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Ausgabe:

1978

Spalte:

220-222

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Wörterbuch christlicher Ethik 1978

Rezensent:

Wiebering, Joachim

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219 Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 3

Information. Dies entspricht in der äußeren Form übrigens
alles Noldin, den als verwandte Vorläuferin der vorgelegten
Moraltheologie heranzuziehen, sich empfiehlt. In den
Proportionen der Teile und Unterteile finden sich dagegen
erhebliche Abweichungen, wie überhaupt Kürzungen und
z. T. Erweiterungen der neuen Situation und der dadurch
gebotenen Erneuerung der Disziplin dienen.

Die allgemeine Moraltheologie kommt mit 150 Seiten
aus. Viel weniger ausführlich als Noldin entwickelt Kol
die einzelnen Traktate, obschon keine neue Abfolge, nur
einige Zusammenlegungen stattfinden. Tractatus primus
(Tr. 1) „De actibus humanis" (S. 15—60) bezieht sich auf
eine Materie, die bei Noldin über 100 S. benötigte. Tr. 2: De
legibus (S. 61—81) schrumpft auf ein Fünftel. Die schulmäßigen
Differenzierungen werden nicht entfaltet. Eine
große Vereinfachung herrscht vor. Nur die wichtigsten
Begriffe lex moralis, lex aeterna, lex naturalis, lex super-
naturalis, lex vetus, lex nova, lex civilis, lex ecclesiastica
werden definiert. Die übliche Verbindung von Natur und
Gnade findet im neuen Begriff der lex fundamentalis eine
lehrmäßige Vollendung, die Noldin noch nicht kennt. Die
lex moralis als lex naturalis-supernaturalis seu fundamentalis
(S. 810) hat eine universale Gültigkeit: subiectum legis
fundamentalis sunt omnes homines (S. 72; vgl. S. 65). Allerdings
bringt Noldin die universale Gültigkeit der lex nova
(denn um etwas anderes geht es letztlich bei lex fundamentalis
auch nicht) so heraus: Lex evangelica obligat omnes
hominis omnium temporum et locorum (1,120). Kol läßt
mit dem Begriff der lex fundamentalis die lex naturalis,
weil Christus sie erneuert und befestigt hat (wie schon
Noldin 119 sagt), von der lex nova gleichsam überformt
gelten. Im Tr. 3: „De cognitione moralitatis" (anstelle De
conscientia) ist der Problematik, die mit dem Gewissensbegriff
im Titel aufbricht, geschickt begegnet. Im 2. Kapitel
behandelt Kol unter der etwas zu schematischen Aufteilung
von De conscientia stricte dicta und late dicta die
wichtigsten Unterscheidungen in dieser Sache. Im 3. Kap.
folgt die Lehrerörterung über die Wahrscheinlichkeit der
richtigen Erkenntnis. Der Traktat ist ein Musterbeispiel
für Konzentration auf den derzeitigen Begriffsgebrauch
und die allgemein akzeptierte Theorie des Probabilismus,
im übrigen zeigt er die systematische Stringenz der Gesamtkonzeption
des Autors. Im 4. Tr. „De virtutibus"
(S. 115—134), den Tugenden, die im 2. Hauptteil in typischer
Voranstellung der theologischen Tugenden (während
für Noldin zuerst die Kardinaltugenden stehen) erörtert
werden, ist wieder deutlich auf die Christologie hin orientiert
. 5. Tr. „De peccatis" ist an den geläufigen Unterscheidungen
festgehalten, aber gegenüber Noldin doch um zwei
Drittel gekürzt.

Die spezielle Moraltheologie bietet nicht mehr so programmatisch
, wie es früher fast eingefahren war, die Gebote
Gottes und der Kirche (vgl. Noldin II), sondern sucht
„Über die Tugenden" (S. 165—795) alles einzuordnen, was
die Gemeinschaft mit Gott, mit dem Nächsten und mit allen
gesellschaftlichen Lebensvorgängen betrifft. So verbindet
K. die theologischen Tugenden (fides, spes, Caritas)
und das, was sich aus ihnen für die vita theologali fordernd
ergibt, besonders aus der Caritas (S. 207—53), (sonst
ist vom Wesen und von den Verstößen contra fidem, spem
etc. die Rede) mit den Geboten der Kirche für die vita
cultuali (religiöse Pflichten sind in bezug auf die 1. Tafel
des Dekalog behandelt) und den sittlichen Tugenden und
ihren Entfaltungen in der vita morali. Dieser verbindende
Zug in K.s spezieller Moraltheologie ermöglicht es, die
Sündenlehre aufzuteilen und „De peccatis contra fidem; De
peccatis contra spem; De peccatis contra caritatem erga
Deum; De peccatis contra caritatem erga proximos; De
peccatis contra religionem; De peccatis contra castitatem
matrimonialem" abschnittsweise der jeweiligen Sachentwicklung
folgen zu lassen. Freilich ist das ein neuer Entwurf
, aber das kasuistische System wird methodisch beibehalten
und fördert eine probabilistische Meinungsbil-

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dung, selbst wenn K. sich auf systematische Zuordnung der
Sachverhalte zu den Begriffen und auf Beschreibung der
anzustrebenden und zu verurteilenden Meinungen beschränkt
.

Ganz eindeutig ist die Verurteilung des „Aggressor iniu-
stus" (799 ff.) und der biologisch-chemischen Bewaffnung,
allerdings nach internationalem Recht, begründet. So viel
Literatur auch genannt wird zur Frage gegen Atombewaffnung
, so scharf ihre Anwendung verdammt wird, eine gewisse
Diskussionsöffnung im Sinne eines „Ob man vielleicht
dies und das als erlaubt bezeichnen kann", bleibt.
Johannes XXIII. verwarf eindeutiger den Krieg „als geeignetes
Mittel zur Wiederherstellung verletzter Rechte".
Man sieht jedenfalls, in welche Schwierigkeiten eine
Moraltheologie, die so global wie K. arbeitet, bei den
eigentlich konkreten Lebensfragen, z. B. auch zur Ehe, zur
Gesundheit, zur politischen Ordnung, gerät.

Leichter und traditionssicherer kommt die Theologia
moralis specialis de sacramentis zurecht, in acht Tractaten
(Sakrament allgemein; Taufe; Confirmatio; Eucharistie;
Bußsakrament; Sterbesakrament — umbenannt in unctio
infirmorum, um die Krankensituation neutraler zu würdigen
; Priesterweihe; Ehesakrament) erfaßt K. die Lebenszusammenhänge
moraltheologisch vom sakramentalen Ansatz
und allen dazu möglichen Verfehlungen her. Im einzelnen
auf dies uns weithin fremd anmutende Material
einzugehen, darf unterbleiben. (B. Häring hat es nicht, und
die modernere Begrifflichkeit bei K. verdeckt kaum die zu
Noldin führende Tendenz.) Es schließt das Register des
II. Bandes überraschende Verbindungen zu Materien auf,
die im I. Band verhandelt werden. Immerhin haben beide
Bände etwa 1475 Seiten Text, davon ca. ein Viertel zu
Sexualität und Ehe, nämlich über Keuschheit in I S. 373 ff.
(= 116 Seiten) und über die Ehe und alle dazugehörigen
Fragen in II S. 435—681 (= 247 Seiten). — Die Verrecht-
lichung des Moralischen unter sakramentalen Ordnungsvorstellungen
ist dem evangelischen Leser nicht nur beschwerlich
, sie muß prinzipiell angefragt werden. Aber
hier zeigt sich nicht nur eine andere Verstehensweise religiöser
Sachverhalte; es werden juristische, kultische, politische
, seelsorgerliche, moralische und noch viele andere
Uberlieferungen mit dem eigentlich theologischem Aspekt
in ethischen Bereichen vermischt. Und so besteht, trotz
aller sachlich erreichten Klarheit, theologische Fraglichkeit
.

Jena Horst Beintker

Stoeckle, Bernhard [Hrsg.]: Wörterbuch Christlicher Ethik.
Freiburg — Basel — Wien: Herder [1975]. 284 S. kl. 8° =
Herderbücherei, 533. DM 9,90.

Die Suche nach schneller Information läßt Verlage und
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allen Gebieten herausbringen, die das unübersehbar gewordene
Feld der Spezialliteratur aufarbeiten und Diskussionsstand
bzw. Ergebnisse in knapper Form vermitteln
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Preis und die lange Erscheinungsdauer der großen
Nachschlagewerke haben allerdings zur Folge, daß für
Studenten und theologische Laien das Bedürfnis nach Taschenlexika
entstanden ist, die auf denkbar knappstem
Raum über den jeweiligen Problemstand informieren sollen
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Taschenbuchreihe, hat bereits mehrere solcher Taschenlexika
herausgebracht, unter denen das „Kleine Konzilskompendium
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und legt jetzt ein „Wörterbuch Christlicher Ethik" vor.

Das Mitarbeiterverzeichnis weist durchweg katholische
Autoren auf, die zum größten Teil wie der Herausgeber