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Ausgabe:

1978

Spalte:

196-198

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Bunting, Jabez

Titel/Untertitel:

Early Victorian Methodism 1978

Rezensent:

Zehrer, Karl

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„Das christliche Dogma hat seine eigentümliche Ausprägung
in der mittelalterlichen Visionsliteratur gefunden"
(S. 178). Gehören Teufel und Dämonen zum christlichen
Dogma? Eine andere Möglichkeit berührt K. im Zusammenhang
mit dem Waltharius-Epos: „Der Bär als allegorische
Traumfigur ist für die germanische Heimat des Epos charakteristisch
" (S. 171). Aber vorher liest man: „Als sehr
wichtiges Ergebnis können wir festhalten, daß die volkstümliche
eschatologische Tradition des Christentums in
ungebrochener Geltung stand" (S. 114, ähnlich S. 165). Hier
dürfte noch manches Problem liegen. Es ist auch zu fragen,
ob ein Buch über Träume und Visionen ganz von moderner
Traumdeutung absehen kann. Dazu sagt K.: „Wenn
keine Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Schulmeinungen
— Freud, Jung, Binswanger — angestrebt wird,
so ergibt sich das mit Selbstverständlichkeit aus dem Charakter
einer literarhistorischen Arbeit..." (S. 83, Anm. 1).
Aber K. überschreibt sein 1. Kapitel: „Grundzüge einer
Psychologie der Träume und Visionen im Mittelalter". Er
schreibt darin von „dem epochemachenden Werk Siegmund
Freuds" (S. 11). Mehr Anregungen hätte er bei CG.
Jung erhalten „Zur Psychologie westlicher und östlicher
Religion", 1963 = Gesammelte Werke Bd. 11. Sehr intensiv
müht sich K. darum, zwischen Traum und Vision begrifflich
zu unterscheiden; die Frage steht am Anfang und am
Ende (S. 9—11 und 203—207). Er nennt diese Unterscheidung
„das entscheidende Problem" (S. 208). Freilich muß er
feststellen: „Die Begriffe sind also nicht starr fixiert und
gegeneinander eindeutig abgegrenzt. Visio, daneben visus
und visum, können im Mittellateinischen sowohl die Bedeutung
Traum als auch Ekstase, d. h. excessus mentis,
annehmen..." (S. 207). Zuletzt wird diese Unterscheidung
als „ein zweitrangiges Problem" (S. 209) abgewertet. Ganz
sicher hat sich K. mit einem sehr interessanten Thema beschäftigt
; er hat auf anregende Quellen hingewiesen, die
weiterer Bearbeitung wohl wert sind.

Rostock Gert Haendler

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Lindt, Andreas, u. Klaus Deppermann [Hrsg.]: Pietismus
und Neuzeit. Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren
Protestantismus. 1974. 177 S., 1975. 192 S. Bielefeld: Luther
-Verlag 8° = Jahrbücher zur Geschichte des Pietismus
. Im Auftrag der historischen Kommission zur Erforschung
des Pietismus hrsg. v. K. Aland, E. Peschke, u.
M. Schmidt, 1 u. 2.

Die vorliegenden ersten zwei Bände des Jahrbuches zur
Geschichte des neueren Protestantismus sind zu begrüßen
als vielversprechendes Forum für Forschungen, die sich
besonders der Geschichte und Wirkungsgeschichte des Pietismus
und der Erweckungsbewegung widmen, Forschungen
, die bisher kein entsprechendes periodisches Organ zur
Verfügung hatten. Neben Einzeluntersuchungen bringen
die Bände Rezensionen von thematisch interessanten Neuerscheinungen
und eine Pietismus-Bibliographie. Diese umfaßt
bis jetzt die Jahre 1971 bis 1974 und beschränkt sich
prinzipiell nicht nur auf deutsche Veröffentlichungen. Die
Nützlichkeit und Brauchbarkeit der Hefte wird dadurch
erhöht.

Die Vor- und Frühzeit des Pietismus wird durch Aufsätze
über Seb. Franck und J. Böhme erhellt. Das Ideal der
Wiedergeburt, an dem Franck Welt und Mensch mißt, wird
von Gertraud Zaepernick anhand seiner Schriften präzisiert
(1, S. 9—24). Dabei ergeben sich wichtige Korrekturen
der herkömmlichen Deutungen von Francks patriotischem
Zug, seiner Beurteilung der Ketzer und seines Toleranzgedankens
. Zweifelhafte Berichte über ein 1624 positiv
verlaufenes Verhör Böhmes durch führende lutherische
Theologen in Dresden werden von Helmut Obst neu be-

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leuchtet aufgrund von Äußerungen Ph. J. Speners (1, S. 25
bis 31). Das Lutherische an Böhmes Theosophie, die zum
pansophischen Rationalismus und zu seiner Neigung zur
Objektivierbarkeit des Geistes im Widerspruch steht, wird
von Eberhard H. Pältz erarbeitet (2, S. 9—21). Trotz der
spiritualistischen und kabbalistisch-gnostischen Motive in
Böhmes Schriftauslegung, verstand er mit Luther doch den
Glauben personal und die Schrift als Offenbarung. Martin
Schmidt macht aufmerksam auf den unbekannten pietistischen
Katechismus ökumenischer Prägung, den der Osnabrücker
Bernhard Peter Karl 1704 drucken ließ (1, S. 32
bis 64), in dem er die bestehenden Katechismen durch die
aus dem NT belegte Wiedergeburtslehre bekämpfte.

Durch Erwägungen zum Reformprogramm Speners und
Franckes würdigt Reinhold Pietz den Beitrag des Pietismus
zur Predigtbildung heute (1, S. 65—81). Eberhard
Winkler analysiert dann das Verhältnis von Verkündigung
und Seelsorge in der Bestattungspredigt Franckes (2, S. 22
bis 32). Karl Zehrer nimmt ins Blickfeld die Beziehungen
zwischen dem hallischen Pietismus und dem frühen Methodismus
(1, S. 43—56), eine Frage, die von der bisherigen
Forschung vernachlässigt wurde zugunsten der Erhellung
des Einflusses herrnhutischer Frömmigkeit auf Wesley.
Jede Beziehung zu Herrnhut wurde auch von seiten des
Pietismus im mecklenburgischen Dargun konsequent abgelehnt
, obzwar eben dieser pietistische Stützpunkt, in wacher
Auseinandersetzung mit einer konsolidierten lutherischen
Orthodoxie, wie es aufschlußreich Erhard Peschke
zeigt (1, S. 82—99), rege Wechselbeziehungen zu pietistischen
Kreisen in Dänemark und Schlesien pflegte. Im
Spiegel von Eintragungen in das Stammbuch des späteren
Pfarrers E. V. Sprengel, die 1712 einsetzen, wird die Mentalität
des hallischen Pietismus mit seinem Nachdruck auf
den Glaubenskampf von Martin Schmidt nachgezeichnet (1,
S. 57—89). Das hier S. 67 abgedruckte Zitat 1 Kor 15,10 ist
von dem Slowaken Zimani der tschechischen Kralicer-Bi-
bel entnommen. Seine Abstammungsbezeichnung „Dobro-
nensis Hung." würde ich nicht auf Debrecen (S. 61, Anm.
24), sondern auf Dobra Niva, madjarisch Dobronya, in der
heutigen Slowakei deuten. Wie der reformierte Pietismus
zur Bildung eines neuen Geschichtsverständnisses und
Zeitbewußtseins beitrug, wird von Winfried Zeller (2, S. 89
bis 99) an der Berleburger Bibelausgabe und an der pietistischen
Zeitschrift „Geistliche Fama" (1730—36) gezeigt.
Im Band 1 (S. 114—124) schrieb Zeller über das Verhältnis
zwischen J. Chr. Stahlschmidt und G. Tersteegen. Die Verbindung
von Pietismus und Frühaufklärung scheint Friedrich
de Boor typisch gewesen zu sein für das Nordhäuser
Gesangbuch (1, S. 100—113). Einen lehrreichen Einblick in
pietistisch empfundene und gelenkte Eheprobleme gewährt
Ernst Kähler, indem er die Geschichte der drei Ehen der
Gräfin A. F. von Stolberg (t 1783) erzählt (2, S. 99—128).

Zur Problematik des politischen Aspekts des Pietismus
ist sehr lesenswert der Aufsatz von Gerhard Schäfer über
die Württembergische Landeskirche in der Mitte des
19. Jhs. (1, S. 125—158), der den Haß der revolutionsfreudigen
Demokraten gegen den Pietismus verständlich macht,
sowie auch Christian Bunners Darstellung der politischen
und sozialen Pietismuskritik des mecklenburger Dichters
Fritz Reuter (2, S. 129—139).

Der erste Band ist Oskar Söhngen, der zweite Erhard
Peschke, den verdienten Forschern, zugeeignet.

Prag Amedeo Molnär

Ward, W. R.: Early Victorian Methodism. The Correspond-
ence of Jabez Bunting 1830—1858. Oxford — London
— New York: Oxford University Press 1976. XXIII,
440 S. gr. 8° = University of Durham Publications. Lw.
£ 12,—.

Durch dieses Buch werden Methodisten wie Nichtmetho-
disten an die Tatsache erinnert, daß es neben John und

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 3