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Ausgabe:

1978

Spalte:

205-207

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Kobusch, Theo

Titel/Untertitel:

Studien zur Philosophie des Hierokles von Alexandrien 1978

Rezensent:

Schneider, Carl

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hingewiesen (S. 53), ohne zu erwähnen, wie umstritten es
ist, ob überhaupt bzw. welchen Anteil Germanos an diesem
Werk besaß.

Kap. 1 (S. 1—52) bietet eine eingehende Quellenanalyse.
Im Mittelpunkt steht eine Untersuchung der vier bekannten
Vita-Germani-Texte sowie deren Bezug zu anderen
Quellen. Vf. kommt zu dem Ergebnis, die wohl in der zweiten
Hälfte des ll.Jhs. im Chorakloster entstandene Vita
sei „ein recht spätes Machwerk" und verdiene nur dann
berücksichtigt zu werden, wenn sie „mit den übrigen verläßlichen
Quellen übereinstimmt", während die allein von
der Vita gebotenen Aussagen „historisch unzuverlässig"
seien (S. 39).

Die Kapitel zwei bis vier (S. 53—194) dienen der chronologischen
Fixierung der wichtigsten Lebens- und Wir-
kungsmomente: Geburtsdatum, Datum der Hinrichtung
des Vaters und der Kastration des Germanos, Klerikerzeit
an der Hagia Sophia, die Zeit als Metropolit von Kyzikos,
Termin der Thronbesteigung als Patriarch, das Wirken
unter den Kaisern Anastasios H. bis Leon III. einschließlich
der Stellung im beginnenden Bilderstreit,
Zwangsabdankung, Todesart, -ort und -jähr. Ferner befaßt
sich Vf. mit der Verdammung durch die Synode von 754
und der nach Rehabilitierung durch das 7. ökumenische
Konzil beginnenden Germanosverehrung, Germanosdar-
stellungen in der griechischen und russischen Maltradition
sowie den Germanosreliquien. Eine Fülle von Material ist
mit Fleiß verwertet worden. Die bisherigen Forschungsetgebnisse
werden anhand der in reichem Maße gebotenen
Quellenbelege kritisch untersucht. Dabei kommt Vf. z. B.
un Blick auf die unterschiedlichen Angaben über das Geburtsjahr
zur Feststellung, daß „die Quellen keine sichere,
Ja nicht einmal eine annähernde Datierung" (S. 54) zulassen
. Bezüglich des Todesalters ergibt sich nur, daß Germanos
„in tiefem Greisenalter" (S. 173) verstarb. In vielen
'allen konnte eine überzeugende chronologische Fixierung
geboten werden.

Beim Bemühen, die Entwicklungsphasen vom historischen
Hintergrund her zu verdeutlichen, wäre größere wissenschaftliche
Exaktheit wünschenswert. Mit nicht ganz
uberzeugender Argumentation verteidigt Vf. die „isauri-
sche Herkunft" Leons III. (S. 1171). Richtig heißt es, das
bisher eine gültige Antwort auf das Phänomen Ikonoklas-
mus fehlt. Doch bleibt unbegründet, weshalb jene Hypothese
„den meisten Kredit" verdient, „welche, wie die alten
byzantinischen Historiker, eine .recht plausible' Verbindung
zwischen muselmanischer Ikonophobie und byzantinischem
Ikonoklasmus herstellt" (S. 134). Unpräzise ist
auch z.B. die Aussage: „Nachdem in der zweiten Hälfte
des Jahres 727, auf die Fürbitte der heiligen Väter des ersten
ökumenischen Konzils hin und zum Erweis der Legitimität
der Bilderverehrung, wie nur Theophanes festhält,

ie Araber von Nikaia abgezogen waren, konnte sich Leon
wieder der Religionspolitik widmen" (S. 144).

Abschließend enthält das 5. Kapitel (S. 200—241) den griechischen
Text der Vita Germani mit deutscher Parallel-
ersetzung unter Angabe der verschiedenen griechischen
^extvarianten.

BerUn Hans-Dieter Döpmann

PHILOSOPHIE,
RELIGIONSPHILOSOPHIE

Kobusch, Theo: Studien zur Philosophie des Hierokles von
lexandrien. Untersuchungen zum christlichen Neupla-
204 QmoS' München: Johannes Berchmans Verlag [1976].
M v 8 ~ EPimeleia. Beiträge zur Philosophie, hrsg. v.
n- Kuhn, H. Krings, F. Wiedmann, 27.

Dieses prächtige Buch ist eine echte Bereicherung der
°rschung auf dem Gebiet des Neuplatonismus. Hervorge-

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gangen aus der glanzvollen Gießener Schule Gerh. Müllers
und an sehr vielen, leicht erkennbaren Stellen unterstützt
durch die uneigennützige Hilfe des Altmeisters der Neu-
platonismusforschung W. Theiler ist es in seinen philologischen
wie in seinen philosophischen Teilen ein selbständiges
, fleißiges und kenntnisreiches Werk, das mit Akribie
eine wohltuende Einfühlung in diesen noch immer zu wenig
beachteten eigenartigen Neuplatoniker verbindet. Leider
— um das Negative zuerst zu sagen — hat sich der Vf.
nicht von dem alten Dogmatismus frei machen können,
alles im Neuplatonismus christlich Klingende müsse auch
christlicher Herkunft sein. Von dieser Prämisse aus macht
er dann — völlig unmöglich — Hierokles zu einem Schüler
des Origenes. Mit diesem Dogma hängt auch die Überschätzung
Philons zusammen, dessen Bedeutung gewiß
nicht in seinen platonischen Brocken, sondern nur in seiner
Allegorese liegt. Wäre der Vf. auch hier Theiler statt
dem Dogma gefolgt, könnte man das Buch geradezu vollkommen
nennen.

Das philologisch Bedeutsame des Buches liegt in dem
Nachweis vorneuplatonischer Grundstruktur des Hierokles
, der Bedeutungslosigkeit eingedrungener porphyriani-
scher Elemente, der Einflüsse des Hierokles auf Simplicius
und der Eliminierung von Hieroklesgedanken bei Aineias
von Gaza. Philosophisch bedeutsam aber ist die systematische
Analyse des Gesamtwerkes des Hierokles nach den
Hauptthemen Mundus intelligibilis, Gott, Schöpfung, Pro-
videnz, Seele, Ethik und Mathematik. Jeweils konfrontiert
der Vf. mit souveräner Sach- und Quellenkenntnis echten
Piaton, mittleren Piatonismus, alexandrinischen Neuplatonismus
, christlichen Piatonismus, so daß man von einem
teppichhaften Gewebe sprechen könnte, was wiederum
dem Geist des alexandrinischen Neuplatonismus gut ansteht
. Der Raum verbietet leider, auf Einzelheiten einzugehen
, nur einiges sei hervorgehoben. Die Differenzierungen
in den Gottesbegriffen sind hervorragend durchgeführt,
leider wird zu vieles auf Philon zurückgeführt, was sicher
auf Ammonios zurückgeht; der Versuch einer Abhängigkeit
des Hierokles von Philo scheint mir gerade hier am
wenigsten gelungen, wenn man die zitierten Philonstellen
im Zusammenhang liest.

Das Kapitel über die Mittelwesen bleibt noch schwieriger
, als der Vf. wahrhaben will; bei aller Achtung vor
seinen scholastischen Kenntnissen verwirren die ganz unantiken
scholastischen Referenzen. Nicht überzeugen kann
die Hineininterpretation einer creatio ex nihilo in einem
bestimmten „christlichen" Sinn in Hierokles — und mit
einer Ableitung aus Origenes hat das alles, trotz der singu-
lären Stelle aus 2 Makk, kaum etwas zu tun. Aber für das
viele, oft ganz entlegene beigebrachte Material zu den pla-
tonisierenden und patristischen Weltentstehungslehren
wird man dankbar sein. Vorbildlich ist der Abschnitt
Heimarmene, der die Vielschichtigkeit bei Hierokles an
vielen Parallelen enthüllt, ohne sie einzuzwängen. Nur
liegt auch hier Ammonios näher als der recht unsichere
Philon. Bei der Seelenlehre sind die Hinweise auf die Abhängigkeit
von Poseidonios und Plutarch wichtig. Von phi-
lonischem Einfluß in der Seelenlehre zu reden, berechtigt
aber das Material nicht; die Behauptung, Hierokles habe
Philon selbst gelesen, wird weder durch den Hinweis auf
Nemesius noch durch den Hinweis darauf, daß Hierokles
in derselben Stadt wie Philon gelebt habe, (!) bewiesen.
Doch sind die Ausführungen über Chreia sehr beachtlich.
In der Tugendlehre überzeugt die Herausarbeitung einer
Eigenleistung des Hierokles. Neu und weiterführend sind
die subtilen Vergleiche von Hierokles und Simplicius in
den von Apollonios abhängigen Partien der Gottesverehrung
. Nicht legitim scheint mir die Interpretation der
Gewissenslehre des Hierokles von Kant und der Scholastik
her; theonom kann man doch diese Lehre bei Hierokles
nur sehr bedingt oder besser gar nicht nennen, wenn man
den Begriff der Theonomie streng im herkömmlichen
Sinne faßt. Auch für die Zahlenmystik, bei der leider nur

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 3