Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1978

Spalte:

215-216

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Albus, Michael

Titel/Untertitel:

Die Wahrheit ist Liebe 1978

Rezensent:

Browarzik, Ulrich

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

215

erörtert wird, zu überwinden, dürfen vielleicht als ein verheißungsvoller
„Ertrag" angesehen werden. Trotz der Einheit
in gewissen dogmatischen Grundlagen, bewegt sich
auch die neuere katholische Theologie auf diesem Gebiet
in der Gestalt einer weitgreifenden Diskussion. Eine entsprechende
Darstellung evangelischer Theologie fehlt. Daß
allein Martin Werner mit seinem radikalen Zwinglianismus
das Wort erteilt wird, ist nicht zu verstehen. Oder
doch? Im übrigen beschränkt sich der Vf. auf die Diskussion
um die Arnoldshainer Thesen. Der kurze Abschnitt
über den evangelisch-katholischen Dialog kommt über einige
Andeutungen nicht hinaus und zeigt eindeutig, daß
für das Verständnis des Abendmahles in der Gegenwart
eine besondere Untersuchung notwendig ist.

Heidelberg Peter Brunner

Albus, Michael: Die Wahrheit ist Liebe. Zur Unterscheidung
des Christlichen nach Hans Urs von Balthasar.
Freiburg — Basel — Wien: Herder [1976]. 197 S. 8°. Kart.
DM 26,—.

Albus versucht in dieser überarbeiteten Dissertation
(Freiburg 1974) eine Einführung in das theologische Denken
H. U. v. Balthasars — mit der Pointe, das unterscheidend
Christliche klarzustellen. Angesichts des allgemeinen
Zustandes der Theologie (von ihrem konfessionellen Hader
ganz abgesehen) und in Anbetracht des heillosen Wirrwarrs
auf dem Markt der Weltanschauungen ist das ein
kühnes Unternehmen. Es wird nicht erleichtert durch die
„geistliche und stille Tiefe" (17), in die der Leser von Balthasars
Werk rasch versinkt. Dieser Theologe steht „im
Abseits" theologischer Konfrontationen, nicht nur weil er
schwer einzuordnen ist — vor allem, weil sein kontemplatives
Zurücktasten von „den Sandbänken des Rationalismus
... zum steilen Fels des Mysteriums" (35) methodisch
kaum nachvollziehbar ist.

Ausgangspunkt ist das Humanum (36—82) mit seinen
Widersprüchen, wie Balthasar es in seiner Pascal-Studie
(cf. S. 43, Anm. 22) exemplarisch zeigt. „Nichts ist hier eindeutig
, alles teils wahr, teils falsch" und der Nenner:
„Elend und Größe". Albus zeigt, fast wider Willen, wie sich
Balthasars eigenwillige Konstruktionen in „Apokalypse
der deutschen Seele" dem kritischen Nachvollzug entziehen
. Definitionen (z. B. „Eschatologie", S. 59) lassen zu viele
Hintertüren offen und eine systematische Rekonstruktion
verfängt sich schnell in dem feinmaschigen Netz von Balthasars
üppiger Gedankenwelt.

Immerhin zwei „Heilsentwürfe" lassen sich angeben, die
der Mensch auf dem Wege zu seiner ewigen Bestimmung
versucht. „In einer Aufschwungbewegung des Herzens"
läßt er die „widerspruchsschwangere irdische Existenz
unter sich" und geht „den Weg des Scheins". (73) Nach
Balthasar sind Buddhismus und Hinduismus neben den
Griechen diesen Weg am konsequentesten gegangen.

Der andere Weg heißt: „Agon" (76 f.). Das tapfere Bestehen
unausrottbaren Schmerzes stilisieren allen voran die
griechische Tragödie und das germanische Heroenepos zu
einem Bild ebenso tapferen wie aussichtslosen Kampfes.
An dieser Stelle, wo sich der Weg des Humanum doppelt
auswegslos zeigt, erfolgt der „in keiner Weise vermeidbare
Sprung" ins Christianum (82). Es ist die Initiative Gottes,
die sich hier meldet, der „Sprung Gottes" in die Geschichte
der Menschen. Dieser Dritte Weg ist beherrscht von einem
konkreten Ereignis, das „jenseits aller Erwartung und Vor-
stellbarkeit" in der Auferstehung Jesu von den Toten gipfelt
. „Von diesem Zentrum geht alle Wahrheit des Christentums
und aller Anspruch aus" (88). Es gibt „hermeneu-
tische Schlüsselerfahrungen" im Humanum (91 f.) wie das
große Kunstwerk, die echte Liebe, der Tod, in denen der
Mensch „in das verzehrende Feuer des Unbedingten" gerät
. Doch das bleibt Verweis, Ahnung, Möglichkeit. Die
Offenbarung findet in Jesus Christus statt (93).

216

Das Schlüsselwort aber dieses Neuen ist „Liebe": In dem
Ereignis Jesus Christus erblickt der Gläubige die „Liebe
Gottes zu Welt und Mensch" (98). Alles wäre verraten,
wenn es hier „Beweise" gäbe. Erst die Kontemplation läßt
erkennen, was der Argumentation versagt bleibt. Aber alles
wäre auch verraten und verfälscht, wenn die „Offenbarung
der absoluten Liebe" funktional degradiert würde
„als Mittel oder Impuls zu einem menschlichen Zweck"
(110). „Kirchenraum bleibt Modellraum für die Bruderliebe
" (112). Aber sie versteht sich in der „Nachfolge des
gekreuzigten Herrn" (118) und unterscheidet sich an diesem
„heilen Schnittpunkt zwischen Kirche und Welt" von
allen anderen anthropologisch begründeten Unternehmungen
einer durchaus großen und beachtlichen Humanität
(117).

Im folgenden (122—159) entfaltet Albus das grundsätzlich
Gesagte, orientiert an Balthasars theologischer Ästhetik
„Herrlichkeit" (4 Bände, Einsiedeln 1961—1969) und „Theologie
der drei Tage" (Einsiedeln 1969). Das göttliche Drama
der Erlösung (Abstieg, Vollendung, Nachfolge) wird hier zu
einem Gewebe von Gedanken und Bildern gesponnen,
noch dazu auf verschiedenen, recht unterschiedlichen Ebenen
der Argumentation, daß Exegeten auf der einen und
Fundamentaltheologen auf der anderen Seite kaum Ansatzpunkte
finden werden für einen Dialog, den doch (nach
Albus) Balthasars integrierende Methode des Denkens gerade
verspricht. Jedenfalls hat es Rez. sehr schwer gehabt,
dem seltsamen Gefüge der Gedanken zu folgen. Das Historisch
-Kritische kommt zu kurz. Gewiß. So kann man in
einem Buch mit theologischen Ansprüchen Bibelstellen
kaum noch verwerten. Schwerer wiegt die Ratlosigkeit
angesichts des hier vorgeführten dogmatischen oder religionsphilosophischen
Denkens.

Die stärkste Aussagekraft geht von dem Schlußteil des
Buches (156—182) aus. Ich meine nicht den erneuten Versuch
einer Typisierung und Stilisierung verschiedener,
christlicher und nichtchristlicher Hoffnungsarten. Wir sind
wohl alle dieses Spiels ein wenig müde. Den Nerv Baltha-
sarschen Denkens trifft vielmehr kein Wort so gut wie das
auf diesen Seiten herrschende: Eucharistie. Das ist Gebet
und Kontemplation — das ist Kontemplation vor Aktion.
„Beugen vor dem Licht, das blendet". „Wer aber Gottes
Antlitz nicht aus der Kontemplation kennt, wird es in der
Aktion nicht wiedererkennen, selbst dann nicht, wenn es
ihm aus dem Antlitz der Erniedrigten und Beleidigten entgegenleuchtet
." (127 f.) Und Balthasar hat dabei Mt 25,31
bis 46 bestimmt nicht vergessen.

Am Ende stellt sich dem Theologen die Gewissensfrage:
Weißt du, was Du tust, wenn Du Theologie treibst? Historisch
-kritische Forschung macht noch keine Theologie.
Aber bedeutsame Spekulationen auch nicht. Ist Theologie
zuletzt Dichtung, Verkündigung, Meditation? Oder irgendwie
doch Lehre? Aber wie? Gerade die These „Wahrheit
ist Liebe", wie sie in diesem Buch entwickelt wird, scheint
zu hoch für vernünftige Argumentationen. Das entscheidend
Christliche bleibt der Verkündigung. Liest man das
Schlußwort, so muß es zuletzt bei diesem theologischen
Unbehagen bleiben. Vorerst! Oder besser: So weit es Balthasar
und dieses Buch betrifft.

Wuppertal Ulrich Browarzik

Dembowski, Hermann: Karl Barth, Rudolf Bultmann,
Dietrich Bonhoeffer. Eine Einführung in ihr Lebenswerk
und ihre Bedeutung für die gegenwärtige Theologie.
Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins
[1976]. 119 S. 8°. DM 14,—.

Die kleine Schrift hat eine „bescheidene Orientierungsabsicht
". „Dem jungen Theologiestudenten sollen erste
Übersichtsinformationen gegeben werden" (11), um ihn
zum Studium der sog. „Dialektischen Theologie" einzula-

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 3