jeweils zunächst .im weiteren Sinne' und sodann
,im engeren Sinne' herausgearbeitet. Der VI. beleuchtet
dieses .Doppelthema' zwar von verschiedensten Aspekten aus,
konzentriert sich aber vor allem auf die präsentische und die
bäurische Eschatologie, die er grundsätzlich von der Apokalyp-
tik unterschieden wissen will S. 21). lim die zentrale Stellung
der ,Zukunfts-Eschatologie' bei Vilringa, Spener und Bengel
noch evidenter zu machen, wird dann in einem vierten Kapitel
(S. 99—111) ein Vergleich mit Hegel durchgeführt. IL Bauch
kommt dabei zu dein Ergebnis, daß gerade Hegel, der zweifelsohne
von Beugel beeinflußt wurde, die biblisch begründete
futurische Eschatologie beseitigt habe. ..Die Selbstentfaltung des
absoluten 'leisles Innerhalb der Welt-Geschichte isl endgültig
und ohne die .Möglichkeil irgendwelcher Zukunftserwartung

Festgelegt; der Prozeß isl ein für alle Male abgeschlossen: die
Zukunft bringt nur das Festliegende noch zur Auswirkung"
(S. III).

Die theologiegeschichtliche Arbeit, die von der Anlage und
Gliederung sowie auch vom Ausdruck und Stil her nicht leicht
zugänglich und lesbar isl, fußt offensichtlich auf einem ausgedehnten
Quellenstudium und auf einer sein' weitgespannten,
nicht immer streng themabezogenen Lektüre exegetischer, kirchengeschichtlicher
sowie systematischer Publikationen. Hiervon
geben sowohl der tabellarische F'.xkurs über Speners Benutzung
von Luthers Werken (8. 112-120) als auch die Anmerkungen
ein beredtes Zeugnis. Zu fragen isl jedoch, ob II. Bauch bei
seiner Interpretation der Quellen immer genügend kritisch und
umsichtig verfahren isl. Auch kann sich der Rezensent des Eindruckes
nicht erwehren, daß der Vf. von seinem theologischen
Vorverständnis her manches überinterpretiert und dadurch der
futurischen Eschatologie im Frühpietismus eine allzu dominierende
Stellung eingeräumt hat. Lu/.id ist in diesem Zusammenhang
, daß der Vf. am Ende seiner Arbeil ..aus tiefster
Seele" (S. 11) mit der liturgischen Formel abschließt: „Dein
Reich komme: Maranalha, Amen, ja komm, Herr Jesu: Amen' .

Diese kritischen Bemerkungen sollen jedoch den Wert dieser
sicherlich unter besonderen biographischen Gegebenheiten verfaßten
Monographie nicht schmälern. Thematisiert sie doch

einerseits ein in der bisherigen Forschung vernachlässigtes Gebiet
und stellt sie andererseits für künftige Arbeilen ein reiches
Quellcnmateria] zur Verfügung. Niehl unerwähnt sei schließlich,
daß der Untersuchung ein Literaturverzeichnis (die bibliographischen
Angaben und verwendeten Abkürzungen sind z. T.
sehr unkonventionell; vielleicht hätte das Lektorat des Verlages
hier korrigierend eingreifen sollen) sowie ein unvollständiges
Personen- und eigenartiges Stichwortregister beigegeben
isl.