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Ausgabe:

1978

Spalte:

191-192

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Principe, Walter H.

Titel/Untertitel:

Philip the Chancellor's Theology of the Hypostatic Union 1978

Rezensent:

Junghans, Helmar

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ist ja nicht zu übersehen, daß z. B. die von Lührmann nicht
behandelten Pastoralbriefe den Glauben unter Preisgabe
seiner Gottgewirktheit und eschatologischen Beziehung als
Rechtgläubigkeit verstehen. Solche Einsicht in die
geschichtlich bedingten Unterschiede innerhalb des NT
zwingen zur Besinnung auf das der gesamten neutesta-
mentlichen Botschaft Gemäße. Gerade weil sich mit
dem Glauben das Thema der Christologie und damit die
Frage des Heilsverständnisses überhaupt stellt, ist die
theologische Sachgemäßheit mit dem Aufweis eines sich
durchhaltenden Urthemas noch keineswegs positiv entschieden
, sondern allererst aufgeworfen.

Bochum Erich Gräßer

Corrigenda: Zu S. 25, Anm. 15: Daß die neueste Revision des Luthertextes
den sekundären Zusatz „und Fasten" In Mk 9,29 aufgenommen
habe, ist nicht richtig. Im Luther-NT von 1975 ist er getilgt.
Zu S. 36, 2. Z. v. u.: Lies „das Targum" statt „der Targum". Zu S. 72,
4. Z. v. u.: Diese Fassung erschien erstmalig 1530, nicht 1546. S. 74,
13. Z. v. u.: „In 13,7 ist es solcher Glaube der Führer, ihre Standhal-
tigkeit, der (!) nachzuahmen ist" ein verunglückter Satz. S. 86, 6. Z.
v. u.: Lies „Ordnung Melchisedeks" statt „Ordnung Melchisedek".

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Principe, Walter H., C. S. B.: The Theology of the Hypostatic
Union in the Early Thirteenth Century. Bd. 4: Phiüp the
Chancellor's Theology of the Hypostatic Union. Toronto:
The Pontifical Institute of Mediaeval Studies 1975. 234 S.
gr. 8° = Pontifical Institute of Mediaeval Studies. Studies
and Texts, 32. $ 12,—.

Die christologischen Erörterungen während der ersten
Hälfte des 13. Jhs. haben bisher wenig Beachtung gefunden
. Es ist das Verdienst von Principe aus der Congregatio
Presbyterorum S. Basilii de Toronto, durch seine Untersuchungen
die Lücke zwischen den Darstellungen der Christologie
der Theologen des 12. Jhs. und der Hochscholastik
geschlossen zu haben. Seit 1963 hat er je eine Monographie
zur „theology of the hypostatic union" des Wilhelm von
Auxerre (t 1231 bzw. 1237), Alexander von Haies (um 1185
bis 1245), Hugo von St.-Cher (t 1263) und nun abschließend
Philipp des Kanzlers (t 1236) veröffentlicht. Neben der
Untersuchung enthält jeder Band eine Bibliographie, Register
und die wichtigsten, zum Teil bisher ungedruckten
Texte für die Christologie. Der vorliegende Band schließt
mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse aller vier
Schriften (191—209).

Der Vf. geht den philosophischen Voraussetzungen dieser
vier Scholastiker gründlich nach und arbeitet deren
Auswirkungen auf ihre christologischen Überlegungen
sorgfältig heraus. Bekanntermaßen wird die Philosophie
im 13. Jh. durch die zunehmende Kenntnis der Lehren des
Aristoteles und arabischer Philosophen bestimmt. Der Vf.
stellt aber fest, daß in der ersten Hälfte des 13. Jhs. trotzdem
die Metaphysik des Boethius — wenn auch bei den
einzelnen Theologen im unterschiedlichen Maße — einen
prägenden Einfluß behält. Es liegt also eine neuplatonische
Aristotelesrezeption vor, in der die metaphysischen Strukturen
des Seins und die Kategorien der Logik übereinzustimmen
scheinen. Der Vf. bemerkt, daß schon bei diesen
vier Theologen zwei sich voneinander unterscheidende Arten
von Aristotelesrezeption vorliegen, die dann ausgeprägter
als Gegensatz zwischen den Franziskanern und
den Dominikanern hervortreten.

Petrus Lombardus hat in der Mitte des 12. Jhs. in seiner
Sentenzensammlung die umlaufenden Vorstellungen von
der Vereinigung der göttlichen und der menschlichen Natur
in Christus in drei Gruppen erfaßt: 1. Es wird ein
Mensch aus Leib und Seele erschaffen, so daß jener
Mensch anfängt, Gott zu werden, und Gott anfängt, jener

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Mensch zu werden. 2. Christus besteht aus den Substanzen
Gott, Fleisch und Seele, ist aber nur eine Person. 3. Christus
ist das von Fleisch und Geist gleichsam bedeckte Wort
Gottes. Die erste Aufgabe dieser vier Theologen war es,
diese christologischen Anschauungen zu interpretieren. Da
ihre Überlegungen von der metaphysischen Vorstellung
der Vollkommenheit, Einfachheit und Leidensunfähigkeit
der göttlichen Natur ausgehen, werden für sie alle Erklärungen
unmöglich, die diese Vereinigung als Prozeß verstehen
. Für sie vertritt die 1. Meinung einen unannehmbaren
Dualismus von Subjekten in Christus. Der Vf. sieht
in der Analyse und Kritik durch diese vier Theologen die
Ursache dafür, daß nach ihnen diese 1. Meinung aufgegeben
wurde. Ihr Denkschema, das die Prädikate in einer
Definition der Begriffe auf substantia und accidentia aufteilte
, läßt ihnen die 3. Meinung nur als akzidentielle
Union erscheinen, so daß sie alle vier sich um eine positive
Deutung der 2. Meinung mühen, die sie mit Hilfe der hypo-
stasis composita erklären.

Der Begriff „hypostasis composita" wird von Johannes
Damascenus (um 650 — um 750) übernommen und von Philipp
gründlich erörtert. Er unterscheidet zwischen Individuum
und Person. Das Individuum wird in diesem Zusammenhang
als eine einmalige Zusammenfassung von
Eigenschaften verstanden, die Person als incommunicabilis
existentia secundum proprietatem dignitatis distincta. Die
Person erfreut sich also einer besonderen Würde — so
ihrer Vernunft —, wodurch sie sich von einem Individuum
unterscheidet. Sie steht an der Spitze der hierarchisch gedachten
Schöpfung, die von den Menschen, Engeln und
Gott gebildet wird. Die hypostasis dagegen als incommunicabilis
existentia secundum proprietatum collectionem distincta
bildet einen mittleren Begriff für Person und Individuum
. Zur Person gehört außerdem, daß sie „unum per
se" ist und ein „esse absolutum" hat. Philipp geht davon
aus, daß die menschliche Natur, die sich mit der göttlichen
vereinigt, über diese Selbständigkeit nicht verfügt und
auch nicht die Würde der Vollkommenheit hat, so daß sie
nicht als Person bezeichnet werden kann. Daher verbindet
er in der hypostasis die göttliche Person, den Sohn Gottes,
mit dem menschlichen Individuum, dem Sohn der Maria,
so daß nur eine hypostasis composita vorhanden ist und
doch beide, die göttliche und die menschliche Natur, vereinigt
sind. In der hypostasis composita ist Christus — als
das fleischgewordene Wort Gottes — nur einer. Damit ist
ein eindeutiges Subjekt für christologische Aussagen in der
Logik gewonnen.

Es gehört zu den Vorzügen dieser Arbeit, daß aus einer
Terminologie, die mehr dem schwankenden Sprachgebrauch
folgt, als mit festgelegten Begriffen arbeitet, die
Grundgedanken der hypostatischen Union bei Theologen
in der ersten Hälfte des 13. Jhs. erhoben wurden. Zugleich
wird aufgewiesen, wie die Hochscholastiker ihre imponierenden
Gedankengebäude auf einem von diesen „Übergangstheologen
" gelegten Fundament errichteten. Es wird
aber auch deutlich, wie Veränderungen in den metaphysischen
Spekulationen notgedrungen zu Wandlungen theologischer
Aussagen führen, wenn die Philosophie helfen soll,
die Art und Weise der Vereinigung von Gott und Mensch
in Christus zu erklären.

Leipzig Helmar Junghans

Kamphausen, Hans Joachim: Traum und Vision in der lateinischen
Poesie der Karolingerzeit. Bern: Herbert
Lang; Frankfurt (Main): Peter Lang 1975. 243 S. gr. 8° =
Lateinische Sprache und Literatur des Mittelalters, hrsg.
v. A. önnerfors, 4. sfr. 36,80.

Die von Alf önnerfors angeregte Arbeit lag 1974/75 der
Philosophischen Fakultät in Köln als Dissertation vor.
Kap. 1 „Grundzüge einer Psychologie der Träume und Vi-

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 3