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Ausgabe:

1977

Spalte:

923-926

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Titel/Untertitel:

New religions 1977

Rezensent:

Krügel, Siegfried

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923

Theologisclie Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Xr. 12

!I24

wählende, aber trotzdem für eine erste Übersieht wichtige
Hinweise vermittelnde Bibliographie, differenziert
nach Sachgebieten: allgemein zum evangelisch/katholischen
Gespräch, speziell zu den einzelnen Gesprächskreisen
und den Ergebnissen ihrer Arbeit und schließlich
zur neueren katholischen Lutherforschung. Die so überaus
positiven Ergebnisse des katholischen Bemühens um eine
sachgerechte Erfassung der Biographie und besonders der
Theologie Martin Luthers seit den bahnbrechenden Arbei-
ten von J. Lortz (1939) führten ja vor allen kirchlichen
Initiativen zu einer gegenseitigen Annäherung der Theologen
und legten damit den Grund für alle modernen
interkonfessionellen Gespräche.

So kann diese Dokumentation wirklich nur allseitig
begrüßt werden. Rez. möchte hoffen, daß sie bald und
umfassend ihren Zweck erfüllt, und daß die folgenden
Bände, die das evangelisch/römisch-katholische Gespräch
in die weiteren Zusammenhänge stellen werden, die man
zu einer letzten Würdigung ihres Stellenwertes unbedingt
mit berücksichtigen muß. in nicht zu großen Abständen
folgen.

Schöneiche b. Berlin Hubert Kirchner

Biezais, Haralds (Ed.): New Religion*. Bascd dm paperx read at
the Symposium on New Religions hold at Abo on the lst-3rd of
September 1974. Stockholm: Almqvist & Wiksei] [1975]. 223S.
gr. 8° = Scripta Instituti Donneriani Aboensis VII.

Es handelt sich um lfi Referate, die anläßlich eines
religionswissenschaftlichen Symposiums in Abo überwiegend
von schwedischen Forschern gehalten worden
sind: Zur Problematik der neuen Religionen (Haralds
Biezais). The Problem of Millenarism in [ndia (Erik af
Edholm), Maoism - a New Religious Formation in the
People's Republic of China (Äke Haglund), Avatära and
§akti: Traditional Symbols in the Hindu Renaissance
(Eric Sharpe), Conditions for the Spread of the Peyote
Cult in North America (Äke Hultkrantz), What We Can
Learn from Non-Biblical Prophet Movements (Axel
Ljungdahl), Revivalist Movements and Religious Contracid
! ures in Finland (Julia Pentikäinen), Millenarism-An
Historien] Enigmä? (Ingemar Linden), Formative Factors
of the Maria Äkerblom Movement (Gustav Björkstrand),
Jehovah's Witnesses' Three Periods (Äke Ström). Chil-
dren of God in Bergen (Karin Kvideland), Tong-il. Some
Observations on a Central Problem in the Psychology of
Religion (Hjalmar Sunden), The Religious Message in
Action - a Case Study (Rene Gothöni, Kirsti Suolinna),
Soeiology of Religion and the Occult Revival (Lennart
Ejerfeldt), The New in 'he New Religious Movements
among Zulu and Swazi. Summary (Bengt Sundkler),
Deutsche Glaubensbewegung 1933-1936. Zusammenfassung
(Lennart Stähle).

Da es an dieser Stelle unmöglich ist, auf das in dem
Band ausgebreitete außerordentlich vielschichtige Material
insgesamt einzugehen - die Referate sind nach Quantität
und Qualität unterschiedlich, aber sämtlich aktuell
und anregend -, soll hier wenigstens der erste, aus der
Feder des Herausgebers stammende übergreifende und
auf das Prinzipielle gerichtete Beitrag vorgestellt werden.
Er verdeutlicht gleichermaßen das hochgesteckte - vom
Symposium nicht erreichte, aber doch jedenfalls in seiner
Wichtigkeit verdeutlichte - Ziel einer Systematisierung
der neuen religiösen Bewegungen und die mancherlei
Schwierigkeiten, denen ein solcher Versuch begegnet.

Biezais verwirft die einfache Zuordnung der neuen Religionen
zum christlichen Glauben im Sinne einer „praepa-
ratio evangelica" (9), aber auch die über Hendrik Kraemer
zu Karl Barth zurückreichende These, daß, gemessen an
der „völligen und gänzlichen Offenbarung Gottes durch
Jesus... andere religiöse Offenbarungen keine Bedeutung"
haben. „Dieser Standpunkt führt unweigerlich zu großen
und unüberwindlichen Schwierigkeiten"' (ebd.). Zustimmend
zitiert Vf. Ernst Benz: ,____die christliehe Theologie

ist geneigt, die neuen Religionen zu ignorieren, ja sogar
die Möglichkeit ihrer Entstehung zu bestreiten. Für sie ist
«las Christentum der Abschluß und die Erfüllung der
Religionsgeschichte; neue Religionen kann es nicht
geben... Inzwischen ist ihr Strom so gewaltig angewachsen
, daß man sie nicht mebr ignorieren kann..."' (9f.).

Vf. sieht aber deutlieh, daß mit dem Aufgeben einer
„indiskutablen dogmatischen Einstellung" (10) noch
längst nicht eine befriedigende Antwort auf die Frage
nach Wesen und Ursprung de)1 neuen Religionen gefunden
ist. „Einerseits werden hier Behauptungen aufgestellt,
daß die Entstehung neuer Religionen als Ausdruck eines
positiven, aktiven religiösen Lebens anzusehen sei. Insbesondere
wird das betont im Gegensalz zu Säkularisieriings-
tendenzen in Europa und den USA, einerlei, ob sie als
Folge steigenden Wohlstandes, einer rationalen Techno-
kratie oder auch als bewußte, ideologisch begründete
Bekämpfung der Religion zu erklären sind" (11). „Daneben
werden auch ganz entgegengesetzte Ansichten verkündet
, daß die Entstehung neuer religiöser Bewegungen
besonders in Kuropa, aber auch auranderen Kontinenten
einen Beweis für den Verfallsprozeß des religiösen Bcw ul.lt
seins darstelle. Die Berufung der Gründer solcher Religionen
auf neue göttliche Offenbarungen, die sie empfangen
haben wollen, wird als Ausdruck teuflischer Betrügereien
angesehen, und die Begründer dieser Religionen
werden als .Satans fünfte Kolonne' bezeichnet"" (ebd.).

Für nicht angängig hält Vf.. den Schwierigkeiten durch
prinzipiellen Verzicht auf Deutung und Wertung entgehen
zu wollen und es bei einer geographischen Einteilung
und rein deskriptiven Darstellung der neuen Religionen
bewenden zu lassen. Kr halt daran lest, daß ,,eine
Theorie die Grundlage einer Erklärung bilden müsse'"
(22). Nach seiner Meinung bieten sich hierfür vor allem
die soziologisch-historische Theorie (Lanternaii) und die
Situationstheorie (Jarvie) an, doch glaubt er nicht, ..daß
es möglich ist. sich definitiv für eine dieser beiden so profiliert
geäußerten Theorien zu entscheiden. Besonders
schwer ist das deswegen, weil die traditionellen Religionshistoriker
an die Methoden der Geschichtsforschung gebunden
sind. Eine Umstellung... auf die theoretisch-
methodischen Untersuchungen der Sozialanthropologen
ist schw ierig. Ks w ird jedoch der Religionsgeschichte...
nichts anderes übrig bleiben, wenn sie ihre Berechtigung
als legitime Wissenschaft behalten will. Sie wird gezwungen
sein, in ihrer methodischen Arbeit die Forderungen
der Wissenschaf'tstheoric zu berücksichtigen. Das könnte
dann wiederum einen Einfluß auf das rieht igere Verständnis
der neuen Religionen haben"' (ebd.).

Wird hier schon deutlich, daß die Sympathie des Vfs.
- übrigens in Übereinstimmung mit der Mehrzahl der in
diesem Band vertretenen Autoren im Grunde einer
soziologischen Betrachtungsweise gilt, so zeigt sieh dies
vollends an der Zustimmung zu dem Klassifizierungsversuch
des Franzosen Desroche, „weil diese Bewegungen
hier unter einem rein soziologischen Gesichtspunkt betrachtet
werden" (25). Desroche nimmt die neuen Religionen
mit Revolutionen und ideologischen Bewegungen
zusammen: ..Alle diese Bewegungen haben eine gemeinsame
Grundlage und gleiche Entwicklungsphasen: ,le
temps de l'oppression', ,le temps de la resistence', ,le temps
de la liberation'" (25f.). Vf. sieht darin ein Schema, „das
hilft, mit Ullicns Worten, sich auf dem weiten Felde der
religiösen, quasi-religiösen, pseudo-religiösen und anderer
Bewegungen und über die von ihnen hervorgerufenen
Konfliktsituationen zu orientieren" (27).

Die bis zu Anfang der siebziger Jahre festzustellende
Überschätzung der Soziologie und ihrer wissenschafts-
theoretisehen Postulate, die in den letzten Jahren bereits
weitgehend zurückgenommen worden ist, klingt also beim
Vf. noch an. wiegt aber insofern nicht schwer, als die
eigentliche Bedeutung seiner Studie wie des gesamten