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Ausgabe:

1978

Spalte:

279-280

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Klockars, Birgit

Titel/Untertitel:

Birgitta och hennes värld 1978

Rezensent:

Haufe, Christoph Michael

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TheologischeLitcraturzeituiig 103. Jahrgang 197« Nr. 4

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einer Art * Iberkaiser gegenüber dein weit liehen Herrscher,
machte, so oder so auch akzeptieren mußten. Diestral ja
bei der Unterstützung Ottos IV. in leinet Kandidatur
durch Innozenz III. in der Dekretale ,,Venerabilem" von
1202 deut lieh in Erscheinung.

Gewiß bleiben des öfteren weiße Flecken. Es ist kein
geringes Verdienst von Cheneys Euch, dien Klecken zu
verdeutlichen, wo es sie nicht selbst beseitigen kann. Das
gilt etwa auch für die zahlreichen Nahtstellen zwischen
geistlichem und weltlichem Recht, die Ch. mit Hinweisen
auf die Rückgriffe der Kirchenrechtler bis zur Npätantike
(Digesten) aufdeckt; natürlich zeigt er auch, daß Innozenz
' Juristen auf der Grundlage des Decretum Gratiaiii
imstande waren, die feudalrechtlichen Entwicklungen
selbst in ihrem Sinne zu beeinflussen und zu interpretieren.

Das solide und bedeutsame Werk (das auch mit einem,
etwas zu knappen, Index und dem nötigen bibliographischen
Apparat verseilen ist) dürfte weiteren Forschungen
über Innozenz und sein Zeitalter von erheblichem Nutzen
sein.

HaUe(SaaIe) Hans-Joaoblni Diener

' VgL etwa: K. QQtaohow, Innozenz. III. und Kngland, Münelien l!X)t;
CK. Cheney, From Hecket to Langton. Hnglisli ehuieh ßovemment 1170-121 :i,
Manchester 1950; lt. llrentano, Two churches: England and Italy in the thir-
teenth Century, l'rineeton 1968: C. R.Cheney, Kngland and tlie Roman Curia
under Innoeent III (Journal of Eeclesiästical History, 18'1987, 173-180).

Klockar», Birgit: Birgitta och henncs värld. Stockholm: Almqvist
& Wikseil 1971. 202 S. gr. 8° = Kungl. Vitterhets Historie och
Antikvitets Akaderaiens Hnndlingar. Historiska Serien, 16.
Schw. Kr. 35,-—.

Vfn. knüpft mit dieser Arbeit an frühere. Veröffentlichungen
an, in denen sie den Einfluß der literarischen
Quellen, aus denen Birgitta schöpfte, untersuchte. Nunmehr
geht sie einen Schritt weiter und sucht Birgitta in
größerem ideengeschichtlichen Zusammenhang zu sehen.
Den Akzent legt sie dabei auf das Weltbild, wie es einer
mittleren Bildungsschicht, der sie Birgitta zurechnet,
eigen war, geformt von gemeinsamer Tradition und den
Standardwerken der mittelalterlichen Literatur.

Entsprechend der Bedeutung, die Gottes Platz im allgemeinen
Weltbild dieser Zeit einnahm, setzt Vfn. mit diesem
Thema ein, aber unter bewußtem Verzicht auf eine
Darstellung der dogmatischen Systeme. Im weiteren Verlauf
ihrer Arbeit beschreibt sie auch die konkreten Beziehungen
Birgittas mit deren Umwelt. Damit sucht sie einen
allgemeinen Überblick zu geben sowie Impulse zu weiterer
Forschung.

Als Quellen dienen ihr Birgittas eigene Schriften und
verschiedene Werke in nordischer Volkssprache, besonders
die Altschwedische Pentateuchparaphrase und das Altschwedische
Legendenbuch, die beide Birgittas Vorstellungswelt
prägen halfen. Methodisch arbeitet Vfn. mit
reichlicher Verwendung von Zitaten, z.T. auf Altschwedisch
, um die Quellen durch sich selbst sprechen zu lassen;
die meisten dieser Zitate sind zugleich in modernem
Schwedisch geboten. Der interessierte Philologe findet
einen kritischen Anhang zur Altschwedischen Pentateuchparaphrase
. Verzeichnisse von Quellen sowie älterer und
neuerer Literatur vervollständigen das Buch, desgleichen
ein Summarium in englischer Sprache.

Der Vergleich der o. g. altschwedischen Literatur mit
Birgittas Schriften, besonders ihren revelationes, wird
sehr reizvoll demonstriert an der Sicht von Schöpfer und
Schöpfung, dem Verhältnis von Gottes unveränderlichem
Wesen zur vergänglichen Schöpfung. Der von Birgitta zur
Übersetzung des lateinischen stabilitas gebrauchte Begriff
stadhughir (rev. TV. 107), der sieh seinerseits schwer in
modernes Schwedisch übersetzen läßt (Vfn. kommt über
Stadighet, fasthet zu beständighet) wird gefüllt durch eine

Beschreibung aus »Ii i Altschwedwohen Pentateuehpan-
phrase zu Ex 3,14 (S.1411'.). Oder die Sonderstellung des
Menschen in der hierarchischen Ordnung der Schöpfung
auf der Grenze zwischen Geist und Materie, wie Birgitta
sie besehreibt, findet ihre Entsprechung in Äußerungen
der Pentateuchparaphrase zum Verhältnis von Seele zu
Körper (S.18f.).

Der Vergleich wird von In. unter den Themen: Gute
and gefallene Engel; Himmel und Himmelskörper; die
Erde und die vier Elemente; Hölle, Paradies und Himmel;
Mensch und Tier; Land und Volk weiter angestellt und
z.T. in die theologische Tradition bis auf Augustin und
.Ambrosius zurüokverfolgt. Birgitta erscheint dabei ganz,
in mittelalterliches Denken eingebunden. Ihr besonderes
Merkmal ist es, alles, was ihr Interesse erregt, seien es Beobachtungen
der Natur (S.63ff.), des Kosmos (S.49), der
Medizin (S.58f.) oder des menschlichen Zusammenlebens
(S. (i:{ f.) in eine geistliche Beziehung zu setzen. Himmel ist
Ausdruck für einen geistlichen Zustand, die Natur ist
Widerschein der geisl liehen Welt (S.56), die Reiseratschläge
Christi, die er der Pilgerin erteilt, und die Birgittas
eigene Reiseerfahrungen widerspiegeln, bekommen allegorische
Bedeutung (S.64). Die hierarchische Ordnung der
menschlichen Gesellschaft, wie sie in den altschwedischen
Quellen beschrieben ist (S.80ff.), wird übernommen, aber
in der Deutung einer Dienstordnung. Am reinsten wird
Birgittas Ideal dabei deutlich bei der Beschreibung des
christlichen Ritterstandes, der die Wahrheit stärken und
den Glauben ausbreiten soll. - Die Skaverei wird als Institution
nicht angegriffen, aber den Herren die Fürsorge
für die ihnen anvertrauten Sklaven anbefohlen (S. 86).

Ähnlich verhaftet den allgemeinen Anschauungen ihrer
Zeit zeigt sich Birgitta in den mehr praktischen Lebensgebieten
, die Vfn. in den letzten Kapiteln berührt. Das
I 'apsttum gilt ihr als göttliche Einrichtung. Die kritischen
Gedanken eines Marsilius von Padua oder Wiclif haben sie
nicht erreicht. Birgitta verteidigt die Institution, unterwirft
aber die Päpste scharfer Kritik (S.llOff.). An Anschauung
dafür fehlte es auch nicht zu ihrer Zeit, etwa
wenn man die römischen Verhältnisse oder die geistliche
und weltliche Amtsführung der Familie Visconti in Mailand
um 1350 betrachtet (S. 147).

Vfn. ist für das Buch zu danken. Es gelingt ihr, zu zeigen
, wie Birgitta ihrer Umwelt verhaftet war und sie doch
geistlich verarbeitete. Das Buch gewinnt damit nicht nur
in der Hand des Historikers seinen Wert.

Pönitz bei Leipzig Christoph Michael Haufe

Leon le Grand: Sermons. III: Traduction et notes de Dom R. Dolle
2. ed. Paris: Edition du Cerf 1976. 332 S. 8° = Sources chre-
tiennes, ed. par C. Mondesert (S. J.), 74 bis. ffr. 170.—.

Die Predigten des Papstes Leo I. waren in der Reihe
Sources chretiennes in vier Bänden erschienen (ThLZ 99,
1974 Sp.269f.). Der lateinische Text war der Ausgabe von
Migne (PL 54) gefolgt. Inzwischen erschien in der Reihe
„Corpus Christianorum" eine kritische Neuedition jener
Predigten (Bd. 87 und 87A, Brepols, Turnhaut, 1973). Es
spricht für den Mut der Herausgeber der Reihe Sources
chretiennes, daß sie ihre gerade erst abgeschlossene Reihe
auf den neu erarbeiteten kritischen Text umstellen. Den
Anfang macht Bd. 3 mit 27 Predigten, von denen 21 der
Passionszeit angehören. Der kritische Text im Corpus
Christianorum hält sich offenbar an die alte Zählweise der
Predigten bei Migne; die neue Zählweise in den sources
chretiennes dürfte sich damit also nicht durchgesetzt haben
. Sie wird aber im vorliegenden Band beibehalten,
doch stehen die Ziffern der alten (und neusten) Zählweise
immer daneben, so daß hier keine Probleme entstehen
sollten. Der Fortschritt der neuen Edition liegt darin, daß
einige Lesarten verbessert werden kennten. Die französi-