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Ausgabe:

1978

Spalte:

352-353

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bultmann, Rudolf

Titel/Untertitel:

Der zweite Brief an die Korinther 1978

Rezensent:

Lohse, Eduard

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Oer Herausgeber hal sich In dankenswerter und hilfreicher
Weise verdien! gemachl durch die Zusammenstellung dieses
ßandes ebenso wie mit seinem eigenen Beitrag zu dem Problem
, das in ihm verhandelt. Das Problem selbst wird
die neutestarhentliche Wissenschaft bleibend begleiten.

Halle (Saale) Traugott Ifollz

Rasco. Emilie S. J.: La Teologia de Lucas: Origen, Desarrollo,
Orientaciones. Roma: Universita Gregorinnn Kditrice 1976.
XL. 195 S. gr. 8° = Analecta Gregoriaiia, Cura Pontificiae
Universitatis Grogorianae edita Vol. '201 Series Faeultatis
Theologicae: Sectio A, n. 21. Lire 7.000.

Teil 1 (S. 1—92) ist Bericht über die Forschung seil ca. 1920
bis Anfang 1975. der Kommentare, Monographien wie Artikel
einschließt. Nach einem überblick Ober die Arbeilen bis 1050,
vor allem Cadbury, Dibelius, Hillmann, Taylor, wird die durch
Vielbaners scharfe Kritik und besonders durch Conzelmanns
Sicht der Heilsgeschichte mit ihren drei Perioden (alttestamenl-
liche Vorbereitung, Wirken .lesu als Mitte, Zeit der Kirche) ausgeloste
Diskussion erschöpfend dargestellt, wobei der Vf. deutlich
auf der Seile der Kritik daran steht (Flender, Sehneider,
Marshall, Zmijewski, Schürmann). Teil II gruppiert nach systematischen
Gesichtspunkten, Die Lösung des Problems von Tradition
und Redaktion ist erschwert durch die umstrittene Quellenfrage
, hauptsächlich aber dadurch, daß oft nicht sichtbar wird,
ob Lukas Traditionen in ihrem ursprünglichen Sinn übernimm!
oder sie uminterpretiert, wobei der Vf. gegen Conzelmann annimmt
, daß das erste sehr viel hätiligor der Kall ist (S. 98 — 101).
Die scharfe Trennung Conzelmanns /wischen Zeit Jesu und
Zeil der Kirche läßt sich nach Rasco nicht halten; das Wirken
des Geistes überbrückt die trennende Fuge (S. 101—106). Im
dritten Evangelium finden sich so viele Synthesen von Traditionen
und lukanischen Zusätzen, daß auch nachweisbar- starke
redaktionelle Eingriffe ein kontinuierliches Weiterwirken des
übernommenen keineswegs ausschließen, erweist, sich doch Lukas
als behutsamer und vorsichtiger Historiker (S. 106—114).
Die Struktur des Evangeliums ist durch das Schema des „We ges
Jesu" gegeben, wobei die Scheidung /wischen der Zeil Jesu
und der der Kirche von nur sekundärer Wichligkeil ist gegenüber
derjenigen zwischen der Zeit vor Jesus und der seines
Wirkens (S. 114—117). Mit Schürmann sollte man auch diese
Periode eher in 3f./5—19,27/19,28—24 aufteilen als den Hauptabschnitt
am Anfang des Reiseberichtes zu setzen. Auch hier
läßt sich das Übergreifen des Weges Jesu auf den der Kirche
feststellen, führt er doch zur Erhöhung Jesu und damit zu seinem
Wirken in der Kirche (S. 117—125). Die Chrislologie ist
bestimmt durch das Anliegen, die Identität des Erhöhten mit
dem Irdischen festzuhalten, selzt sich doch Jesu Lebensweg In
der Verkündigung fort. So ist er Vorbild, aber auch in „on-
tischer" Weise Realbefreiung des Menschen, weil der personhaft
geleistete Dienst bis in den Tod hinein die Einheit von
Menschsein und göttlicher Sohnschaft offenbart. Damit ist luka-
nische Christologie offen für kommende Präzisierungen. Wird
dabei das Heil auch stärker an die Auferstehung als an den
Tod Jesu gebunden, ist doch beides unauflösliche F.inheit, und
die Zuneigung des Sterbenden zu den Menschen zeigt etwas
von lukanischer Kreuzestheologie. Eigentliches Zentrum bleibt
aber der nur „narrativ" verkündbare Gehorsam Jesu durch sein
ganzes Leben hindurch (S. 126—137). Die Zeit der Kirche ist
Erfüllung, gehört also zur Heilszeit; in ihr wirkt der Erhöhte
als Gottessohn durch den Geist ..trinitarisch" (S. 138—147). In
der Frage der in unserem Jahrhundert zum ersten Mal angefochtenen
Heilsgeschichte sieht, der Vf. Lukas mit Zmijewski
zwischen Paulus und Johannes stehen. Die paulinischen Kämpfe
sind ausgefochten, daher können mit Lukas wieder die allgemein
verbreiteten Traditionen der Kirche in den Vordergrund
linken: innerhalb der Geschichte vollzieht sich Gottes Heilsgeschichte
, in der „die läge" des Messias zu „dem Tag" (Lk
17,20-37) führen (S. 147-172). So steht Lukas zwischen den
Existentialisten und den Heilsgeschichtlcrn; es sind die Heils-

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ereignisse selbst, die uns nach Lukas zur Umkehr, also zur
Änderung unserer Existenz rufen. Lukanische Theologie ist freilich
nichl immer scharf konturierl und scbllcl.il verschiedene
Momente ein, von denen keins auf Kosten der andern verabsolutiert
werden darf (S. 173-182).

Die Weile der bearbeiteten Literatur ist stupend. Aus neuerer
Zeil wären noch zu ergänzen: St. G. Wilson, The Gcntileg and

Gentile Mission in Luke-Acts (MS SNTS 23, 1973); R, Geiger,
Die lukanischen Endzeilreden (Kurop. 1 lochschulschriften, Theol.
16, 1973). W. Radi, Paulus und Jesus im lukan, Doppclwerk
ebd. 49) und R. Glöckner, Die Verkündigung des Heils beim
Evangelisten Lukas (Walberberger Studien 9) erschienen erst
1975. Gelegentlich linden sich Uugenauigkeiten: Conzelmann

sieht den Geist nicht als Ersatz für Christus, sondern für das
Eschaton (S. 142); Lk I7,26L spricht von den Tagen Noahs,
nicht Moses (S. 165), Slauffer heißt E(thelbert), nicht A. (S.
XXXV, I49bis). Druckfehler, besonders bei Fremdsprachen, sind
relativ häufig (z. 15. S. 85 mehrmals, auch S. 83, 100 usf.). Störend
sind falsche Zahlen ('S. 118 oben 5,1 stall 5,11; Mille 19,27
statt 9,27: S. 155 Mille 15 statt 5). Entscheidend sind aber die
aufgeworfenen theologischen Fragen. Wir haben zweifellos seit

Conzelmanns großem Wurf dazugelernt, und ich habe selbst in

. Jesus Christus" (S. 136 154) meine Fragen gestellt, die mit

denen Rasens au manchen Punkten übereinstimmen, Freilich

scheinen mir, so bewundernswert und hilfreich sein Ruch als
Forschungsbericht ist, die Probleme damit, noch nicht, gelöst
(geschweige denn durch meine paar Randbemerkungen). Man
kann ja nicht einfach verschiedene Traditionen (und erst noch
redaktionelle Hinweise nebeneinanderstellen; bewußt oder unbewußt
muß man ja werten. Mau kann natürlich meinen. Paulus
sei nur in einer bestimmten Situation entscheidend gewesen
, oder, sein Anliegen sei in einer andern Situation nichl aufzugeben
, wohl aber neu zu formulieren. So oder so zeigt er aber
«Iii- Notwendigkeit, (las Ganze der Botschaft von einem Schwerpunkt
her anzugehen. Vielleicht ließe sich aber von Lukas aus
im fernereu Nachdenken die alle zwischen Barth und Bultmann
siehende Frage — ob Heilsgeschichte objektiv eine Well des
Heils geschaffen hal. die der Glaubende nur erkennt, oder ob

dieses Erkennen als Änderung des Selbstvorständnisses das Heil

selbst sei — in neue Denkkalegorien bringen und entschärfen.
Auch für Lukas erfüllt sich das Heule des Heils ..in euren
Obren" (4,21), und der gepredigte „Name", in dem das Heil
liegt, ist identisch mit dem gegenwärtigen Jesus (Apg. 4.12).
Rasens Verweis auf Malevcz (S. 177) und Cullmann 'S. 160)
könnte zu solchem Weiterdenken verhelfen: Wer mit dem realen
Goti rechnet, weil.!, daß einerseits unser „Vorverständnis
schon durch ihn selbst geprägt ist und andererseits seine Talen
in der Geschichte ihre Deutung schon in sich tragen. Das heißt
doch, daß wir mitsamt unserem sich wandelnden Selbstver-
slündnis ganz anders in eine schon längst gestaltete neue ..Welt"

hineingenommen sind, als ausgesprochen existentiale Interpre
tation das meist sieht, daß diese „Welt" aber wie Liebe oder
Musik uns nur umschließt, indem sie uns bewegt. Steht vielleicht
Lukas doch zwischen Paulus und Johannes, wie Rasco
es sieht?

Zürich Eduard Sdra einer

ßllltmann, Rudolf: Der zweite Brief an die Korinther, hrsg. V.
E. Dinklcr. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [197(5]•
270 S. gr. 8° = Kritisch-exegetischer Kommentar über das
Neue Testament, hrsg. v. F. Halm, Sonderband. Lw.
DM 44,-.

Da die Fertigstellung des von Erich Dinklcr vorbereiteten
Kommentars zum zweiten Korintherbrief noch einige Zeil '"
Anspruch nimmt, wird als Sonderband zum Kritisch-exegeti-

sehen K.....mentar das Manuskript des Kollegs vorgelegt, das

Rudolf Rullmann zuletzt im Sommersemesler 1951 gehaltW
bat. Abgesehen von einer hinzugefügten Übersetzung ist der
Text unverändert geblieben. Die Zitate sind freilich auf <ha
neuesten Editionen umgestellt; eine Übersicht über ausgewählte

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang I97S Nr. 5