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Ausgabe:

1978

Spalte:

175-178

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Studies in ancient Israelite wisdom 1978

Rezensent:

Sauer, Georg

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tung. Das ausgeführteste Beispiel einer Exegese nach
Winks Vorschlag, die Auslegung zu Mk2,l—12 und Parr.
(S. 39—47), landet auf S. 47 ausgerechnet bei — einer modernen
Form von Gnosis. In dem aus verschiedenen Gesprächen
kontaminierten Protokoll erklingen gewiß auch
andere Töne; aber schließlich mündet es doch ein in die —
nicht mehr korrigierte, also doch wohl rhetorisch gemeinte
— Frage: Ist „Sohn des Menschen" „bloß ein Titel Jesu,
oder ist damit ein immanentes Prinzip eschatologischer
Ganzheit in jedem von uns gemeint" ? Wenig vorher heißt
es: „Jesus konnte diese Kraft in dem Mann aufwecken"
(S. 46 f.).

Ein solches Ergebnis ist kaum Zufall. Denn es wird ja
erreicht durch ein nach dem Muster der Psychotherapie
angelegtes Gruppengespräch. Sollte es mehr zutage fördern
können als das, was „im Menschen ist" oder doch: sein
sollte ? (Vgl. dagegen Joh 2,25!). Schließt nicht eine dahin
zielende „dialektische Hermeneutik" von vornherein —
viel grundsätzlicher als Bultmanns „existentiale Interpretation
" — die Möglichkeit aus, daß die Bibel ein verbum
externum, ein mir nach meinen immanenten Voraussetzungen
fremdes Wort zur Sprache bringt? Die zusammenfassende
Beschreibung des Zieles der Methode auf
S. 48—50 kann solche Bedenken nur verstärken: am Ende
des dialektischen Weges finde ich: „mich" — das ist letztlich
die „Synthese" (S. 51)!

Aber dies sind nur Ansätze zu einer notwendigen Diskussion
. Seinerseits stellt der Essay Winks jedenfalls genügend
provozierende Fragen und markiert wichtige Einsichten
, um die sich eine hermeneutische Debatte keinesfalls
herumdrücken darf. So ist es — trotz des angedeuteten
Desiderats — auf jeden Fall ein Gewinn, daß dieser —
übrigens gut lesbare und sprachlich von Manfred Gron-
wald bis auf Kleinigkeiten gelungen übersetzte — Essay
nun auch bei uns mitredet.

Naumburg Nikolaus Walter

ALTES TESTAMENT

Crenshaw, James L.: Studies in Ancient Israelite Wisdom,

selected, with a Prolegomenon. New York: KTAV Publ.
House 1976. XVII, 494 S. gr. 8° = The Library of Biblical
Studies, ed. by H. M. Orlinsky. Lw. $ 25,—.

Der Herausgeber dieses Sammelbandes ist seit einem
Jahrzehnt durch mehrere Veröffentlichungen hervorgetreten
, die sich fast ausschließlich mit Problemen des Phänomens
„Weisheit" (in einem sehr umfassenden Sinne verstanden
) beschäftigen (ZAW, JBL, CBQ). Er ist daher bestens
ausgerüstet für ein solches Unterfangen. So wird als
erstes etwas über die Auswahl der gebotenen Arbeiten zu
sagen sein. Er hat zudem neben zwei eigenen früheren Arbeiten
, die auch schon einen Hinweis auf seinen Forschungsschwerpunkt
geben, ein Prolegomenon (Text: S. 1
bis 35; Notes: S. 36—45 und Selected Bibliography: S. 46 bis
60) hinzugefügt. Hier versucht er, über die gebotenen Beiträge
hinaus bisherige Ergebnisse zusammenzufassen und
zu kritisieren und einen eigenen Anstoß zur Weiterarbeit
zu geben. Hierüber soll in einem zweiten Abschnitt referiert
werden.

I

Aus einer unübersehbar gewordenen Fülle von Einzeluntersuchungen
einige wenige auszusuchen, ist immer
schwierig. Man wird der getroffenen Auswahl zustimmen
können. Freilich vermißt man manches; anderes würde
man nicht so sehr in den Vordergrund gestellt sehen wollen
. Hier rechten zu wollen, würde bedeuten, einen Sammelband
von zwei —, ja dreifachem Umfang in Kauf neh-

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men zu müssen. Die 27 Beiträge spiegeln jedenfalls die
Forschungslage seit 1933 (aus diesem Jahre stammt der
Beitrag von W. Zimmerli, Zur Struktur der alttestament-
lichen Weisheit, ZAW 51, 1933, 177—204) wider und berücksichtigen
in gleicher Weise Arbeiten der Alten wie
der Neuen Welt (sit venia verbo). Soweit es sich um Aufsätze
handelt, die in der Erstfassung nicht in Englisch geschrieben
oder früher schon ins Englische übersetzt worden
sind, werden sie zum ersten Male in einer englischen
Ubersetzung geboten, die Douglas A. Knight und Brian W.
Kovacs verläßlich besorgten. Es handelt sich um Arbeiten
von A. Alt, J. Fichtner, E. Würthwein und W. Zimmerli.
Die Anordnung ist nicht chronologisch, was auch seinen
Sinn gehabt hätte, sondern systematisch. Nun hat jede
Systematik das an sich, daß sie einem anderen Systematiker
verdächtig vorkommt. Hier kann darin eine Inkonzin-
nität erblickt werden, daß fünf Themenkreise gewählt
wurden, in die die 27 Arbeiten hineingestellt werden. In
dem Prolegomenon hingegen geht der Hrsg. in einem Dreischritt
vor. Es wäre der Geschlossenheit des Buches zugute
gekommen, wenn der Hrsg. parallel verfahren wäre. Wenn
man sich von den fünf Themenkreisen leiten läßt, wird
man manche Wiederholungen konstatieren und zudem das
chronologische Moment oft unausgesprochen mitdenken
müssen.

Über die gebotenen Arbeiten kann hier nichts mehr gesagt
werden. Sie sprechen für sich selbst und sind zum
guten Teil schon als epochemachend in die Forschungsgeschichte
eingegangen. Themenkreis I (The Ancient Near
Eastern Setting and Israelite Wisdom, S. 61—171) enthält
folgende Arbeiten: G. Fohrer, Sophia, ThWNT VII, 1964,
engl. 1971, S. 476—496 (S. 63—83); R. B. Y. Scott, Solomon
and the Beginnings of Wisdom in Israel, VTS 3 (1955)
262—279 (S. 84—101); A.Alt, Solomonic Wisdom, übersetzt
aus ThLZ76 (1951) 139—144 (S. 102—112); E. Würthwein,
Egyptian Wisdom and the Old Testament, übersetzt, Marburg
1960 (S. 113—133); B. Gemser, The Instructions of
'Onchsheshonqy and Biblical Wisdom Literature, VTS 7
(1960) 102—128 (S. 134—160) und F. Ch. Fensham, Widow,
Orphan, and the Poor in Ancient Near Eastern Legal and
Wisdom Literature, JNES 21 (1962) 129—139 (S. 161—171).

Der Themenkreis II befaßt sich mit „The Essential Struc-
ture of Wisdom Thought" (S. 173—277). Hier werden zusammengefaßt
: W. Zimmerli, Concerning the Structure of
Old Testament Wisdom, übersetzt aus ZAW 51 (1933) 177
bis 204 (S. 175—207); B. Gemser, The Spiritual Structure of
Biblical Aphoristic Wisdom, Adhuc Loquitur 1968, S. 138
bis 149 (S. 208—219); R. Gordis, Quotations in Wisdom Literature
, JQR 30 (1939/40) 123-147 (S. 220-244); A. G.
Wright, The Riddle of the Sphinx: The Structure of the
Book oft Qoheleth, CBQ 30 (1968) 313—334 (S. 245—266) und
G. v. Rad, Job XXXVIII and Ancient Egyptian Wisdom,
1955, engl. 1965 in „The Problem of the Hexateuch and
Other Essays", S. 281—291 (S. 267—277).

Im Themenkreis III (Wisdom and the Theological Task,
S. 279—326) finden sich: J. F. Priest, Where is Wisdom to be
Placed?, JAAR (JBR) 31 (1963) 275—282 (S. 281—288); J. L.
Crenshaw, Populär Questioning of the Justice of God in
Ancient Israel, ZAW 82 (1970) 380—395 (S. 289—304); R. H.
Pfeiffer, Wisdom and Vision in the Old Testament, ZAW
52 (1934) 93—101 (S. 305—313, die Angabe der Erstveröffentlichung
fehlt in dem Abschnitt „Acknowledgments"
auf S. XII!) und W. Zimmerli, The Place and Limit of the
Wisdom in the Framework of the Old Testament Theology,
ScotJTh 17 (1964) 146—158 (S. 314—326).

Themenkreis IV (The Literary Heritage of the Wisdom
Tradition, S. 327—426): P.Skehan, A Single Editor for the
Whole Book of Proverbs, CBQ Mon. Ser. I, 1971, S. 15—26
(S. 329—340); M. Tsevat, The Meaning of the Book of Job,
HUCA37 (1966) 73—106 (S. 341—374); J.G.Williams, What
Does It Profit A Man? The Wisdom of Koheleth, Judaism
20 (1971) 179—193 (S. 375—389); R. N. Whybray, Proverbs
VIII 22—31 and its Supposed Prototypes, VT 15 (1965) 505

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 3