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Ausgabe:

1978

Spalte:

223-225

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Gottesdienst mit Kranken 1978

Rezensent:

Turre, Reinhold

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223

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 3

224

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Adam, Ingrid, Adam, Martin, und Bernhard von Issendorff
[Hrsg.]: Gottesdienst mit Kranken. Predigten, Texte, Gebete
, Modelle. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd
Mohn [1976]. 159 S. 8°. Kart. DM 16,80.

Die Veröffentlichung mit Beiträgen von überwiegend
hessischen Autoren reiht sich ein in die verschiedenen
Werkbücher, die mit Predigten, Texten, Gebeten und Modellen
Anregungen geben wollen für die Praxis des Verkündigungsdienstes
. Wie in anderen Werkbüchern beruht
die eingegrenzte Konkretion der Texte auf dem speziellen
Adressatenkreis. Das Buch will eine Lücke schließen: Für
die Verkündigung an stationär behandelten Patienten ist
diese Sammlung von Material und Anregungen gedacht.

In der homiletischen Grundlegung des Mitherausgebers
Bernhard von Issendorff wird auf die vergleichsweise günstige
gemeinsame Voraussetzung aller Hörer auf der Krankenstation
verwiesen. Ob dabei nicht die gemeinsame Situation
gegenüber der Unterschiedenheit der Personen
überwertet wird, ist eine erste kritische Frage, die sich anmeldet
.

Die Beobachtung, daß die Prediger im Krankenhaus
möglichst neutral vom Krankenhaus als „dem Haus" sprechen
, ist an den aufgeführten Predigtbeispielen mehrfach
belegt. Problematisch ist tatsächlich, daß die leichten und
schweren Indikationen in gleicher Weise allgemein unter
„Krankheit" und „Leiden" zusammengefaßt werden (15).
Nur wie auf Stationen mit unterschiedlichen Patienten
und Krankheitsbildern differenziert geredet werden kann,
wird nicht aufgezeigt. Dem Problem wird wohl auch kaum
mit der Fortbildung der Krankenhauspfarrer beizukommen
sein. Denn die allgemeine Rede gründet weniger in
mangelnder medizinischer Einsicht, als vielmehr in der
Schwierigkeit, Menschen mit unterschiedlicher Krankheit
die gleiche gute Nachricht konkret zuzusprechen.

Bemerkenswert ist das Postulat: „Krankenhaus und
Kranksein dürfen nicht zur negativen Folie für das Wort
Gottes werden" (15). Man vermißt aber einen Hinweis, wie
das Wort Gottes zur Verarbeitung von Leid und zum Ertragen
von Schmerzen hilft.

Als Lücke wird vermerkt, daß die Beziehung der Patienten
untereinander in der Verkündigung gar nicht in Blick
kommt (16). Dagegen wird das Pflegepersonal häufig, wenn
auch durchgängig unkritisch erwähnt (16 f.). Etwas optimistisch
schließt von Issendorff: „Noch hat die Krankenhauspredigt
ihre Chancen vor sich" (17).

Martin Adam betont den Öffentlichkeitscharakter des
Krankenhausgottesdienstes (18). Ist dieser aber wirklich
durch die Person des Verkündigers garantiert? Sollte dabei
nicht sehr viel stärker der über die sonntäglich versammelte
Ortsgemeinde weit hinausgehende Personenkreis
beachtet werden?

M. Adam weist mit Recht auf die besondere Verantwortung
hin, die der Verkündiger im Krankenhaus hat.
Kranksein bildet „einen Knotenpunkt in der persönlichen
Lebensgeschichte des Menschen, der eine besondere Hör-
und Kritikfähigkeit entstehen läßt" (18). Daraus wird ein
Katalog von Fähigkeiten für den Prediger abgeleitet, bei
dem man sich fragt, wie ein Mensch dem gerecht werden
kann: Sensibilität, psychische Belastbarkeit, emotionale
Stabilität, Kenntnisse in den Humanwissenschaften.

Als Ziel wird angegeben: „Die Verkündigung will Gott
zum Kranken bringen" (19).

Im Unterschied zu von Issendorff stellt M. Adam heraus,
wie Kranksein und Krankenhaus durchaus verschieden erfahren
werden je nach der Einstellung zum Leben und der
mitgebrachten Erfahrung. „Kranksein ist nur als personbezogenes
Erleben aussprechbar, nicht als mythisch unpersönliches
Geschehen" (20).

Die Verkündigung im Krankenhaus wird als Kausal-
Verkündigung verstanden: Der verbindende Kasus für alle

Hörer ist bestimmt von Kranksein, Angebundensein, psychischer
Belastung. Was sonst nur in Einzelaspekten erlebt
wird, häuft sich im Krankenhaus. Das führt zur Besonderheit
des Kasus „Verkündigung im Krankenhaus" (21).

Die Notwendigkeit ständigen Kontaktes mit den Patienten
wird unterstrichen. Nur so kann das Vertrauen entstehen
, durch das die Verkündigung Gewicht bekommt.
Der Pfarrer hat damit zu rechnen, daß er als Repräsentant
der Institution Kirche genau beobachtet wird (22).

M. Adam beschreibt als zwei verschiedene Arten, durch
die Gott vergegenwärtigt wird: „Gott kann im Vollzug
und unbenannt erkennbar werden, oder er kann benannt
und gedeutet werden" (23). Die Neigung des Vfs.
liegt beim ersteren.

Zu souverän wird behauptet: „Die gottesdienstliche Verkündigung
ist der Ort, wo Gott festgemacht wird an bestimmten
Ereignissen" (23).

Für Gottesdienste sind folgende Materialien bereitgestellt
: Begrüßungen, Eingangsvoten, Psalmen, Bekenntnisse
, Gebete, Texte zum Abendmahl, Segensformeln.

Die Begrüßungen unterscheiden sich von den Eingangsvoten
dadurch, daß die Begrüßungen den Hörer stärker in
seiner Situation abholen wollen. Sie nehmen ausdrücklich
Bezug auf das Leben im Krankenhaus. Ihnen ist ein Zug
zu unkomplizierter Direktheit eigen („Ich wünsche Ihnen
einen guten Morgen", „Seien Sie herzlich gegrüßt") (27).

Die Eingangsvoten bemühen sich um eine geprägte und
prägende liturgische Sprache. Sie kündigen die zentralen
Anliegen des jeweiligen Gottesdienstes an. Es ist zu fragen,
ob sie nicht in ihren komprimierten Aussagen eine Überforderung
der Hörer am Beginn darstellen.

Die Psalmentransformationen mit und ohne Textbezug
enthalten das Moment des Vertrauens wie der Klage (28 f.).

Die Gebete konzentrieren sich auf die Situation des
Kranken. Wo sie sich darüber hinaus öffnen, bringen sie
das Leid in der Welt vor Gott. Sie sind Ausdruck des Vertrauens
und der Hoffnung, zu der die voraufgegangene
Verkündigung eingeladen hatte.

Die Einleitungsworte zum Abendmahl wollen den Patienten
Mut machen, auch in der ungewohnten Situation des
Krankenhauses teilzunehmen (36).

Die Segensformeln bleiben sehr traditionell. Das Element
der Sendung fehlt, offenbar weil die Adressaten ja
auf Station bleiben (37).

Dankbar seien die Beispiele der Taufe eines Menschen in
Lebensgefahr (38) und des Abendmahls im Zweibettzimmer
(41) erwähnt. Die Unzulänglichkeit der agendarischen
Form wird in solchen im Krankenhaus nicht seltenen
Extremsituationen besonders deutlich. Um so mutiger
erscheint es, das, was häufig unsicher im verborgenen getan
wird, hier einmal offengelegt wird.

Von den 16 aufgenommenen Predigten haben 6 einen Bezug
zum Kirchenjahr. Die Weihnachtsbotschaft wird von
H.-Ch. Piper reduziert auf die ärmlichen Umstände der
Geburt Jesus (43 f.).

Man liest: „Dort war Hoffnung und Heil, Geborgenheit;
ein Stück Erfüllung" (44) und ist enttäuscht, wie dies im
Erfahrungsfeld des Patienten übersetzt wird: Die Blume
im Reagenzglas, der sich still ans Bett setzende Arzt, die
den Arm des Patienten streichelnde Schwester (45). Ist das
schon das Heil, das in Jesus Christus erschienen ist?

Daneben steht eine eindrückliche Weihnachtspredigt von
B. Boueke.

Einer ihrer Spitzensätze: „Unsere Welt braucht Menschen
, die sich im Leben, im Kranksein und im Sterben
von Gottes Liebe umfangen wissen" (46). Hier wird Gottes
Liebe bezeugt und nicht durch die Liebe der Menschen ersetzt
. Gottes Liebe ermöglicht Liebe. „So zu lieben und zu
verstehen vermag wohl nur der, der sich selbst mit all seinen
Schwächen und Stärken ganz sicher und zuversichtlich
geliebt weiß" (47 f.).

So unterschiedlich wie die beiden Beispiele sind die aufgenommenen
Predigten.