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Ausgabe:

1978

Spalte:

295-296

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Wilting, Hans-Josef

Titel/Untertitel:

Der Kompromiß als theologisches und als ethisches Problem 1978

Rezensent:

Wiebering, Joachim

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Seite 1

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Theotogisehe Literat iirzcitung 108, Jahrgang I97K Nr. 4

290

Subilia, V.: Un Lbro per credenti e per atei (Protest. XXXI, 197(5 schlössen werden, daß „die Richtigkeit einer Handlung

S. 222 -228). allein von den zu erwartenden guten und üblen Folgen her

-: Menaggio oristiano e oultura iramanentistica (Protest. XXX, bestimmt" wird (S. 156). Eine „teleologische Normierungs-

i Jk'i i ' a- ■ :ui ,u , „t yvv't ima theorie" könnte mit Hilfe von „Wertvorzugsregeln" diese

-: La nomalsia <b uns oivilta orutiana (Protest. xx.Yl, mm> . „ , . . , " 6 6

S. 101-105) Aulgabe leisten.
-: Processo aila teologia contemporatiea (Protest. XXXI, l!»7(i Diese Darlegungen des Vis. sind bei aller Würdigung
S. :17 44). der klaren Gedankenführung nicht ohne weiteres überWagner
, Harald: Theologie und Wirkliehkeitserf'alining (ThQ zeugend. Das betrifft einmal die Auseinandersetzung mit
157, 1977 S. 255 204). Thielicke, zum anderen die Behandlung der Rechtfertigungsproblematik
. Zu wenig wird berücksichtigt, welche
zentrale Rolle für Thielickes Überlegungen der Koinpro-
£ J 11( miß Gottes mit der Welt in Gesetz und Evangelium spielt.

IJic- Hede von der Notwendigkeil and Vergebungsbedürf-

_ • ,, _ , _ _ .„,,... tigkeit ethischer Kompromisse ist für Thielicke begründet

Wflting, Hans-Josef: Der Kompromiß als theolog.sches und «L. in göttlichen „A&omodation" und kann deswegen

elhisrhes Problem. hin Ken mg zur iinterseliiedliehen Jseurtei- lr ° . . v. • • r i /•» j i •

lungdesKompromisse«durch HTThielicke undW.Trillhaas. Düs- Kompromisse nicht mehr einfach vom Gedanken einer

Beidorf: Patmos-Verlag [1975|. JliO S. 8° -= Moraltheologiselie lebensgesetzhchen Anangke her legitimiert sehen (TbE

Studien, Syst. Abt., hrsg. v. B. Schüller, IS. H/1, 666). Die vom Vf. unserer Arbeit benutzte Definition

des Kompromisses „Ausgleich zur gleichzeitigen Teilver-
Wie viele andere moraltheologische Arbeiten aus jung- wirklichung mehrerer gegenläufiger Interessen" (S.69)
ster Zeit, wendet sieh auch diese dem weiten Feld der Dis- wird diesem Hintergrund von Thielickes Überlegungen
kussion um die ethische Normenfindung zu. Sind dabei nicht gerecht, und an der Inkongruenz der Definitionen
auch Kompromisse erlaubt und wie sind vollzogene Korn- des Kompromisses seheint mir auch (im Unterschied zur
promisse ethisch zu beurteilen? Der Verfasser, wissen- Ansicht des Vis.) die verschiedene Behandlung des Kom-
schaftlicher Assistent an der Universität Essen, sucht diese promisses bei Thielicke und Trillhaas zu liegen. Wenn
Magern Auseinandersetzung mit den Positionen von zwei Trillhaas das Problem des Kompromisses von menschevangelischen
Theologen zu klären. Dabei gerät die Arbeit liehen Grunderfahrungen her zu erfassen sucht und die
im wesentlichen zu einer Kritik an der Einschätzung des frage, ob ein Kompromiß geschlossen werden dürfe oder
Kompromisses durch Helmut Thielicke, während die Steh nicht, davon abhängig macht, wie weit dabei das Gewissen
lungnahme durch Wolfgang Trillhaas sehr viel kürzer refe- dem einzelnen kundgibt, daß etwas Unverletzliches auf
riert und kaum hinterfragt wird. dem Spiele stehe (vgl. ZEE 1960, S. 355ff.), argumentiert
Gegen Thielickes Position, wie sie in dessen Theologi- er von einem anderen Ansatzpunkt her als Thielicke, was
scher Ethik (vor allem Band II/l, 1955) vorgetragen wird, in der vorliegenden Arbeit zu wenig beachtet worden ist.
hat der Verfasser in erster Linie einzuwenden, daß dort Der Vf. verweist mit Recht darauf, daß Thielicke im
jeder ethisch relevante Kompromiß notwendig sittlich Unterschied zu Trillhaas die ethische Beurteilung des
schuldig macht..Weil alles menschliche Handeln em Ein- Kompromisses im Zusammenhang mit der Rechtfertigehen
aUf die sundige Welt sei, könne Thielicke in jeder gum/lehre unternimmt. Dabei gerät letztere aber in ein
Rechtfertigung des Kompromisses nur einen Ausdruck f^hes Ucht weml die Rechtf|rtigu des Sünders als
menschlicher helbstherrlichkeit sehen. Neben der reforma- >>Umwaildlung des sittlich bösen in einen sittlich guten
torischen Rechtfertigungslehre sei es die These von der Menschen« be0schrieben wird (S. 79) und von diesem Um-
Sundigkeit aller Strukturen dieser Welt die zu der Fo ge- wandlungsprozeß die , .Beurteilung der Pflichtgemäßheit
rung führe daß der Mensch gar nicht sittlich handeln einer Handlung aus Einsicht in objektiv vorliegende
könne und deswegen nie den göttlichen Willen erfülle. Die Gründe« abges|tzt wird. So werden dann theologische
Gebote Gottes wurden dabei von einem Idealzustand her und sittliche Rechtfertigung scharf voneinander getrennt;
interpretiert ohne jede Rucksicht auf die Fähigkeit der dag eine Mal ht es um ^ sitfcüch tß Han§em das
Menschen sie auch zu erfüllen. andere Mal um die sittlich richtige Handlungsweise. Auf
Die Behauptung der fundamentalen sittlichen Falsch- diege Weige werden aber theol is8che Erkenntnis und sitt-
heit von Kompromissen sieht der Vf. ineins mit der Ab- liche Urteiisbildung voneinandlr geschieden, und die Bot-
lehnung des Axioms Sollen setzt Können voraus . Des- schaft der Rechtferigung stehfc s|tsam isoli'ert neben der
wegen bemuht er sich im umfangreichsten Kapitel seiner F welche |orde der Mensch erfüUen
Untersuchung, die Berechtigung dieses Axioms nachzu- gollefe Für Luther ^ aber de8an Ietzterer Frage die
weisen (und damit dann auch die Berechtigung, zwischen Rechtfertigungsproblematik aufgebrochen, und darum
richtigen und falschen Kompromissen ethisch zu unter- wird sich fva^lische Theologie kaum auf solche Tren-
scheiden) Für dieses Axiom haben Kant und Fichte, die einlassen können. Eher scheint hier die Unterschei-

meisten Vertreter der katholischen Moraltheologie, aber j„„„ ,__t7„ i ,+ 4.„„«i i T ni. . << r -,

, . . ,. , rm. i j.- L i dung von „Vorletztem und „Letztem weiterführend zu

auch einige evangelische Theologen argumentiert und seinf auf die Trillhaas im Anschluß an Bonhoeffer in die-

dementsprechend Pflichtenkollisionen im eigentlichen gem Zusammenhang hinweist, und die Kritik an Thielickes

Sinne, die notwendig zum Schuldigwerden fuhren, abge- fYv.„_i„,___„„„ i •• ö, , ' , A n , •

iv. 2. ttt iv %>a- Vi. i ii- ■ r- - l- v Überlegungen konnte davon ausgehen, daß bei ihm vom

lehnt. Wenn solche Pflichtenkollisionen für möglich ge- v__ -o i • v „ t-a * «v. ja ji •

, , • j • -j i ci ii i ± i Kompromiß sogleich vom „Letzten her geredet und kein

halten werden, wird ein ideales Sollen vorausgesetzt, das t>„-.,»5 er ,i„„ j i *. + «< «■ i. n. • j

, ■ u. n « ii «« -o j • j t j- Raum für das „Vorletzte offengehalten wird, wo em

als ein „aktuelles Sollen mißverstanden wird. In diesem vr^™™„™:o „ „v, i___-17 v. v„ir 1, , '_. c.-

htti Jl- j • • v.j. j _ -to j ji j i7 vi Kompromiß auch ohne Vorbehalte gut und vernunftig

Mißverständnis sieht der Vf. den grundlegenden Fehler o.enamit werden kann

Thielickes bei seiner Behauptung der fundamentalen sitt- 0

liehen Falschheit eines Kompromisses. Die FraSe nach Bewertung und Grenzen des Kompro-

Der Sicht Thielickes setzt der Vf. die Ansicht entgegen, mifes als em theologisch-ethisches Problem (im Titel der

daß selbst bei Anerkennung der Rechtfert igungslehre nicht frhet is,fc beid,es ^ohl bewußt voneinander getrennt) wird

alle sittlichen Handlungen im einzelnen als sittlich schlecht <™ theologische Diskussion weiter beschäftigen müssen,

deklariert werden müssen. Auch der Kompromiß könne denn mi*> ,Recht weist der vf- darauf hin, wie ungeprüft

eine sittliche Handlung sein, die unter besonderen Um- noch weithin Werturteile wie etwa „kompromißlos" oder

ständen gefordert sei, wobei es um die rechte „Vorzugs- „kompromißlerisch verbreitet sind und eine Klärung

wähl" angesichts von Handlungsalternativen gehe. Pflich- dessen notig machen, was der Kompromiß für das Ethos

tenkoUisionen im eigentlichen Sinne und grundsätzlich des einzelnen und für die Sozialethik bedeutet,
sittlich anfechtbare Kompromisse können damit ausge- Leipzig Joachim wiebering