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Ausgabe:

1977

Spalte:

915-917

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Scheffczyk, Leo

Titel/Untertitel:

Auferstehung 1977

Rezensent:

Asendorf, Ulrich

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Theologische Literaturzeitung I<)2. Jahrgang 1977 Nr. 12

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dar. Nicht ganz ersichtlich ist allerdings, was der VI', nun
eigentlich unter einer „humanistisch orientierten"' Aufklärung
verstanden wissen will. Dieser Begriff hätte der
Erläuterung bedurft, und zwar um so mehr, als Günther
gelegentlich zu Radikalismen neigt. Stimmt es wirklich,
daß die Vernunft, auf sich gestellt, „in Verzweiflung oder
im Totalitarismus enden" muß (S. 238)? Natürlich soll
sich der Theologe an die „Personalität des lutherischen
,pro me'" und nicht an das cartesianische cogito halten,
aber daß nur der Glaube „das denkende Ich an seinen Ort
rückt" und ihn „frei zu kritischem und realistischem
Denken" macht (ebd.), kann u. E. lediglich innertheolo-
gische, nicht jedoch absolute Geltung beanspruchen.

Das aber müßte u. E. unmißverständlich zum Ausdruck
kommen, damit nicht der falsche Kindruck entsteht, als
würde die berechtigte Abwehr pseudotheologischer Positionen
Hand in Hand mit einer theologischen Bevormundung
der Erforschung objektiver innerweltlioher Zusammenhänge
gehen.

Potsdam-Babelsberg Ilse liertinet.ti

Soheffcasyk, Leo: Auferstehung. Prinzip des christlichen (Jaunens.
Einsiedeln: Johannes Verlag [1976]. 303 S. 8° = Sammlung
Horizonte, X. F. 9.

In drei großen Abschnitten über die bleibende und
aktuelle Bedeutung der Krage nach der Auferstehung,
über den biblischen Grund im Lichte des systematischen
Denkens und über die Auferstehung als Erklärungsprinzip
des christlichen Glaubens versucht der Münchner katholische
Systematiker die Auferstehung als „Kern- und
Wurzelwahrheit des Christentums"' (16) und als dessen
„Urereignis" (17) neu zu bestimmen, und zwar in kritischer
Reflexion besonders der existent ialtheologischen
Hermeneutik. Darüber hinaus wird ein allgemeines Defizit
der bisherigen Auferstehungstheologie festgestellt, wenn
das .Mittelalter vor allem metaphysisch-spekulativ argumentiert
(47) und Thomas beispielsweise in seinem Hauptwerk
der Auferstehung nur vier quaestiones widmet (48).
In der neueren katholischen Theologie wird das Oster-
ereignis weithin in den Bereich der Apologetik und der
Fundamentaltheologie verwiesen. Für die evangelische
Theologie (Sehleiermacher. Ritschi. Hirsch) gilt gleichfalls
eine starke Reduktion (55ff.). auch wenn der Einspruch
der ..positiven Theologie" (Frank, Ihmels. Barth.
Brunner, Gogarten) zu beachten ist (58ff.). Somit kann
der Vf. das ..faktische Zurücktreten der Auferstehungslehre
in der traditionellen Dogmatik" feststellen (41)). Die
Existentialtheologie versucht nun unter Einbeziehung
der historisch-kritischen Methode, die teilweise unkritisch
überzogen w ird (so bei Marxsen 1.19, 281), eine neue Begründung
der Ostertheologie mit der Frage, ob das Ereignis
der Auferstehung ..in der äußeren Wirklichkeit der
Welt und der Geschichte ausgemacht und vorfindlich
erwiesen werden kann oder ob es sich nur als geschichtlich
unausweisbares gläubiges Bewußtseinsgeschehen halten
läßt, was im Grunde die existentiale Position ist" (27).
Bei W. Marxsen werden besonders die Begriffe „Inter-
pretament" und „Widerfahriiis" (108ff.) kritisiert sowie
die Rede vom Weitergehen der ..Sache Jesu", wonach an
die Stelle des Auferstehungsglaubens der Glaube an die
„Bedeutsamkeit des historischen Jesus" getreten ist (110).
Da das Widerfahrnis des Sehens nicht mit der Auferstehung
selbst identisch ist, führt dieses erst „in einem
Schlußverfahren zur Annahme einer Auferstehung" (149).
Nach der Meinung des Vfs. aber braucht „ein biblisches
Verfahren, das die Erscheinungen realistisch und objektiv
interpretiert", die Auferstehung „nicht noch eigens zu
beweisen" (151). Auch zeigen Celsus und Porphyrius und
der wahrscheinlich der valentininianischen Gnosis zuzurechnende
Brief an Rheginus von Nag Hammadi, daß die
abstrakten Interpretationsschemata eines modernen Denkens
im Hinblick auf die Auferstehung keineswegs neu
sind (42ff.). Bei E. Fuchs und H. Zahrnt (67ff.) schließlich
wird die Bedeutung der Auferstehung auf eine „zwischenmenschlich
-personale Haltung festgelegt", wobei fraglich
ist. ob dann noch sinnvollerweise von Auferstehung geredet
werden kann (71).

Im weiteren Verlauf der Untersuchung behandelt der
Vf. verschiedenartige Versuche zur Uberwindung des
theologischen Existentialismus, weist allerdings bei W.
Pannenberg auf die Gefahr einer „Naturalisierung des
Osterereignisses" hin (161). In anderer Weise gilt das auch
von Teilhard de Chardin (241) und dessen optimistischer,
evolutionärer Weltdeutung (250). Ihr kommt das Verdienst
zu, etwa gegen Bult mann, den „welthaft-kos-
mische(n) Bezug" der Auferstehung wiedergewonnen,
dessen kritische Argumentation mit einem modernen
Weltbild ad absurdum geführt und indirekt die „Spiri-
tualisierung und Idealisierung der gesamten christlichen
Botschaft" in der Existentialtbeologie» sichtbar gemacht
zu haben (242).

Kritisier! w ird ferner J. Moltmann in der Reduktion
der' Auferstehung auf Verheißung (222), und zwar als ein
Stehenbleiben auf dem „alttestamentlichen Standpunkt"
(286). 10s kommt daher zu ähnlichen Aporien wie in der
Existentialtheologie, wenn an die Stelle des ,.an den Glauben
glauben" ein „auf die Hoffnung hoffen" tritt (224).
Daher wird auch die Auseinandersetzung mit E. Bloch als
„lahm und schwunglos" (287) bezeichnet. In einer ..ätherisch
versehwebenden Sprache" fällt so die Auferste-
hungst heologie letztlich in eine Kreuzest heolome zurück
(223f.). Eine Auferstehungstheologie, die nur als Wort der
Verheißung existiert, muß so „aus dem Auferstehiingsglau-
ben eine vage menschliche Hoffnung und einen anmaßenden
menschlichen Kraftakt machen" (250). Ahnliches gilt
von D. Solle, die die „postmortale Existenz" des .Menschen
bestreitet und diesen lediglieh in eine offene Geschichte
verweist (285).

Im zweiten Teil der Untersuchung werden die Osterberichte
der Synoptiker und das Osterkerygma des Paulus
behandelt (77-168), wobei der Historiker grundsätzlich
nicht über den „Realgehalt", beispielsweise der Engelerscheinungen
, entscheiden kann (116). Näher untersucht
werden die Erscheinungen und das leere Grab (116-128).
Der Vf. stellt einen „unauflösbaren Realitätskern" fest,
so daß eine Reduktion auf „rein ideelle Interpretamente"
für den Glauben der Zeugen an die Sache Jesu letztlich
auf die ..Behauptung von Phant asieschöplüngen durch
die Jünger'" hinausläuft (145). Im einzelnen w ird auf die
sachliche Bedeutung des Einspruchs von W. Künneth
gegen die Existentialtheologie hingewiesen (65ff.), der in
seinem Gewicht in der evangelischen Theologie durchgehend
nicht zur Kenntnis genommen wurde.

Insgesamt gelingt es dem Vf., unerledigte Sachprobleme
in der evangelischen Auferstehungstheologie nachzuweisen
und bewußt zu machen, ganz abgesehen von der hervorragenden
, systematisch-geschlossenen Einführung in
die Vielschichtigkeit des Themas. Die katholische Theologie
, wieder im besten Sinne als ökumenische Theologie
verstanden, füllt hier eine Lücke aus, wobei an parallele
Äußerungen von K Prümm, K.. Lehmann und aus der
Schule von R. Sehnackenburg erinnert sei. Eine Generalrevision
auf evangelischer Seite ist fällig.

Angemerkt sei noch, daß die reformatorische Position,
von Luther her gesehen, an einigen Stellen verzeichnet
ist, wenn diese im Sinne eines christologischen Verbalis-
mus interpretiert wird (208) oder wenn parallel dazu der
sakramentale Realismus einer verbalistischen Verflüchtigung
anheimfällt (262). Auch konnte die Forschung längst
zeigen, welches Gewicht die Auferstehungstheologie bei
Luther hat. so daß die Vorstellung einer angeblieh einseitig
überzogenen Kreuzestheologie im reformatorischen
Denken, entgegen der .Meinung des Vfs.. jedenfalls bei