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Ausgabe:

1978

Spalte:

198-201

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

1934/35. Vom Beginn d. Jahres 1934 bis z. Errichtung d. Reichsministeriums für die kirchl. Angelegenheiten am 16. Juli 1935 1978

Rezensent:

Meier, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 3

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Charles Wesley und George Whitefield auch noch andere
Personen gab, die für die kirchliche Entwicklung und das
rechte Verständnis des Methodismus bedeutsam sind. Eine
davon ist der im Jahre 1779 in Manchester geborene Jabez
Bunting. Noch in dem im Jahre 1909 von W. J. Townsend
u. a. veröffentlichten Werk „A New History of Methodism"
wurde er der ,.zweite Gründer des Methodismus" genannt,
der eine Gemeinschaft vorfand, der er die dauerhafte
Form einer Kirche gab. Dieser These wurde von anderen
methodistischen Historikern jedoch zu Recht widersprochen
. Die wesleyanische Gemeinschaft hatte in der Tat bereits
vor Buntings Eintritt in den Dienst der Methodistenkirche
ihre Feuerprobe bestanden und bedurfte keines
zweiten Gründers. Auch die Weiterentwicklung des englischen
Methodismus zur Kirche war bereits im Gang und
hatte bedeutsame Entwicklungsstufen durchschritten, als
Jabez Bunting in ihm eine bedeutende Rolle zu spielen begann
.

Unbestritten ist jedoch die Tatsache, daß seit der Zeit
John Wesleys keine Person in dem Ausmaß der anerkannte
Führer der britischen Methodistenkirche war wie
Jabez Bunting. Bereits als 27jähriger wurde er Hilfssekre-
tar ihrer „Konferenz", der wichtigsten Körperschaft dieser
Kirche. Im Jahre 1814 wählte sie ihn zu ihrem Sekretär
und 1820 erstmals zum Präsidenten. Von dieser Zeit an gab
es kaum noch ein bedeutendes Komitee dieser Kirche, dessen
Mitglied er nicht war. Er wurde der Generalsekretär
der Wesleyanischen Missionsgesellschaft und arbeitete bis
zu seinem Lebensende 1858 auch noch in anderen Zweigen
der methodistischen Verwaltung in London verantwortlich
mit. Auf diese exponierte Stellung Buntings verweist auch
W. A. Ward in seiner „Einführung", in der er u. a. über die
historische Bedeutung der veröffentlichten Korrespondenz
schreibt, über den Methodismus zur Zeit Buntings und
über Jabez Bunting selbst.

Der Hauptteil enthält annähernd 350 Briefe bzw. Briefteile
, die zum größten Teil an Bunting gesandt wurden.
Die Absender und Empfänger, vor allem Pastoren und leitende
Geistliche der britischen Methodistenkirche, aber
auch Laien, werden bei der ersten Erwähnung in Fußnoten
kurz vorgestellt. Auf diese biographischen Angaben wird
m dem ausgezeichneten Register ausdrücklich verwiesen,
so daß sie leicht auffindbar sind und auch den in der Materie
nicht so gut bewanderten Leser die rechte Bewertung
bestimmter Aussagen in späteren Briefen wesentlich erleichtern
. Vergeblich sucht man allerdings in dem sonst so
gewissenhaft gearbeiteten Buch nach einer Übersicht über
frühere Veröffentlichungen zum Thema, in die z.B. auch
J- H. Riggs „Jabez Bunting" gehörte.

Die Skala der in den veröffentlichten Briefen angesprochenen
Themen ist breit. So wird beispielsweise aus ihnen
ersichtlich, wie Jabez Bunting das Verhältnis zwischen seiner
und der Anglikanischen Kirche geregelt haben wollte.
Die Briefe lassen erkennen, daß seinerzeit ein beachtlicher
Teil der methodistischen Pastoren für das formale Verbleiben
ihrer Kirche in der Englischen Staatskirche eintrat.
Dieser Gruppierung widersetzte sich Bunting, weil er
meinte, daß ein solches Verhältnis zur Staatskirche auf die
Dauer untragbar und mit der gültigen Ordnung dieser Kirche
unvereinbar ist. Freunden, wie dem Superintendenten
James Kendall, unterbreitete er diese Ansicht (s.S. 591).
Gleichzeitig bat er sie, mit ihrem ganzen Einfluß die unter
ihrer Administration stehenden Pastoren und Laien für
diesen Standpunkt zu gewinnen. Die organisatorische
■Trennung, so schrieb Bunting weiter, dürfe jedoch nicht
zur Gleichgültigkeit oder gar zum Widereinander zwischen
den Kirchen führen. Die freundlichen Gefühle zur
Kirche von England müßten aufrechterhalten bleiben und
alles sei zu mißbilligen, was zwischen den Kirchen innere
Trennung stiften kann oder gar bittere unchristliche
Feindschaft. Tatsächlich hat auch die britische Methodistenkirche
die organisatorische Trennung von der Anglikanischen
Kirche in der von Bunting gewünschten Form

vollzogen. Er und seine Freunde mögen dabei der festen
Überzeugung gewesen sein, daß sie unter den gegebenen
Umständen ganz im Sinne John Wesleys handelten. Ob dies
tatsächlich der Fall war, muß an dieser Stelle freilich offenbleiben
.

Erwähnenswert sind auch Buntings Ansichten über die
Verpflichtung der Kirche zur Mission. Für ihn war es
selbstverständlich, daß die Kirche auch für die finanziellen
Mittel dieser Arbeit aufkommen muß. Als 1836 einmal
die notwendigen Beträge nicht in der wünschenswerten
Höhe gezahlt werden konnten, ließ er über seine Traurigkeit
darüber keine Zweifel aufkommen, weil eine solche
Reduzierung automatisch zur Verringerung der Vorwärtsbewegung
führen müsse (siehe S. 138 f.). Zugleich bedauerte
er auch sehr, daß dadurch die von den Missionaren
geleistete Bildungsarbeit nicht in dem erwünschten Ausmaß
weiterentwickelt werden konnte. Reduzieren dürfe
man sie aber auf keinen Fall. Evangeliumsverkündigung
ohne gleichzeitige praktische Lebenshilfe für alle, zu denen
man sich gesandt wußte, war also auch für Jabez
Bunting undenkbar.

Es scheint ihn nicht gestört zu haben, daß es eine ehrliche
und kräftige innerkirchliche Opposition gegen ihn
gab. Gekränkt aber haben ihn offenbar die versteckten
Angriffe, die Mißdeutungen und Verkennungen seiner Absichten
und vor allem die offenen Schmähungen, die er
auch zu ertragen hatte. Trotzdem konnte er durchsetzen,
daß gesunde geschäftliche Grundsätze in der Finanzverwaltung
der britischen Methodistenkirche Eingang fanden.
Er förderte wesentlich den Eintritt von Laien in die Ständigen
Kommissionen der Konferenz, so daß schließlich die
gesamte Verwaltung unter Oberaufsicht der Konferenz
von Pastoren und Laien gemeinsam geprüft und geleitet
wurde. Daß vor allem auch durch seine Initiativen die methodistischen
Geistlichen Großbritanniens in Ausbildung
und öffentlichem Ansehen denjenigen der anderen Kirchen
des Landes ebenbürtig wurden, soll nicht unerwähnt
bleiben.

Dank des vorzüglichen Registers in W. A. Wards Buch ist
es auch leicht möglich, quer zu lesen und so beispielsweise
zu erfahren, wie man in der britischen Methodistenkirche
in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zu den
Baptisten, Kongregationalisten, Quäkern und anderen Kirchen
stand, welche Bedeutung seinerzeit die sogenannten
Distriktskonferenzen der methodistischen Geistlichen hatten
u. a. m.

Das sowohl für den Kirchengeschichtler wie auch für
den ökumeniker wertvolle Buch, der sich nicht nur mit
ökumenischen Tagesfragen befaßt, klingt mit einer nach
Jabez Buntings Tod verfaßten Würdigung aus, in der unter
anderem seine großen geistigen Fähigkeiten hervorgehoben
werden, seine unerschrockene und beharrliche Energie
und seine meisterliche und überzeugende Beredsamkeit. Er
wird als warmherziger und treuer Hirte der Herde Christi
beschrieben und als ein hervorragender Kirchenführer mit
einem weiten Herzen für die Mission und alle ihre Aufgaben
. Gewürdigt wird schließlich auch seine ökumenische
Gesinnung, die in einer weiten Aufgeschlossenheit für alle
ihren Ausdruck fand, die Jesus Christus ihren Herrn sein
ließen.

Werdau Karl Zehrer

Nicolaisen, Carsten [Bearb.]: Dokumente zur Kirchenpolitik
des Dritten Reiches. II: 1934/35. Vom Beginn des Jahres
1934 bis zur Errichtung des Reichsministeriums für
die kirchlichen Angelegenheiten am 16. Juli 1935. Hrsg.
im Auftrage der Evang. Arbeitsgemeinschaft für kirchliche
Zeitgeschichte v. G. Kretschmar. München: Kaiser
1975. XXVIII, 369 S. gr. 8°. DM 60,—.

Der hier vorgelegte zweite Band der „Dokumente zur
Kirchenpolitik des Dritten Reiches" umfaßt die Zeit von