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Ausgabe:

1978

Spalte:

373-374

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Müntzer, Thomas

Titel/Untertitel:

Theologische Schriften aus dem Jahr 1523 1978

Rezensent:

Grane, Leif

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Seite 1

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373 Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1078 Nr. 5 ,'<74

llie Haupturtacfae der Auseinandersetzungen 'S. 127)? ITalle Von dem eingebildeten (Hauben, i'roteslnlion oder Erbictung,

nicht die Kritik am römischen Kirdientum eine längere Vor- und Die Ordnung und Rechenschaft des deutschen Gottesdienstes

gcschiehle? Lagen hier nicht möglicherweise auch die Gründe, zu Allstedt. Man darf annehmen, daß die Abdrucke mit mo-

Warum die Reformationsanhänger die Mehrheit der Bürger auf derner Orthographie und eingeschobenen Worterklärungen, bzw.

ihre Seile ziehen konnten? Warum ergänzte die ..Absicht der Übersetzung schwer versländlicher Passagen, von vielen Lesern,

Prfidikanten" „die kirchenpolitischen Ziele der Bürger wirkungs- auch von solchen, die eigentlich nicht erst zum „breiteren",

voll" 'S. 127) und warum hatten „die katholischen Prediger sondern schon zum engeren „Interessentenkreis" gehören, mit

nichts zu hoffen" S. L29 ? Der Zusi......lenhang von Predigern Dankbarkeil empfangen werden. Soweit es durch Stichproben

und revoltierenden Hörgern im Verhältnis zu Bat und Kapitel /u ersehen ist, scheint die moderne Wiedergabe sehr zuverlässig
bedürfte näherer Erklärung, Er weist auf ein (irundproblem zu sein. Auch wo sie möglicherweise zu Diskussionen Anlaß
hin, nämlich das Verhältnis von theologischen und politischen geben mag, wird sie jedenfalls eine Hilfe zur Klärung für
Motiven und Interessen. Der Vf. erweckt den Kindruck, als manche Müntzerforscher sein. Abgesehen vielleicht von Sputa-
habe es diesen Zusammenhang vor der Reformation nicht listen des „Frühneuhochdeutschen" wird sich wohl keiner mehr
gegeben, Nur unter dieser nicht stichhaltigen Voraussetzung leisten können, auf diese Hilfe zu verzichten. In diesem Sinne
kann er die Koalition zwischen Beformationsanhängern und wird also die Ausgabe doch auch für die wissenschaftliche Ar-
Bürgern als Verquickung der ..religiösen mit den politischen beit sehr nützlich werden können.

Problemen" (S. 173) beträchten und ZU der Folgerung kommen. Außer den genannten vier Druckschriften Müntzers haben die
damit seien die Auseinandersetzungen endgültig politisiert wor- Hrsg. auch mich die kurze, nur handschriftlich überlieferte Fasten
, aus dem kirchlichen sei der weltliche (dauhensprozeß ge- sung des Stoiberger Briefes in ihre Ausgabe aufgenommen, was
wurden 'S. 177), und letztlich hätten die lleformationsanliänger sachlich durchaus zu begrüßen ist. Der übrigen Ausgabe ent-

damil „die Religion der Politik und die Kirche dem Staat unter- Sprech.....1 haben sie sowohl den genauen Wortlaut Müntzers

"nd eingeordnet" (S. 170). Zu fragen ist, ob denn „Kaiser, als auch eine modernisierte Wiedergahe gedruckt.

Papel und kalb. Universitäten" ein neutrales, ..wirklich koin- pj„0 kurze Einleitung soll auf die Bedeutung Müntzers hin-

pelenles" Gericht (S. d'2i "ewesen wären gegenüber der Ileru- weisen. Außerdem enthält die Ausgabe kurze Einführungen

hing der 11c forma ti onsn n hü iccr auf das persönliche Gewissen zl, den einzelnen Schriften, die über Entstellung, Druck und

Und das wörtliche Verständnis der Bibel vor dem Bat. geschichtlichen Kontext der jeweiligen Schrift unterrichten. Ist

Dem Vf. ist zuzustimmen, daß die ..herineneuliscbe Frage" 0s der Knappheil des zur Verfügung stehenden Baumes zuzu-

und der Gegensatz in den „theologischen Material- und Formal- schreiben, wenn bisweilen die Bemerkungen über Luther ein

Prinzipien" (S. L55) entscheidende Differenzen darstellten, wo- wenig unnuanciert, zu seinem Ungunsten, vorkommen können?

hei nur zu bemerken ist, ob diese Fragestellung nicht zu mo- |VS „jllf; den Hrsg. um Müntzer, und es hat darum kaum Sinn,

dem ist. solche Stellen zu diskutieren. Auch so geben die Einführungen

Um der in den Augen des Vi», .ms dieser Aporie drohenden gute Auskünfte. Das kleine Buch wird, ganz wie die entspre-

Politisierung ZU entgehen, fragt er nach der ..authentischen eilende Ausgabe der großen Müntzerschriften aus dem Jahre

Interpretation" (S. 160) der Bibel, läßt den Leser jedoch im J524, mit Nachwort von Max Steinmetz (..Die Fürstenpredigt",

l'nkl aren darüber, wer solche authentische Interpretation lei- Union Verlag, Berlin 1075), den Zugang zu Müntzer erheblich

»ten kann und s.,|| und wie sich das von den Reformations- erleichtern.

Kopenhagen Laif Gnu«

anhängen in Anspruch genommene Gewissen (S. 103) und die
von ihnen behauptete Eindeutigkeil der Schrift, zur autoritativen

Auslegung durch das kirchliche Lehramt verhält. War nicht der

Biblizismui der Reformationsanhänger gerade ein ernstzuneh-
mender Versuch, von der bestehenden kirchenpoütischen Bevor-

■.........ig loszukon......n? KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Die Probleme bei der Bewertung der Vorgänge, die auch der

Vf nicht als ei......utig ansieht 'S. 196), ändern nichts daran. (,|;ivl(m_ |o|in poyreü [Edj. Ernst Troeltscb and the Futur.- ol

daß die vorliegende Arbeit im Blick auf Entstehung, Struktur. Theo.ogv. Cambridge - London - New York - Melbourne:

Eigenart und Inhalt der Hamburger Rcformationsgespracfic (;am,)rid'ge University Press [1076]. XIII, 217 S. 8°. Lw.

Wesentliche Klarstellungen und Ergänzungen bringt. Die bis- £ _ ,Q

teilen kräftig durchschimmernden Züge des eigenen theolo- ' ' ... .

Kiscl.cn Standpunktes sind dem Bemühen um eine sachgerechte D.e vorhegende Aufsatzsammlung .st aus einem mternat.ona-

and faire Darstellung im Ganzen nicht hinderlich, zumal eine len Troeltsch-Symposion in Lancaster erwachsen. D.e Autoren

-'« wisse Einseitigkeit der bisherigen Darstellungen der Kor- der sechs Beiträge wissen sich durch das gemeinsame Anliegen

r('klur bedurfte verbunden, Trocltsch neu in das theologische Gegenwarlsge-

Positiv hervorzuheben ist auch, daß in einem Anhang zur sprach einzubringen. H.-G. Drescher (Pädagog. Hochschule

Arbeit außer einem Orts- und Personenregister auch die wich- Ruhr) führt einleitend Iroeltschs .ntellektuelle Entwicklung vor

Ugsten handelnden Personen in Kurzbiographien vorgestellt und ist dabei vor allem auch an dessen Rehabilitierung als

w«"rden (S 201-218) einige wichtige Qucllenstücke abgedruckt Theologe interessiert. Daß sich Troeltsch von den theologischen

s'»d (S 218-238) und einige Tabellen die Übersicht erleichtern. Anfängen seiner Entwicklung mehr und mehr entfernt habe,

sei nur bedingt richtig: sein theologisches Denken sei durch-

»«nbuig Hans-Werner Mfls.ng historisch und philosophisch orientiert (30). - R. Morgan

(Lancaster) versucht in seinem Aufsatz „Troeltsch and the
dialectical theology" deutlich zu machen, daß das Problem
Glaube—Geschichte durch die Auseinandersetzung maßgeblicher
Vertreter der dialektischen Theologie mit Troeltsch keineswegs

Müntzer, Thomas: Theologische Schriften aus dem Jahr 1523, abgegolten sei. Das „generell negative Verdikt" (33) dialek-

,,rsg. v. S. Bräuer u. W. Ullmann. Berlin: Evang. Verlags- tiscner Theologie über Troeltsch, das Morgan an Barth. Bull-

"nstalt [1075]. 100 S. 8°. M 7,— ; Ausland M 0,-. mann, Gegarten, auch Thurncysen und Brunner exemplifiziert,

n. „ " ' . .. r-wiff«ntlichung Schriften sei auf unzureichende Beschäftigung mit Troeltsch, pauschali-

,e Herausgeber wollen not dieser Ver " ^ sicrendeS Urteil, Mangel an Selbstreflexion und schließlich auch

J . •j-nas Müntzer „einem breiteren ^^r^^. Mangel an Konsequenz bei der Entfaltung der eigenen Posi-

K''"ghch machen Die Ausgabe g bt also nicht vir. eim wissen . ..i.ifc i „ ~o

Mhaftüc-he u s n Un, ihren Zweck zu erreichen, haben Bräuer t.on zurückzuführen. Gogartcn w.rd noch am ehesten besehe.-

»nd ImZ t t ' t „die Druck als auch Wiedergaben n.gt, das Problem in seiner vollen Dimension gesehen zu ha-

Ullmann sowohl F,k«^J™*!™ begebenen Orten be... Morgan empfiehlt deshalb, einen Vergleich der Positionen

ei„ r m °Xl0' d'C, T, gCW'SS ' Tr cht Fs drel,t «ich um Troeltsch-Gogarten für die theologische Arbeit der Gegenwart

*C*SC, tfwhrie'f Brtdett Stolherg, fruchtbar zu machen (.7). - Die bekannte These, daß die dia-