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Ausgabe:

1977

Spalte:

128-131

Kategorie:

Psychologie, Religionspsychologie

Autor/Hrsg.:

Ringel, Erwin

Titel/Untertitel:

Selbstmord, Appell an die anderen 1977

Rezensent:

Hertzsch, Erich

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127

Theologische Literaturzeitung I02. Jahrgang H177 Nr. 2

128

al 11 est amen t liehen Wissenschaft, von da zur Religionswissenschaft
und Philosophie, denen die Kirohengeschiohte
als universalste theologische Disziplin folgt. Sodann öffnet
sich das weite Feld von Nat ur- und Geisteswissenschaften
sowie Humanwissenschaften. Damit tritt der Durchgang
durch die Disziplinen in seine Schlußphase ein. Als ein
Nachdenken über die theologische Qesamtverantwortung
beginnt er mit der Praktischen Theologie und schreitet
von dort über Dogmatik und Ethik weiter zur Funda-
meutaltheologic" (S. 1 1 f.).

Doch bedeutet diese Deduktion keine Theologie in dein
Sinne, daß alles Wissen der in der theologischen Fakultät
vereinigten Arbeitsfelder, besonders auch der Randgebiete,
eine strenge Ausrichtung auf das kirchliche Interesse erführe
(wie es allerdings Sehleiermacher letztlich vorschwebte
). So zeigt Ebelings Enzyklopädie woniger das
vom „theologischen Bedürfnis" (S. 51) zu formierende
Wissensmaterial der Welt als die theologisch interessanten
Gesprächs- und Dialogpartner, die, ohne in echter Eigenständigkeit
sichtbar zu sein, keine wirklichen Partner
wären. Überhaupt spiegelt sich m. E. in dieser Sinnverschiebung
(vom Steinbruch zum Feld der Partnerschaften)
die besondere Situation heutiger theologischer Enzyklopädie
wider — eine Ausweitung ihres Horizontes sowie eine
Verschärfung der Frage nach dem besonderen Theologischen
und seiner Wahrheit im Dialog. In Ebelings Aufriß
kommt dieses letztere an der von ihm postulierten Fundamentaltheologie
zur Sprache. — Das Buch greift an einigen
Stellen durchaus aucli unmittelbar konkret in die inhaltliche
Problemlage der Disziplinen ein, besonders eindrucksvoll
an der Kirchengeschichte, auch in der Ethik schon
echte materiale Probleme vorhandelnd — während die
Praktische Theologie etwas theoretisch und die Dogmatik
da formal-prinzipiell anmutet, wo sio die Probleme von der
Geschichte und Diskussion des Wortsinnes von Dogmatik
und Dogma ableitet. Doch soll das Wichtignehmen von
Sprache, Philologie und Etymologie keinem protestantischen
Theologen zum Vorwurf gereichen.

Berlin Hans-Georg Fritzsehc

Iiiinilein. Klaus: Mündige schuldige Welt. Überlegungen
zum christlichen Verständnis von Schuld und Mündigkeit
im Gespräch mit I Tillich und K. Kahner. Göttingen: Van-
denhoeok & Ruprecht |1!)74|. 155 S. gr. 8° Forschungen
zur systematischen und ökumenischen Theologie, hrsg. v.
E. Schlink. 30. Kart. DM 28.—.

Zu diesem Buch wird derjenige gern greifen, der sieh
einen ersten Eindruck von den theologischen Fragen
Schuld-Sünde-Mündigkeit vor allein bei Tillich und Rahner
, aber auch bei Bonhoeffer, Camus und Bloch verschaffen
muß. Sie alle werden vom Vf. kritisch befragt. Für den
Leser entspringen daraus Anregungen zur Uberprüfung
vorgeschlagener Denkwege und zu eigener Auseinandersetzung
mit der Sachproblematik.

„Statt über Nuancen des Rechtfertigungsgeschehens
neue Unterscheidungriehren zu beleuchten, fragen wir nach
der Auslegung von Schuld gegenüber einer Mündigkeil, der
die Sache der Rechtfertigung vollends fremd geworden
scheint", erläutert Vf. den Standpunkt, der ihn bei der
Darlegung leitet.

Vf. setzt bei Bonhoeffers Gefängnisbriefenein und verhandelt
in dem vorgegebenen Kontext Mündigkeit als
Selbständigkeit, als Verantwortung und als „diesseitige
Ganzheit". Die Positionen von Camus und Bloch weiden
im Kabinen des Themas befragt als Ausdruck sieh nicht-
christlich verstehender Mündigkeit. Im Blick auf Camus
wird festgestellt, daß sich bei ihm Mündigkeit und Schuld
nicht ausschließen, letzten' vielmehr „von der präsenti-
schen Würde jedes Mensehen her" (33) verstanden wird.

An Tillichs Konzeption wird geprüft, ob die darin enthaltene
starke Betonung schicksalshafter Entfremdung die

Anerkenntnis von Schuld eigentlich noch zuläßt. Nachdenklich
stimmt der Hinweis des Vfs. auf Tillichs Warnung
aus dem Jahre 1930 an die Berneuchener Bewegung vor

der Gefahr, daß sie zum Asyl für diejenigen werden könne,

die Geborgenheil suchen, weil sie in der Autonomie nicht
mehr bestehen wollen (GW IX 60 f.). Nach fast, fünfzig
Jahren wäre darüber weit über den aktuellen Anlaß hinaus
in unseren Gemeinden und Ausbildungsstätten situationsgemäß
nachzudenken, sofern das nicht schon geschieht.

Bei Kahner hebt Vf. das „Fehlen des Gegenübers"
hervor, das er zu bemerken meint, da bei Rahner „Gott
immer ungegenständlicher Horizont des menschlichen
Tuns auch in seiner Gnade bleibt". So tritt der responso-
rische Charakter menschlicher Existenz zurück, der im
Anruf durch jene Liebe begründet ist . „vor der die Distanz
unserer Liebe immer gegenwärtig bleibt." (112).

Wichtig an dieser Arbeit, einer von E. Schlink betreuten
und für den Druck nur wenig veränderten Dissertation,
dürfte die Einbeziehung nicht nur christlicher Schuld
erkenntnis sein. Gerade im Zusammenhang damit entstehen
weitere Fragen und auch Klärungen, wie es sich
Vf. erhofft hatte (5). Das trifft auch dann noch zu, wenn
man die Akzente anders setzen möchte (■/.. B. 14!) f.). Vf.
bemüht sich jedenfalls in der gesainten Arbeit, als Theologe
das ja nun wirklich weite Feld nichtchristlichen Denkens
und Lebens im Blick aufsein Thema mitzubedenken.
Wenn ein christliches Verständnis von Mündigkeit nach
Abschluß der Untersuchung vom Vf. bereits weiter gefaßt
sein will (5), mag das an solcher fruchtbaren Auseinandersetzung
liegen. Niemand kann sich dadurch eigne Mühen
ersparen; denn das Thema ist ja nicht, wie andere zu beenden
, sondern muß dem homo naturalis stets neu benannt
werden.

Vf. hatte sieh mehrende ..grundsätzliche Ablehnung
und einfache Ratlosigkeit" (11) gegenüber dem Begriff
„Sünde" konstatiert. Das wird kaum jemand rundweg
bestreiten können, der gegenwärtige Christlichkeit kennt.
Darum ist jede ernsthafte Erinnerung an eine nicht wegzudiskutierende
und nicht zu verschweigende theologische
Problematik belangvoll. Der Berner Sozialet hiker Hans
Ruh hat im Oktober 1975 vor einem Forum europäischer
Kirchen unerwartet (und zum Widerspruch reizend) auf
die Virulenz dos Bösen und der Schuldverstrickung hingewiesen
. Sie zu übersehen, bedeute Koalif ätsverlust
Bümleins Buch und Ruhs Hinweis mahnen theologische
Theoretiker und Praktiker, um das Thema „Sünde" nicht
wie um den heißen Brei herumzugehen. Denn dadurch
nimmt sein Gewicht ja nicht ab. Vielmehr könnte es uns
Christen im Falle solchen verkehrten Verhaltens damit
ergehen wie mit jenem anderen Brei, nämlich dein süßen.

Berlin Jens Langer

1 II. H11I1. Dir Aufgaben det Kirchen und die Schlußakte der KHZK.
Problemstellung, VTttrdlgunK, Auftrat!. Itcfcrat vom 2S. 10. 1078 auf der
Konsultation dir Konferenz Europäischer Kirchen (KICK) „Die Konferenz
für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und die Kirchen Europas"
(27.—31. 10. 197» in Buckow/DDK), S. 71.

PSYCHOLOGIE UND
RELIGIONSPSYCHOLOGIE

Hammer, Felix: Selbsttötiing philosophisch gesehen. Düsseldorf
: Patmos-Verlag [1975]. '.»I S. 8 Patmos-Paperback.

Ringel, Erwin: Selbstmord Appell an die anderen. Eine Hilfestellung
für Gefährdete und ihre Umwelt. MOnohen: Kai or-

Mainz: Mut t lhns-tirünew tdd-Verlag |I!I74|. 06 S. kl. 8°

Beratungsreihe, hrsg. v. R. Riesa u. II. Stenger,.'!. DM 7.80.