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Ausgabe:

1977

Spalte:

114-115

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Henricus de Frimaria, Henrici de Frimaria O.S.A. tractatus ascetico-mystici 1977

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 2

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AtiiiuliiTnny zwischen „innerem Sprechen" und ,,'Qott-
ebenbildlichkeit" ohne Zwang. Es folgt ein wichtiger, mit
Texten aus den verschiedensten Werken belegter Abschnitt
über diu ethischen Implikationen dieses Sprachvcrständ-
nisses (S. 120— 12(>).

Dns fünfte Kapitel (S. 127—171) verfolgt das Problem
Von ..Sprechen und Denken" weiter und betrachte! zunächst
weiterhin, in Ausführungen über intellectus und
ratio, das Sprechen vom Denken her. In den folgenden
langen Untersuchungen ..sprachlogischer Erörterungen in
De gramniat ieo" (S. 130— 14(>) kehrt sich aber die Richtung
um. Hier gibt es nun einmal ZU einer bestimmten Schrift
Anselms zusammenhängende Überblicks- samt ausgewählter
Binzelinterpretation, leider mit manchen schwer

bis kaum verständlichen Partien (so schon vorher, S. 1281'..
zum Proslogion). Die Signifikationslchre dieser Schrift mit
den AhnUchkeitsvorstellungen anderer Schriften, besonders
des Monologion. in Beziehung zu bringen, scheint dem
Vf. nicht recht zu gelingen. Hesser geht es da mit „De
incarnatione Verbi", WO nun einmal Ähnliches und Verschiedenes
gegeneinander ausgewogen weiden (S. 140 bis
151). besonders in der Beurteilung der damaligen „Dialektiker
". Ks folgt dann wieder ein Sonderteil, der sich
auf einen bestimmten Text konzentriert, nämlich auf Prosl.
2— 4 samt Gaunilos Gegenschrift und Anselms Antwort
darauf (S. 151— 165). Wieder wechselt scharf Beobachtetes
(etwa in Vergleichen zwischen Anselm und Gaunilo) mit
dunklen Ausfuhrungen zu einigen der Schwierigsten Stellen
in dieser so viel besprochenen, aber noch so wenig geklärten
Diskussion. Nunmehr ist es höchste Zeit für die similitudo,
wieder- einmal als ..fundierendes Moment des Sprechens"
(S. 170) aufzutauchen. Dies geschieht in einem Abschnitt
über „Sprechen als Metapher des Denkens" (S. 165—171).

Was fehlt nun noch zu einem klaren Verständnis der
Methode Anselms? Vier verschiedene Beziehungen, die er
im Zeichen der similitudo sehe, hat ih r Vf. bei ihm gefunden
: 1. die der Kreatur, besonders der mens rationalis,
zu Gott (oder zum göttlichen Verbum; zum Unterschied,
vom Vf. nicht explizit gemacht, vgl. Monol. 37); 2. die dos
göttlichen Verbum, der zwe iten Person der Trinität, zur
ersten; 3. den „metaphorischen" Gebrauch des Sprechens
für das Denken; 4. die Beziehung des signilieans. besonders
des sprachlichen, zu seinem significatum. Der Vf. hat diese
verschiedenen Weisen der Ähnlichkeitsbeziehung möglichst
nahe zusammengerückt, in möglichst viele gegenseitige
Beziehungen gebracht. Dabei hat er Unterschiede der
Bedeutung, des Stellenwertes und des Gewichtes (innerhalb
des gesamten Denkens Anselms oder gröllerer Teilbereiche
), die zwischen den vier bestehen mögen, zu wenig
Untersucht und betont. Besonders offen bleibt, wie wesentlich
die von uns an vierter Stelle genannt«' Punktion der
Sprache mit den zentralen 0 od an Iren Anselms verknüpft
•st; für den Vf. ist sie „für den ganzen Erkenn!nisvorgang
• • ■ bestimmend" (S. 32). Außerhalb von Di- grainmatico
kommt die sprachliche Signifikat ionsbozichung neben De
«asu diaboli 10 U. 11 nur noch Do voritato 2.8. 9. 13 vor,
wo, sie dem Begriff der Wahrheit als rectitudo eingeordnet
yird, sowie Monol. 10, wo allein sie mit dem Begriff der
Ähnlichkeit in Verbindung gebrach! wird, dazu mit der
Sotthohen ratio (die hier aber nicht im Sinn der als Nr. 2
verzeichneten Ähnliehkeitsweise verstanden wird, vielmehr
"n Sinn der Ahnliehkeil, che das schöpferische Urbild mit
"'•inen Abbildern hat).

..Zum Abschluß der Überlegungen" (S. 179—182) heißt
•'s, als ob das ein bei Anselm häufig ausgedrückter Gedanke
wure; „Di,, significatio des sprachlichen Zeichens bestimmt
M'ch von der similitudo der ratio her" (S. 180). Das Merkwürdige
igt, daß im Monol.. WO von der ratio und ihren
Ahnlichkeitsbeziebungen so viel die Kode ist (indom sie
einerseits an ihrem göttlichen Urbild gemessen wird, andererseits
an der Sacho dio sie zur Erkenntnis bringt, in
beiden Hinsichten dem göttlichen Verbum Vergleichbar),
'° menschliche Sprache nur noch ausnahmsweise Beachtung
findet. Dieser Lage pal.lt sich der genannte Abschlußteil
(dem bezeichnenderweise ein Teil über „Schwerpunkte
der Problematik im Monologion", S. 172—178, mit Hinweis
auf eine ausführlichere Studie des Vfs. in Analecta Ansei
miana IV. vorausgeht) an. in dein etwa zu lesen steht,
„daß im Verbum die Einheil von Methode und Ontotogie
Gegenstand wird" (S. 180) und daß ..das Denken ... im
Denken Gottes letztlich sieh selbst ..entwirft, „insofern es
von der Sache gebunden ist" (S. 179). Hier zeigt sieh sehr
konzentriert, das Anliegen des Vfs.. den inneren Zügen der

„prägnanten Denkbewegung" (S. 182) gerecht zu werden,
der energischen und eigenständigen Weise („einsame
Größe", ebd.), mit der sieh sein Denken der Dialekt ik zwi-
sehen Eigentätigkeit und Eingeordnetbeit der Vernunft
stellt. Kohlen bergers mit Anselms Werk tief vertraute
Studi<' vermag es. zur Beschäftigung mit diesem Denker
als wirklichein Denker anzuregen, entscheidende, heute
durchaus nicht abzuschreibende Kragestellungen aufzuzeigen
und mit vielen Informationell und Interpretationen
Bereicherung und Vertiefung, wenn auch nicht immer
Führung zu schenken.

Basel Mai l in Anton Schmidt

1 Als Proprietät w ird ja nicht allein das der /.weilen Person, sondern »neli
das der ersten und dritten Person je Kiuene bezeichnet,

Zsmkeller, Adolar: Meiirit i de Primaria O.8.A. Traetatus Asee-
t ico-Myst ici. Tonius I complectens: Tractatum de adventu
verbi in inent cm t raet atum de adventu domini t raol attun de
incarnatione verbi. Wttrsburg: Augustinus-Verlag 1975.
XXXXII, Hil 8.8° Cassioiacum, hrsg. v. A. Kunselmann
u. A. Zumkeller, Supplementbd. VI. DM 127.—.

Bringt die Sammlung .Cassieiacum' Forschungen über
Augustinus und den Augurtinerorden, so bieten die Supplementbande
Texteditionen. A. Zumkeller o.S.A. ist nicht

nur Mitherausgeber, sondern auch stark mit eigenen Arbeiten
in beiden Reihen vortreten. Der vorliegende Band
ist die Edition dreier Schriften Heinrichs von Friomar d.
Älteren O.S.A. (t hochbetagt 1340 in Erfurt), dem der
Herausgeber einen spürbaren Einfluß auf das geistliche
Leben des deutschen Spätmittclalters zuschreibt. Freilich
fehlt es noch an eingehenden Untersuchungen über dieson
Mann. Die Einführung kann und will sie nicht ersetzen.

Für De adventu Verbi in meutern konnte der Herausgeber
fünf Handschriften heranziehen, von denen oino,
Erlangen, UB, Cod. ms. 277 (422), i. .1. 1309 entstand und
somit der Abfassungszeit sehr nahe kommt. De adventu
Domini ist nach zwei Handschriften des späten 14. und
di's 15. .Ihs.. De incarnatione Verbi nach fünf Handschriften

des I 5. .Ihs. ediert .

Da- eisten beulen Schrillen sind mystische Traktate,
und hier wirft die zeitliche und räumliche Nähe zu Ecke-
hart sofort die Krage nach dem Verhältnis beider auf (S. X).
In De adventu Verbi in mentem wird anhand des Engelsgrußes
au Maria (Lk I, 2(5—28) demonstriert, wie der
Gläubige Gott im Geiste empfangen kann, und was daraus
für geistliche Früchte erwachsen. Auch in Do adventu
Domini geht es um die geistliche Empfängnis Gottes in
der Seele, doch worden hier vor ullem Bilder der Brautliebe
aus dem Hohenlied herangezogen. Leitmotiv ist
Ct 5,1. Gab es in den boidon genannton mystischen
Schriften auch dogmatische Exkurse, so stellt De incarnatione
Verbi einen dogmatischen Traktat dar, angehängt
an .Job 8,0: .lesus beugte sich nieder — das meint seine
Erniedrigung — und schrieb auf dio Erde. Dio Angemessenheit
der Menschwerdung legi der Vf. in Anselms
Bahnen wandelnd dar. Das auf die Erde Geschriebene
wird auf die Inkarnation als Werk der Trinität gedeutet,
wobei Mariologisches einfließt. Den Leitmotiven der drei
Traktate gesellt sich jeweils eine Fülle weiterer Exegesen
zu. die jedoch allesamt keine wirkliehen Auslegungen sind
Viel mehr ent wickelt der Vf. seine inyst ischen und dogma*
t iscl ich AiiKcluiuuii^ru, indem er wie mit allegorischen und
etymologischen Deutungen durchsetzt.