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Ausgabe:

1977

Spalte:

903-904

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Papsttum heute und morgen 1977

Rezensent:

Gassmann, Günther

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Seite 1

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903

Theologische Literaturzeitnng 102. Jahrgang 1977 Nr. 12

904

KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE

Denzler, Georg [Hrsg.]: Papsttum heute und morgen. 57 Antworten
auf eine Umfrage. Regensburg: Pustet [19751. 224 S. 8°. Kart.
DM 17,80.

Verständnis, Stellung und Praxis des Papsttums sind
längst nicht mehr ein nur innerkatholisches Problem oder
Gegenstand kontrovers-theologischer Überlegungen und
Auseinandersetzungen. Durch die Massenmedien ist
das Papsttum wie nie zuvor in das Blickfeld der breiten
Öffentlichkeit gerückt. Durch das Zweite Vatikanische
Konzil und die mit ihm inaugurierten Veränderungen
innerhalb der Römisch-katholischen Kirche und die damit
wiederum verbundenen Spannungen und Auseinandersetzungen
ist dem Papsttum eine neue Bedeutung zugewachsen
, die auch die nicht-römischen Kirchen nichl
gleichgültig lassen kann. Schließlich, und das hängt
zweifellos mit dem soeben Gesagten zusammen, wird das
Papstamt zunehmend als Thema in die verschiedenen
offiziellen und nichtoffiziellen interkonfessionellen Gespräche
aufgenommen. Auf dem Hintergrund und im
Rahmen dieser Entwicklung ist auch der von Georg Denzler
herausgegebene Band zu sehen und einzuordnen.

Denzler hat einer größeren Zahl von deutschsprachigen
Theologen, Publizisten, Politikein, Historikern, usw.
- Katholiken und Nichtkatholiken - zwei Fragen gestellt:
1. „Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Stellung des
Papsttums in Kirche und Gesellschaft ?'" 2. „Wie sollte
sich das Papsttum in der nächsten Zukunft nach innen
und außen darstellen?" Auf zumeist drei bis vier Seiten
haben 57 Persönlichkeiten diese beiden Fragen zu beantworten
versucht. Daß unter den katholischen Autoren
die „progressivere" Richtung vorherrscht, mag nicht nur
auf eine Vorentscheidung bei der Auswahl zurückzuführen
sein, sondern auch auf die Tatsache, daß längst
nichl alle Befragten. z. B. die 14 eingeladenen katholischen
Bischöfe, mit einem Text reagiert haben. Unter den
Verfassern befinden sieh, um nur einige wenige Namen zu
nennen, Hans Urs von Balthasar, Oscar Cullmann, Bernhard
Höring, Friedrich Heer, Eberhard Junge], Walther
von Loewenich, Otto Hermann Pesch, Edmund Schlink.
Kurt Stalder und Heibert Vorgrimler.

Fast alle Beiträge dieses Bandes bewegen sieh zw ischen
den beiden Polen, die durch die wenigen Ausnahmen
markiert werden. Der eine extreme Pol wird durch Karlheinz
Deschner und Hubertus Mynarek repräsentiert,
deren Antwort sich auf Ablehnung und Abschaffung des
Papsttums reduzieren läßt. Am anderen Ende der Skala
steht der Kirchenrechtler Georg May, der mit vielen
„muß"-Sätzen die Wiederherstellung verlorengegangener
Autorität des Papstes fordert und damit ein Bild zeichnet,
gegen das sich die übrigen vierundfünfzig Autoren des
Bandes gerade wenden. Diese wiederum sind sich in der
kritischen Beurteilung und in der Forderung nach Erneuerung
einig. Dabei treffen wir natürlich auf eines große
Variationsbreite sowohl in der Schärfe und Tiefe der
Kritik an Vergangenheit und Gegenwart des Papsttums
als auch in den Vorstellungen im Blick auf dessen Veränderung
und Erneuerung. Letzteres, Avas wohl gerade
auch im ökumenischen Kontext den Leser am stärksten
interessieren dürfte, reicht von Vorschlägen zur Veränderung
im Stil der Amtsführung des Papstes (z. B. stärker
pastoral und kollegial und weniger autoritär) über Forderungen
nach Modifizierungen in der institutionellen
Struktur (z. B. Dezentralisierung, Abbau der Machtfunktionen
der Kurie) bis hin zu grundlegenden theologischen
Reformvorschlägen (z. B. Aufgeben der biblischen
Rechtfertigungsversuche für das Papsttum, der
Erhöhung des Papsttums durch eine besondere metaphysische
Weihe, des Anspruches auf Unfehlbarkeit).
Diese Vorschläge können aber auch in einem einzigen
Beitrag miteinander verbunden werden. Auf diesem

Hintergrund der Kritik zeichnet sich das Bildeines Papsttums
ab, das durch pastorale oder charismatische Autorität
gekennzeichnet ist, der Freiheit innerhalb einer vielgestaltigen
Weltkirche wie auch im Blick auf theologisches
Fragen Raum gibt, sich in Fragen der heutigen Welt auf
seine geistliche Autorität und nicht auf politische und
diplomatische Kanäle des Vatikans stützt, das ganz und
gar ein dienendes Amt ist und als solches auch einer zukünftigen
umfassenderen Gemeinschaft der Kirchen als
Zeichen, Symbol oder Zentrum ihrer Einheit dienen
könnte. Diese Gedanken kehren, natürlich mit unterschiedlichen
Nuancen und Entfaltungen versehen, immer
wieder. Die dadurch unvermeidlichen Wiederholungen
sind ein Zeichen für Konvergenzen im Denken über die
Zukunft des Papsttums, die beachtenswert sind. Nicht
weniger bemerkenswert und bedeutsam ist. daß die nichtkatholischen
Autoren ihre Antworten ebenfalls ganz auf
der angedeuteten Linie einer Erneuerung des Papsttums
im ökumenischen Horizont formuliert haben.

Das von Denzler herausgegebene Buch ist kein streng
W issenschaft lieber Beitrag zur Frage des Papsttums und
will es auch nicht sein. Fs hat Zeugnischarakter, indem es
mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Stimmen ein
weitreichendes und leidenschaftliches Verlangen nach
einer Erneuerung des Papstamtes bezeugt. Daß dieses
Verlangen von vielen katholischen und nichtkatholischen
Christen geteilt wird, ist Ausdruck einer neuen kirchen-
geSchicht liehen Situation.

Hannover GünOii'r üiittin.mn

Plate, Manfred: Das deutsche Konzil. Die Würzburger Synode.

Bericht und Deutung. 2. Aufl. Freiburg Base] Wien: Herder
[1975]. 272 8., 16 Taf. 8°.

Die oachkonziliaren Synoden bilden eine der bemerkenswertesten
Erscheinungen des modernen Katholizismus
. Die Linie, die mit. dem Niederländischen Pastoralkonzil
begann, fand in einer Reihe von Ländern eine
schnelle Fortsetzung und führte zu Ergebnissen, die die
katholische Kirche in den jeweiligen Ländern deutlich
prägen und nicht zuletzt dazu beitragen, daß die theologischen
Ergebnisse des [I. Vatikanischen Konzils nunmehr
auch und verstärkt, auf dem past oralen Sektor rezipier
! werden. Denn darum ging es durchweg auf allen
diesen Synoden: die Impulse des II. Vatikanischen Konzils
aufzunehmen, sie in Anwendung auf den spezifischen
ortskirchlichen Bereich zu konkretisieren und so zur Verwirklichung
zuführen. Damit treten diese Synoden aber
zugleich auch aus dem Rahmen nur lokaler, ortskirchlicher
Bedeutung heraus. Denn jeder ihrer Schritte kann
zu einem Modell werden und zur Herausforderung für den
Weg der Kirche auch anderenorts. Vor allem aber sind sie
eine Probe darauf, ob und wie weit die Beschlüsse des
II. Vatikanischen Konzils die Arbeit der römisch-katholischen
Kirche neu zu orientieren und mit entsprechenden
Impulsen zu versehen imstande sind.

Das vorliegende Buch ist der zusammenfassende Report
über eine der bedeutendsten dieser nachkonziliarcn
Synoden, die Gemeinsame Synode der Bistümer in der
Bundesrepublik Deutschland. In fünfjähriger Arbeit
(nach etwa zweijähriger Vorbereitungszeit), von Januar
L!)71 bis November 1976, erarbeitete sie in acht Vollversammlungen
insgesamt 18 Dokumente. Sie bewältigte
damit wohl das größte Programm aller bisherigen derartigen
Synoden und kann schon von da her des besonderen
Interesses über die Grenzen der katholischen Kirche in
der BRD gew iß sein.

Dem Atitor. Chefredakteur von „Christ in der Gegenwart
", der u. a. auch schon über das Zweite Vatikanische
Konzil einen ähnlichen Bericht vorgelegt hatte, ist zu
bescheinigen, daß er dieses Interesse sehr wohl zu befrie-