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Ausgabe:

1978

Spalte:

307-309

Kategorie:

Kirchenrecht

Titel/Untertitel:

Die rechtliche Ordnung der bekenntnisverschiedenen Ehe 1978

Rezensent:

Berenbruch, Karl-Wilhelm

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Theologische l.iUTaturzeitung 10.'!. Jahrgang 11178 Nr. 4

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aussetzungen aufgelöst werden. Dabei kamt es sich um
sakramentale nichtvollzogene Ehen handeln oder um
nichtsakramentale Ehen, also Ehen, bei denen einer oder
beide Ehepartner nicht getauft sind. Insbesondere sind
folgende Fälle von Eheauflösung zu bedenken: Seit 1924
Auflösung von Ehen, die zwischen ungetauften und
akatholisch getauften Personen geschlossen worden sind.

Seit 1947 Auflösung von Ehen, die zwischen ungetauften
und katholisch getauf ton Personen geschlossen worden
sind.

Seit 1957 Auflösung von Ehen, die zwischen ungetauften
Personen geschlossen worden sind, von denen keine
die Taufe empfängt. Die hier sich abzeichnende kirchliche
Praxis begrifflich zu fassen, ist die Aufgabe der Kanon istik.
Zwar gill l ..Die Kirche tut es. also kann sie es. Ks wäre
verwegen, anzunehmen, die Kirche, die sich des Beistandes
des Hl. Geistes erfreut, habe in einer so wichtigen
Sache eine irrige Eni Scheidung - sogar in vielen fallen !
getroffen" (S.47). Aber „dieser gern angeführte Erklärungsversuch
." wirkt „innerhalb einer wissenschaftlichen
Diskussion sehr unbefriedigend"" (S.47). Ob aber der von
den Kanonisten sehr verschieden definierte Begriff Privilegium
Petrinum weiterhilft, ist die Frage, der sich die
vorliegende Dissertation widmet. Sie zeichnet auf Grund
der Literatur ein Bild von verwirrender Mehrdeutigkeit.
Dazu kommt, daß die Begriffe Privilegium lVt rinum je für
sieh genommen nicht geeignet sind, das Gemeinte adäquat
auszudrücken. Der Terminus Privilegium Paulinum sollte
auf Grund einer langen Tradition in Lehi'e und Praxis der
Kirche beibehalten werden. Ihm aber ein neues Privilegium
an die Seite zu stellen, erweist sich bei näherer Prüfung
als Mißgriff. Denn es geht nicht an, die potestas, die
Christus seiner Kirche übertragen hat, als privilegium zu
klassifizieren (S. 173). Es ist nicht einsichtig, warum gerade
diese Gewalt der Kirche gegenüber anderen Gewalten als
Privilegium abgesetzt wei den soll. „Steht Privilegium Petrinum
als Oberbegriff (der auch das Privilegium Paulinum
umfaßt), so steht privilegium im einen Fall (Priv
Paul) für das ,ius' des bekehrten Ehegatten, . . . eine neue
Ehe einzugehen, im andern Fall (PrivPetr) aber für die
,potestas' der Kirche, Ehen aufzulösen . . .". „Steht Priv
Petr als ergänzender Begriff zum Priv Paul.dann stehen
zwei ,Privilegien' nebeneinander, die alles andere sind, nur
keine gleichbedeutenden Begriffe". Potestas kann eben
nicht adäquat mit dem Terminus Privilegium wiedergegeben
werden (S. 174).

Und der Terminus Petrinum im Gegenüber zu Paulinum
erscheint wenig sinnvoll, da ein Wort des Apostels
Petrus zur Eheauflösung (ähnlich dem des Apostels Paulus
IKor 7,12-15) nicht nachweisbar ist.

„Weder .Privilegium' noch ,Petrinum' noch , Privilegium
Petrinum' scheinen ein geeigneter Ansatzpunkt zu
sein, um die kirchliche Eheauflösung terminologisch zu
.fassen'" (S.204).

Halle (Saale) Erdmann Schott

Becker, Werner: Die rechtliche Ordnung der Bekenntnisverschiedenen
Ehe. Dokumente lateinisch - deutsch. Geschichtliche Einführung
und Kommentar. Leipzig: St. Benno Verlag (Lizenzausgabe
des Paulinus-Verlages, Trier) [1975]. 180 S. 8° = Kirchliche
Dokumente nach dem Konzil, 15.

Der Verfasser stellt das gegenwärtig geltende katholische
Mischehenrecht dar, wobei er besonders die im deutschen
Sprachraum gültigen Regelungen berücksichtigt.
Unter dem Begriff Mischehe versteht er sowohl die bekenntnisverschiedene
Ehe als auch die Ehe eines Katholiken
mit einem Ungetauften.

Ausführlich wird die Rechtsentwicklung der letzten
fünfzehn Jahre nachgezeichnet. Während des Konzils erarbeitete
eine gemischte Kommission ein Votum zur
Mischehenfrage, das vom Konzilsplenum debattiert und

dann zur Weiterverwendung dem Papst zugeleitet wurde.
Die Instructio der Glaubenskongregation von 1900 war
ein erster, noch zaghafter Schritt auf dein Wege zur Neuordnung
dieses Rechtsgebiotes. Nachdem die Bischofssynode
1907 über die Thematik beraten hatte, wurde
durch das päpstliche Motu Proprio „Mat rimonia Mixta"
von 1970 das Mischehenrecht einer grundsätzlichen Neuregelung
unterzogen. Im gleichen Jahr ergingen die Ausführungsbestimmungen
der Berliner Ordinarienkonferenz,
die das Motu Proprio konkretisierten.

Im zwoiten Teil des Buches werden alle wesentlichen,
zur Sache gehörenden Dokumente abgedruckt. Außer den
eben genannten Texten sinil dies zwei ostkirchliche Verhältnisse
bet reifende römische I >ekrete, ein von der kal bo-
lischen und der evangelischen Kirohenleitung in der DDK
beschlossenes Wort zur Zusammenarbeit in der Seelsorge
an konfessionsverschiedenen Ehen und die in der DDK
geltende Ordnung der kirchlichen Trauung für konfessionsverschiedene
Paare unter Beteiligung der Pfarrer
beider Kirchen.

Seit der Einführung des Codex Juris Canonici 1918 galten
für die Mischehen strenge Bestimmungen: Für alle
Katholiken, auch für solche, die eine Mischehe mit Christen
anderer Konfessionen schließen wollten, war die
Formvoreohrift verbindlich, d. h. sie mußten ihren Ehewillen
vor dem katholischen Geistlichen und zwei Zeugen
erklären, wenn ihre Ehe von der katholischen Kirche als
gültig anerkannt werden sollte. Die konfessionsverschie-
dene Ehe war an sich verboten. Wurde durch Dispens solche
Eheschließung ausnahmsweise zugelassen, so geschah
dies nur dann, wenn beide Brautleute ein bindendes Versprechen
für die katholische Taufe und Erziehung ihrer
Kinder abgaben. Diese Bestimmungen verfolgten den
Zweck, die Zahl der Mischehen klein zu halten und ih n
katholischen Bekenntnisstand des katholischen Ehepartners
und seiner Kinder zu erhalten.

Besonders seit dem letzten Kriege wurden diese Rechtsnormen
reformbedürftig. Folgende Mißhelligkeiteu zeigten
sich: Durch die Bevölkerungsverschiebungen der Nachkriegszeit
nahm - besonders im deutschen Sprachgebiet -
die Zahl der Mischehen stark zu. Da offenbar in vielen
Fällen der nichtkatholische Partner dieser Mischehen zu
einer katholischen Trauung nicht bereit war, wuchs zugleich
die Zahl der für die katholische Kirche ungültigen
Ehen erschreckend an. Damit drohte der Zweck der kirchlichen
Gesetzgebung, nämlich die Erhaltung des katholischen
Ehepartners und seiner Kinder im katholischen
Glauben, in sein Gegenteil umzuschlagen: Da das kirchliche
Recht die nicht katholisch getrauten Ehen als ungültig
erklärte und die vielen, in solchen Ehen lebenden
Katholiken exkommunizierte, wurden diese Katholiken
von ihrem Kirchenrecht gleichsam aus ihrer Kirche vertrieben
.

In diesem Zusammenhang wird oft auf das Naturrecht
auf Eheschließung hingewiesen. Man beobachtet, daß
durch die bisherige kirchliche Rechtsordnung das originäre
Recht des Menschen auf die Ehe in unzulässiger Weise
eingeschränkt wird: Dem Katholiken, der im Einvernehmen
mit seiner Kirche bleiben will, wurde durch das Kirchenrecht
verwehrt, eine Ehe mit einem nichtkatholischen
Partner zu schließen, der die katholische Trauung und
Kindererziehung verweigerte. Damit wurde für einen in
konfessionell gemischten Gebieten lebenden Katholiken
die Möglichkeit, eine Ehe zu schließen, beträchtlich eingeengt
und sein Recht auf die Ehe verletzt.

Außer diesen Mißständen haben Impulse des Konzils
auf eine Neuordnung des Mischehenrechts hingewirkt.
Man erkannte, daß das Gewissen des nichtkatholischen
Partners einer Mischehe geachtet werden muß und daß
man deshalb von dem katholischen Partner solcher Ehe
nicht uneingeschränkt bindende Versprechen hinsichtlich
der katholischen Kindererziehung einfordern darf'. Bisher
wurde ein Katholik, der die nichtkatholische Erziehung