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Ausgabe:

1978

Spalte:

204-205

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Lamza, Lucian

Titel/Untertitel:

Patriarch Germanos I. von Konstantinopel (715 - 730) 1978

Rezensent:

Döpmann, Hans-Dieter

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Greiner einmal (wenn auch in einem anderen Zusammenhang
) so formuliert hat: „Weltschmerz und Zerrissenheit
sind die historischen Namen für diesen Zustand. Diese Zerrissenheit
aber ist nicht tragisch, sondern das Zeichen der
Unfähigkeit dieser Generation zur Tragik".

Halle (Saale) Konrad Onasch

Balthasar, Hans Urs von: Katholisch. Aspekte des Mysteriums
. Einsiedeln: Johannes Verlag [1975]. 93 S. 8° = Kriterien
, 36.

Im Jahr seines 70. Geburtstages legt hier der Basler
Theologe den Ertrag der „Anstrengung" vor, mit welcher
der katholische Christ sich in das „Gesamtsubjekt" seiner
Kirche zu „integrieren" hat (vgl. 14). Freilich, bloß um
„Aspekte, Durchblicke, Apergus, locker Gereihtes" soll es
sich handeln, „ohne Systematik und Vollständigkeit" dargeboten
(5). Und ist nicht die Epoche wie der einzelne
heute mit „dem Katholischen", der „Allheit", dem Umfassenden
ohnehin „überfordert" (7, 33) ?

Aber: „.Katholisch' ist eine Qualität" (7). Das heißt ein
Doppeltes: Wider den modischen Trend des nivellierenden
und polarisierenden Quantifizierens, der Form- und Zucht-
losigkeit auch in der Kirche (7, 10 f., 15, 42, 86), wie ihn
„Fernsehtheologen" und „soziologische Kapläne" repräsentieren
(87), gilt es um dieser Qualität willen „unzeitgemäße
Fragmente" (16) vorzuweisen. Weil jedoch die
Qualität des Katholischen sich als „das Ganze im Fragment
", als „universale Relevanz" einer „bestimmten historisch
-soziologischen Gestalt" erweist (8), kann gerade das
„unterscheidend Katholische" („das also, worüber Katholiken
im ökumenischen Gespräch oft weniger gern reden
und was sie als weniger erheblich abzuwerten suchen")
auf „wahrhaft katholische" Weise aufgezeigt werden. Indem
man nämlich „vom gemeinsam bejahten Mysterium
aus zu denken versucht" und zugleich (gar nicht „polemisch
" !) sich „das Mysterium der (.römisch'-) katholischen
Kirche von den übrigen christlichen Konfessionen abheben
" läßt, wird „der Partner auch von seinem Standpunkt
aus die innern Zusammenhänge zu sehen" vermögen
(5).

Die zusammenhängenden Aspekte des Mysteriums, die
zunächst der Partner draußen zu Gesicht bekommt, zeigen
sich als „ein Denken, das sich deshalb ökumenisch
nennen darf, weil es katholisch ist" (5). „Definitionsgemäß"
sieht das so aus: „Der Katholik, der sich selbst versteht,
braucht sich nicht zusätzlich ökumenisch zu geben, er ist
es, weil er katholisch ist; die katholische Kirche ist nicht
eine Kirche neben andern, sondern der eine Quell und die
eine Mündung aller andern, die unterwegs von ihr abgezweigt
sind und sich nur vereinigt mit ihr zusammen ins
Meer der Ewigkeit stürzen werden" (85). Noch vor einer
Interkommunion wäre von Rechts wegen „Interkonfes-
sion" fällig, und zwar so, daß „sogar in einer .ökumenischen
' Bußandacht... der nichtkatholische Teil die amtliche
Vollmacht der Absolution anerkennen" müßte (81).

Nicht so deutlich wird, ob der nichtkatholische Leser
auch der inneren Aspekte des Mysteriums ansichtig werden
soll. Denn einmal ist „das Zeugnis der Catholica tief
verborgen" (9 f.) — unter der Gestalt des Gegenteils, so
könnte es scheinen („Das Kreuz als Mitte des Katholischen
", 23 f.). Doch eher droht heute „das Katholische"
gänzlich in die Gestaltlosigkeit sich zu entäußern. Daß „die
Catholica" zwecks Unterscheidung von außen als „eine
.Kirche' oder religiöse Gemeinschaft unter andern" (9 f.),
„also ein Klan neben andern" „etikettiert" wird (7), bedeutet
die ärgste Verkennung ihres „mysterialen Charakters"
(19). (Das Attribut „römisch" setzt v. Balthasar in diesem
Zusammenhang stets in Anführungszeichen — offensichtlich
signalisiert es auch für ihn einen der Sachverhalte,
„worüber Katholiken oft weniger gern reden".) Zum an-

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dern wird alles Umfassende, das Nichtkatholiken in der
eigentümlich mystagogischen Sprache dieser Schilderung
als gesamtchristlich wiederzuerkennen glauben, im Handumdrehen
zum Katholischen im Sinne „der Catholica", des
unterscheidend Katholischen: „Jesus als katholisch" (17 ff.),
„Die Liebe Gottes als das Katholische" (20 ff.) — „So ist
alles in der Kirche" (44). Ganz ohne .Manipulation der
Katholizität' scheint es vor lauter Mystifikation auch bei
dem nicht abzugehen, der dergleichen andern vorwirft (87).
Zum dritten schließlich ist, was in den Augen Außenstehender
für spezifisch römisch- katholisch gilt, stets „in
seinem katholischen Kern" und „vom Ausstrahlen des
katholischen Lebens her" (52) als Aspekt der katholischen
Fülle, der „Einheit der Gegensätze" zu begreifen
(17; vgl. 22, 32, 84): Ablaß und Fegfeuer (52 ff.), Mariologie
(55 ff.), „das Petrinische" (70 ff.), autoritative Morallehre
(77), Reliquien, Wallfahrten, Bußübungen, Zölibat (80 ff.),
Inquisition einst (88 f.). Der katholische Anspruch muß ja
Ärgernis erregen (7 f.)!

Systematisch oder vollständig ist das Büchlein, das dem
heiligen Ignatius von Loyola (ob dessen — nächst Jesus —
unübertroffener Disponibilität) gewidmet ist (15 f.) und den
ekklesiologischen Bestimmungen der Katholizität, der Dynamik
und Verfaßtheit, der Gemeinschaft der Heiligen
(mit einem zweiseitigen Lutherzitat sowie Stellen aus Bon-
hoeffer 54 ff.), der Apostolizität, der inkarnatorischen und
der ökumenischen Struktur entlang geht, gewiß nicht angelegt
.

Und doch ist dies eine Summe aus des Verfassers gesamtem
Lebenswerk, konzentriert und weitgespannt, in einer
Rezension höchst unvollständig wiederzugeben. „Das Ganze
im Fragment" (1963) hatte H. U. von Balthasar selber
in einem Gespräch mit der Herder-Korrespondenz als
Schlüssel dazu bezeichnet (Nr. 2/1976, 72—82), Band III der
„Theodramatik" wird in Bälde erscheinen. Wenn nun weder
die großen Arbeiten dort noch die „unzeitgemäßen
Fragmente" hier eine wissenschaftliche Phänomenologie
des Katholizismus darstellen, so bilden sie um so eher ein
Phänomen des Katholischen selbst in der imponierenden
Tradition eines Möhler, Newman, Karl Adam. Respekterheischend
in der Tat ist das, was hier „Katholisch" heißt —
sofern man es als „römisch"-katholisch würdigen darf.

Zürich Hans Gelßer

Lamza, Lucian: Patriarch Germanos I. von Konstantinopel
(715—730). Versuch einer endgültigen chronologischen
Fixierung des Lebens und Wirkens des Patriarchen. Mit
dem griechisch-deutschen Text der Vita Germani am
Schluß der Arbeit. Würzburg: Augustinus-Verlag 1975.
XXXV, 248 S. 8° = Das östliche Christentum, hrsg. v.
H. Biedermann, N. F., 27. DM 30,80.

Wie bereits aus dem Untertitel hervorgeht, beschränkt
sich die Arbeit auf die spezielle Behandlung des chronologischen
Verlaufs von Leben und Wirken des Patriarchen
Germanos. „Zu literarischem Schaffen und zur Persönlichkeit
des Patriarchen", erklärt Vf., „behalten wir uns vor,
zu einem späteren Zeitpunkt Stellung zu nehmen" (S. 162).
Es wird nur kurz darauf eingegangen, weshalb Germanos
„auch heute unser Interesse herausfordert": als „der bedeutendste
orthodoxe Patriarch der ikonoklastischen Epoche
" und deren „erstes namentlich bekanntes Opfer", als
Kirchendichter, als Repräsentant der Mariologie, auf den
sich auch die Kirchenkonstitution „Lumen Gentium" des
II. Vatikanischen Konzils in ihrem 8. Kapitel dreimal beruft
, als einer der besten Prediger seiner Zeit sowie als
Verfasser von Briefen, die „eine Geschichtsquelle ersten
Ranges" darstellen (S. 53). Eingangs lesen wir, daß ihm
manche Werke fälschlich zugeschrieben werden (S. 1)-
Doch fehlen nähere Angaben. Und so wird als ein Beispiel
für den Einfluß des Germanos auf die Kirchengebäude und
Liturgie mystisch interpretierende „Historia Ecclesiastica"

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1378 Nr. 3