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Ausgabe:

1977

Spalte:

98-100

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

L' Evangile selon Marc 1977

Rezensent:

Luz, Ulrich

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 2

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listen studiert werden. Aber die Fachkollegen des Vfs.
worden ihm gerade für seine große Sorgfalt dankbar sein,
denn in diesem Bereich hängt ja alles von Gründlichkeit,
Genauigkeit und Präzision ab.

Der Vf. rechnet mit vior Hauptgruppen von Handschriften
, die in vior besonderen Abschnitten behandelt
werden: die ältesten Handschriften mit ihrer speziellen
Texttradition, die westlichen Handschriften, die östlichon
Handschriften und die sogenannten masoretischen Handschriften
(d. h. Handschriften, die nur Auszüge aus dem
Text onthalton). Auf Grund sorgfältiger Vergleiche ist der
Vf. imstande, beachtenswerte Folgerungen bezüglich der
Abhängigkeitsverhältnisse der Textzeugen zu ziehen. Besonders
wichtig ist, daß er nachweisen kann, daß einige der
Handschriften direkt von anderen untersuchten Handschriften
abstammen und folglich als Zeugen wertlos sind.
Es wäre gut, wenn diese Ergebnisse in der Leiden-Ausgabe
beachtet worden könnten; in dem toxtkritischen Apparat
der bisher erschienenen Bändo dieser in anderer Hinsicht
so musterhaften Edition sind Handschriften aufgenommen
worden, dio einfach Abschriften von anderen Handschriften
in demselben Apparat sind und also hätten ausgeschaltet
worden müsson. Der Vf. selbst scheint der Ansicht
zu sein, daß wertloso Abschriften von anderen erhaltenen
Handschriften nur in einer editio minor eliminiert
werden dürfen (S. 106).

Interessant ist auch das Verhältnis zu den Ergebnissen
früherer Forschor auf diosem Gebiet. Der Vf. betont mit
Recht, daß man nicht ohne weiteres annehmen darf, daß
Beziehungen, dio zwischen bestimmton Handschriften in
oinigon Bibolbüchorn aufgezeigt werden können, auch für
andere Bücher gültig sind. So gehört z. B. eine Handschrift,
dio Diettrich für das Josajabuch und Emerton für dio Weisheit
Salomos eindeutig als Repräsentant einer bestimmten
Texttradition nachgewiesen haben, im Richterbuch zu
einer ganz anderen Handschriftcnfamilie. In anderen
Fällen werden frühere Beobachtungen jetzt auch für das
Riehterbuch bestätigt. Gewöhnlich pflogt man dio Pe-
schitta-Handschrifton in eine westliche und oino östliche
Texttradition zu teilen. In inoiner Untersuchung der syrischen
Übersetzung der Klagelieder (1903) konnte ich aber
feststellen, daß es wenigstens in diesem Bibolbuch nicht
möglich ist, oinen westlichen und einen östlichon Toxt-
typus zu unterscheiden, und Dirksen kommt jetzt zu dorn
Ergebnis, daß dies auch für das Richterbuch gilt: "A
westorn and oastom toxtual tradition distinet from oach
othor . . . do not exist" (S. 88).

Man fragt sich nun, warum die Handschriften donn in
dem Haupttoil des Buches gerade in "Tho Western Manu-
scripts" (S. 41 ff.) und "The Eastern Manuscripts" (S. 76ff.)
eingeteilt worden sind. Wäre es nicht besser, das Material
nach den aufzeigbaren Abhängigkeitsverhältnissen zu disponieren
und nicht nach einer herkömmlichen Einteilung,
deren Unzulänglichkeit dann nachgewiesen wird ?

Sonst gibt dio Darstellung wonig Anlaß zu Einwänden.
Möglicherweiso könnte man fragen, ob die Abweichungen
der Handschriften untereinander bei der Feststellung von
Abhängigkeiten nicht zu einseitig aus rein quantitativem
Gesichtspunkt betrachtet worden sind. Es genügt ja nicht
immer, die Abweichungen einfach zu zählen. Manchmal
ist es wichtig, den Typ der Sonderlesarton festzustellen:
aho Übereinstimmungen oder Verschiedenheiten haben
«rieht denselben Wert. Das weiß natürlich der Vf. (siehe
'■■ B. S. 33), aber man hat bisweilen den Eindruck, daß er
trotzdem oin wenig zu mechanisch nachzählt. Eine höhere
Ajlzahl von Sonderlesarton meint- nicht unbedingt einen
niedrigeren Grad von Zuverlässigkeit: wenn die Mehrzahl
der Handschriften einen Fehler gemeinsam hat, tritt ja
die richtige Losart als eine Abweichung von der Majorität
auf.

Doch pia desidoria kann ein Besprecher immer vorigen
. Sei es noch einmal gesagt, daß wir es hier mit einer
sehr sorgfältigen und nützlichen Untersuchung zu tun

haben, für welcho alle, die mit der alttestamentlichen
Toxtgeschichte arbeiten, dem Verfasser zu Dank verpflichtet
sind.

Abo (Finnland) Bortil Albrektson

NEUES TESTAMENT

Saldie, M.i L'EvMIgHc si'lon Hu«. Tradition et redaction.
Leuven: Leuven University Press; Gembloux: Duculot
[1974]. 594 S. gr. 8° = Bibliotheca Epheineridum Theologi-
carum Luvuniensium, XXXIV. bfr. 1100.—.

Der fast 600 Seiten starke Band enthält die Vorträge,
dio — meist französisch oder englisch — während der
Journees Bibliques in Löwen 1971 gehalten worden sind.
Nach den Vorträgen früherer Kolloquien, dio Lk und Mt
gewidmet waren, schließt dieser Band die Reihe der drei
Synoptiker ab.

Eine Reihe von Vorträgen befaßt sich mit literarkriti-
schen Problemen und der synoptischen Frage. W.
Hendriks (Zur Kollektionsgeschichto des Markusevangeliums
, S. 35—57) verficht aufgrund seiner Untersuchungen
über das Präsens historicum bei Markus eine Ur-
markushypothese in der Form, daß eine von Lk benutzte
Kollektion von Perikopen von den Redaktoren des Mk
und Mt durch zusätzliche Perikopen ergänzt wurde. Auch
wer diese These nicht übernehmen kann, wird von den
dotaillierten Angaben über den Gebrauch des Präsens
historicum in den Evangelien, der LXX und bei griechischen
Schriftstellern profitieren. M. Dovisch (La re-
lationentrc l'cvangilo de Marc et lo document Q, S. 59 — 91)
lehnt eine literarische Beziehung zwischen Mk und Q ab,
entfaltet aber vor allem umfänglich den Forschungsstand.

M. E. Bo is mard (1 ufluenoos mattheeimes sur l'ultime
redaction de l'evangile de Marc, S. 93—101), der in seinein
Synoptikerkommentar bei allen drei Evangelien mit zwei
KcdaktioiLsstufcn rechnet, versucht — bei Anerkennung
der Abhängigkeit von Mt (Endredaktion) von Mk (inter-
mediaire) anhand ausgewählter Perikopen und Motive
(Antithese gogen dio Pharisäer, Mk 11,25; 3,7 f; 1,2 f) den
Kinfluß des Mt auf die Endrodaktion des Mk nachzuweisen
. F. Neyrinck (Urmarkus redivivus ?, S. 103—145)
kritisiert aufgrund der Seminardiskussionen von Löwen
und dos Synoptikerkommentars von Boismard1 diese
These. J. Konings, der in seiner flämischen Dissertation'2
dio These der literarischen Abhängigkeit dos Job von allen
drei Synoptikern vertritt, vorsucht in seinein Aufsatz (The
Pre-Markan Sequence in Jn. VI: A Gritical Re-examina-
tion, S. 147—177) die These von einer vorredakt ionellen
Kateno oder einem vorredaktionollon Speisungszyklus
durch detaillierten Nachweis der Rodaktion der synopti-
schen Texte in .loh Ii. I 2 zu entkräften. I). L. Dungan
(Roactionary Trends in tho Gospel Producing Activity
of tho Early Ghurch: Marcion, Tatian, Mark. S. 179—202)
fragt aufgrund der Griosbach-Faiinerschen Synoptikor-
these nach dem Motiv der Komposition des ,.kleinen Mk
aufgrund von Lk und Mt. Ähnlich wie Marcion und Tatian
wählte der Evangelist unverfälschte, zuverlässige Traditionen
aus.

Mit der markinischen Theologie im ganzen befaßt
sich J. M. Robinson (The Litorary Compositum of Mark,
S. 11 —19). Er weist in einer interessanten kleinen Skizze
auf Parallelen zwischen Mk und Job hin: Beide sind durch
den Gegensatz zwischen verborgener und offener Lehre
geprägt (vgl. Mk 4,1 Off; 8,31f; 9,9f; Joh 16,25.29; 12,16).
Mk benutzt das im Hellenismus und im Gnostizismus verbreitete
Modell vom verborgenen Sinn, stellt es aber in
den Dienst seiner Passionstheologie. E. Best (Mark's
Preservation of tho Tradition, S. 21 — 34) weist nach, daß
das Verfahren des Evangelisten gegenüber seiner Tradition
konservativ ist. Aufgrund der Einsicht, daß Mk soviel wie