Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1978

Spalte:

315-318

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Bethge, Hans-Gebhard

Titel/Untertitel:

"Vom Ursprung der Welt" 1978

Rezensent:

Bethge, Hans-Gebhard

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

315

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 4

310

und Handelns der Kirche gebannt. Der Architekt Reinhard
Gieselmann nimmt den Gedanken der Flexibilität
auf („Planerische Aspekte ökumenischen Bauens") und
weist auf die Gefahren hin, mit dieser Flexibilität auch
Chancen der Entscheidungen zu verpassen. Bestandteil
der Planung ist auch die künstlerische Formung des Baukörpers
. Deshalb sollten die Räume ihrer vitalen Bedeutung
und funktionellen Verschiedenheit entsprechend verschieden
geformt sein. Es gibt nämlich nach Gieselmanns
Meinung keinen Grund dagegen, jeder der beiden Großkirchen
einen eigenen Raum zu bauen. Denn im Bewußtsein
unserer Gesellschaft ist die konfessionelle Dualität
immer noch aktuelle Gegenwart, und die Schaffung der
spezifischen Bauten ist immer noch für das Profil der Stadt
aus der Sicht des Architekten notwendig. Aber nicht allein
dies rechtfertigt die bauliche Dualität. Gieselrnann führt
den ökumenischen Gedanken auf die Idee der Toleranz
(Erasmus von Rotterdam) zurück, die mehr ist als Koexistenz
. Sie ist vielmehr die Achtung vor dem Bruder,
mit dem man den gleichen Weg hat. Von daher sieht er die
Ökumene nicht als Superkirche, sondern als eine Organisationsform
an, in der sich die Toleranz innerhalb der
Verschiedenheit der Einzelkirchen lokalisiert. Deshalb
plädiert Gieselmann auch für die Ausformung der Verschiedenheit
der Räume, denn „diese fördere das gegenseitige
Verständnis der Konfessionen und trägt zur Differenzierung
des christlichen Glaubens bei."

Durch neue bauliche Konzeptionen könne keine Entwicklung
intellektuell initiiert werden, die zunächst geistig
ausgetragen werden muß. Dazu kommen Unsicherheitsmomente
im gesamten geistlichen Konzept, die eine besonders
gefestigte Architekturform nicht erwarten lassen.
^Der letzte Schritt, der Bau des einen Kirchenraumes für

den überkonfessionellen Gottesdienst, sollte am Endpunkt
einer geistigen Entwicklung stehen, die erst begonnen
hat,"

Faßt man die Vielfalt der Aspekte d ieser Dokumentation
zusammen, so gewinnt man den Eindruck, daß die Mehrzahl
der Berichterstatter ihre Gedanken über den Kirchbau
allgemein in den Vordergrund rückten. Der ökumenische
Bezug geriet dabei merkwürdig in die Sekundärposition
. Die Diskussionen um den Bauherrn, um den
Sakralraum, die Tendenzen vom Sakralraum über den
Mehrzweckraum, dessen unheilvolle Begriffsbestimmung
doch inzwischen allgemein erkannt ist, bis hin zum Verzieht
auf „kirchliche" Räume sind spezielle Bauthemen,
die auf ökumenische Planung einwirken, aber nicht durch
ökumenische Bewegungen ausgelöst wurden. An dieser
Stelle scheint der Zweck der Dokumentation ein wenig gefährdet
. Auch nicht zuletzt deshalb, weil die Theologen
beider Fakultäten am meisten das Wort ergriffen, der planende
und hauende Architekt oder Städtebauer kam in
nur einem Aufsatz zu Wort. Aber die Dokumentation
zeigt viele Zielvorstellungen und saubere Einordnungen
der Planungs- und Baugedanken in die gesellschaftliche
Situation auf und macht das Spannungsverhältnis zwischen
Kirchgemeinde und kommunaler Gemeinde deutlich
mit den Möglichkeiten der spezifischen Differenzierung bis
hin zur Integration, so daß die Glaubhaftigkeit aller Bemühungen
nur unterstrichen wird. Wenn durch diese
Klarheit der Aussagen - trotz ihrer Vielfalt und Gegensätzlichkeit
- Mut gemacht wird zum ökumenischen Denken
und Handeln, hat diese Dokumentation ihr Ziel
erreicht.

Berlin Werner Richter

REFERATE ÜBER THEOLOGISCHE DISSERTATIONEN IN MASCHINENSCHRIFT

Bethge, Hans-Gebhard: „Vom Ursprung der Welt". Die fünfte
Schrift aus Nag-Hammadi-Codex II neu herausgegeben und
unter bevorzugter Auswertung anderer Nag-Hammadi-Texte
erklärt. Diss. Berlin 1975. 489 S.

Die Aufgabe der vorliegenden Dissertation, Bestandteil
der umfangreichen Forschungsvorhaben des Berliner Arbeitskreises
für koptisch-gnostische Schriften, bestand
darin, die wissenschaftliche Auswertung und umfassende
Erschließung der fünften, zumeist „Vom Ursprung der
Welt" (Titel abgekürzt: UW) genannten Schrift aus
Nag-Hammadi-Codex II durch eine verbesserte Textausgabe
mit Übersetzung, ausführliehen Indices und exegetischem
Kommentar ein gutes Stück voranzutreiben.
Ausgangspunkt der Arbeit war vor allem die editio prin-
ceps im Jahre 1962 durch Alexander Böhlig, die u. a. in
der Textausgabe auf Grund der inzwischen erschienenen
Faksimile-Ausgabe des Codex II von Nag Hammadi und
neuer Kollationen am Original durch Hans-Martin
Schenke, aber auch im Kommentarteil nach Bekanntwerden
der meisten Nag-Hammadi-Texte nicht mehr
allen Ansprüchen genügt.

Die titellose Schrift ist ein auf verschiedenen Quellen
und Traditionen basierendes, teilweise in ycrgleichswcis.'
wissenschaftlichem Stil mit zahlreichen Ätiologien und
Etymologien dargebotenes enzyklopädisches Kompendium
wesentlicher gnostischer Gedanken, vor allem zu
Kosmogonie, Anthropogonie und Beginn der Urgeschichte
einerseits sowie zur - dem Autor offenbar besonders am
Herzen liegenden - (Universal-) Eschatologie andererseits,
in Form einer auf Öffentlichkeitswirksamkeit bedachten
apologetischen Abhandlung. Der uns namentlich nicht
bekannte Autor versteht sich selbst als gebildeter Apologet
oder Propagandist seiner gnostischen Weltanschauung
; aus diesem Grunde versucht er, sachlich und überzeugend
zu argumentieren und seine Meinung durch Berufung
bzw. Hinweis auf andere, auch nichtgnostische
Werke abzusichern und ihr dadurch mehr Gewicht zu
verleihen. UW richtet sich mehr an eine interessierte oder
noch zu interessierende und zu gewinnende Öffentlichkeit
und ist demzufolge kaum ein Produkt gnostischer Esoterik
.

Die Abfassungszeit von UW ist nur ungefähr zu bestimmen
. Will man nicht mit einem längeren traditionsgeschichtlichen
Prozeß rechnen, in dessen Verlauf das
Work gleichsam gewachsen ist, dürfte unter der begründeten
Annahme, daß es sich um eine bewußte schriftstellerische
Komposition eines Autors handelt, die keine
umfängreichen sekundären Änderungen mehr erfuhr, der
terminus a quo mit dem beginnenden Einfluß des Mani-
chäismus in Ägypten gegeben sein, also am Ende des
3.Jhs., während der terminus ad quem sicher nicht zu
weit im 4. Jh. zu suchen ist; man wird dabei den Zeitraum
zwischen dem Entstehen der griechischen Form von UW
und der in die Mitte des 4. Jhs. zu datierenden Niederschrift
des NHC II wegen der dazwischenliegenden schriftlichen
Tradierung und Übersetzung ins Koptische mit
anschließender Überlieferung berücksichtigen müssen und
nicht zu knapp veranschlagen dürfen. Im Verlaufe dieser
Zeit wird es möglicherweise noch zu gewissen Änderungen
im Text gekommen sein.

Das Nebeneinander von jüdischen Anschauungen (s.
unten) unterschiedlichen Charakters, manichäischen Elementen
(s. unten), christlicher Gedanken (s. unten), griechischer
philosophischer Vorstellungen (vgl. p. 97,24-98,2),
Gestalten griechischer bzw. hellenistischer Mythologie
(Typhon, Eros und Psyche sowie Himeros), Zauberpraxis
(vgl. p. 102,7f.) und Astrologie (Planeten, Heimarmene)
unter deutlich betonter Hervorhebung ägyptischen Gedankenguts
(vgl. p. 121,35-123,2) weist auf Alexandria
als Ursprungsort der griechischen Form von UW hin.