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Ausgabe:

1978

Spalte:

217-220

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Kol, Alphonso van

Titel/Untertitel:

Theologia moralis 1978

Rezensent:

Beintker, Horst

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 3

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den. Denn diese Theologie ist heute „verdrängt", während römisch-katholischen Kirche versucht der holländische

die Fragestellungen der „Aufklärung" die theologische Ar- Theologe van Kol S. J. zu erfassen und im Gefolge Liguoris

beit bestimmen (vgl. 7 f.). Dazu rechnet D. besonders „die auf neue Mode zu straffen und zu systematisieren. In ge-

Frage Kants" nach einer vernünftigen, nachprüfbaren und wisser Weise beansprucht der Autor in der neuen Situation

überzeugenden Rede von Gott und „die Frage der Franzö- nach Vaticanum Secundum ein so grundlegendes und lang-

sischen Revolution" nach den sozialen und politischen lebiges Werk vorzulegen, wie es sein Ordensvorgänger

Konsequenzen des Gottesglaubens (vgl. 8). Gemessen an Hieronymus NoldinS. J. tat, dessen dreibändige Summa

diesen Fragen stellt sich das Denken von Gottes Selbster- Theologiae Moralis (1899 ff.) bei dessen Lebensende 15 bzw.

Schließung her, wie es in verschiedener Weise für Barth, 16 Auflagen erlebte (1922!). Diesem und ähnlichen jesuiti-

Bultmann und Bonhoeffer charakteristisch ist, nach D. fol- sehen Handbüchern in Kontinuität verbunden zu bleiben,

gendermaßen dar: trotz Neuaufnahme aller Bestimmungen, die von Vatica-

Barth hat in der konzentrierten Auslegung des Seins num II her gelten, hat sich K. bemüht. Die lateinische
Jesu Christi die Frage Kants mit „souveräner Nichtach- Sprache sichert eine einheitliche Terminologie. So sind
tung" (44) behandelt, während er die politischen Konse- auch die klassischen moraltheologischen Begriffe unverän-
quenzen seiner Theologie reflektierte. Bei Bultmann ist es dert geblieben. Wie tiefgreifend einige Jahrzehnte aber
umgekehrt. Seine existentiale Auslegung des Kerygmas auch innerhalb der Theologie des Jesuitenordens Wandlun-
kreist um die Frage der Verstehbarkeit für den Menschen, gen und Unterschiede hervorgebracht haben, läßt sich bewährend
der Gesichtspunkt der politischen Verantwortung reits an den Definitionen der Begriffe wahrnehmen. Die
der Kirche zwar nicht ausfällt, aber zurücktritt (vgl. 70). neuere außertheologische Entwicklung und die moderne
Bei Bonhoeffer werden demgegenüber die Einseitigkeiten Problematik in sozialethischer und gesellschaftspolitischer
von Barths „Seinstheologie" und von Bultmanns „Akttheo- Umstrukturierung vieler Verhältnisse wirkt sich deutlich
logie" (88) ansatzweise überwunden, indem Gottes Tun im aus. Dennoch sind Alphonsus Maria de Liguorio und Tho-
Horizont der Gemeinde interpretiert wird. „Der personale mas von Aquln wie bei Noldin Kols theologische Haupt-
Glaubensbezug verwirklicht den Akt, die soziale Einf ü- autoritäten. Vaticanum II entsprechend tritt der Bezug auf
Sung (in die Gemeinde) aber die Kontinuität, das Sein" (91). Bibelstellen zwar etwas mehr in den Vordergrund. Tho-
Diese Grundsicht ermöglicht es Bonhoeffer später, beson- mas gibt Kol die Gesichtspunkte für die Änderungen in
ders in der „Ethik" und in den Gefängnisbriefen, das „Vor- der ganzen aber üblichen Gliederung, auf die wir gleich
letzte" ernst zu nehmen und sich den Fragen des Politi- zu sprechen kommen. Neben der Hl. Schrift kommt Tho-
schen und der Verstehbarkeit Gottes für den mündigen mas am häufigsten zu Wort bzw. ist auf ihn verwiesen.
Menschen zu stellen (vgl. 108 ff.). Den einzelnen Traktaten voran sind immer die vorgegebe-

Es ist die Stärke der „Einführung" Ds., daß diese plaka- nen Abschnitte der Summa Theologica angegeben, nicht

Uve und kritisch zu befragende Zuordnung von Barth, nur anmerkend wie bei Noldin, und auch sonst ist oft mit

Bultmann und Bonhoeffer die Einzeldarstellungen nicht Stellen aus dem Gesamtwerk des Aquinaten belegt. In der

streng beherrscht. Hier leuchtet vielmehr der weite Blick Fragestellung und Darstellung einzelner Sachfragen

einer auf die Sache konzentrierten Theologie auf, die von nimmt Kol jedoch auf die jüngste Entwicklung und auf die

P- lebendig und übersichtlich dargestellt wird. Es gelingt Notwendigkeit, die Methode und Systematik der katholi-

ihm, zu zeigen, daß Schlagworte wie „Neoorthodoxie", sehen Moraltheologie zu erneuern, Rücksicht. Auch mit

•.Christomonismus", „autoritärer Denkstil" etc. diese Theo- Verweisen auf einschlägige neue Literatur wird nicht ge-

l°gie in ihren verschiedenen Ausprägungen unverstanden spart.

bleiben lassen. Nicht hinreichend deutlich wird dagegen, Das zweibändige Werk hat drei Hauptteile: Theologia

inwiefern die „Dialektische Theologie" uns heute kritisches moralis generalis; Theologia moralis specialis de virtuti-

Fragen lehrt und ihrerseits theologisch aufklärt über jene bus; Theologia moralis specialis de sacramentis. Vor den

Fragen der Aufklärung. Dadurch werden Barth, Bultmann beiden ersten Hauptteilen, für die Band I reicht, steht eine

und Bonhoeffer (deren Leistung mit dem Sammelwort kurze, aber aufschlußreiche Introductio: In universam

»Dialektische Theologie" übrigens kaum bezeichnet wer- theologiam moralem (S. 1—10). Sie äußert sich, knapper als

den kann) zu ehrwürdigen, respektablen Stimmen der Ver- in anderen Handbüchern, über Namen, Wesen, Quellen

gangenheit (vgl. 107). Ob das jedoch dem „jungen Theolo- und Prinzipien der Disziplin. Der christologische Akzent,

giestudenten" Mut machen kann, sich heute von dieser der dem ganzen Werk gegeben wird, ist als „Aspectus chri-

Theologie herausfordern zu lassen, ist die Frage. stologicus" in einem Sonderabschnitt bedacht (S. 4. mit

reichlicherer Literatur als die Abschnitte sonst haben).

Berlln w°lf Krötke Die beiden speziellen Teile, die nach dem Inhaltsverzeichnis
— anders als nach der Übersicht der Introductio
S. 9 — doch als Theologia moralis specialis zusammengeordnet
sind, werden extra eingeleitet (ebenfalls mit besonderem
Literaturzusatz). Erst dann folgt mit neuem Titel-

ETH I K blatt der zweite Hauptteil. Die kurze Einleitung zu den

beiden Teilen der speziellen Moraltheologie erklärt, daß

K«l. Alphonso van, S. J.: Theologia Moralis, I u. II. Bar- mit dem Aufgeben besonderer Teile über die Zehn Gebote

cinone — Friburgi/Br. — Romae — Neo-Eboraci: Herder und die praeeepta ecclesiastica Doppelungen vermieden

1968. XV, 823 S. u. XIII, 715 S. gr. 8°. ptas. 1200.— u. werden. Die ganze Materie der Gebote ist allerdings nicht

1350.—. eingearbeitet. Der dritte Hauptteil, mit dem im Vergleich

zu Härings dreibändigem Werk (Das Gesetz Christi. Moral-
Die katholische Moraltheologie ist keinesfalls so einheit- theologie, 3. Aufl. 1967) in deutlicher Betonung der Sakra-
uch ausgeprägt, wie es außenstehende Beobachter vermu- mente Noldins Werk Pate zu stehen scheint, ist länger einten
. Die uns iejcnter zugänglichen Grundrisse und Hand- geleitet mit zwei Seiten Literatur ab 1940. Auch hier wird
bücher von O. Schilling, J. Mausbach-Ermecke, F. Tillmann in Ziffer 2 der christologische Aspekt einer Moraltheologie
(Hrsg.) oder B. Häring haben untereinander bei Verbin- nach den Sakramenten betont.

dung zu reformatorischen Anliegen im deutschen Katholi- Jeder Band ist in sich in der Abfolge der fett gedruckten

zisrnus schon starke Varianten. Davon ist jedoch das vor- Begriffe bzw. deren Nota durchgezählt (Bd. I hat 928, Bd. II

uegende Werk im ganzen Zuschnitt nicht nur durch die 898 numeri marginales), so daß die ausführlichen Sachre-

ateinische Sprachform, welche den Weltkatholizismus re- gister, die danach belegen, schnell weiterhelfen. Da die

Präsentiert, unterschieden. Die gesamte Fülle der moral- Sachbegriffe mit Stichsätzen (z. T. über einige Spalten hin)

beologischen Bestimmungen und Lehrmeinungen in der versehen sind, bieten die Register eine unmittelbare Sach-