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Ausgabe:

1977

Spalte:

901-902

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Die Preußensynode zu Dahlem 1977

Rezensent:

Meier, Kurt

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 12

902

Niemöller, Wilhelm [Hrsg.]: Die Preußensynode zu Dahlem. Die des Polizeiapparates" rechtzeitig vor dem 17. März 1935
zweite 'Bekenntnissynode der Evangelischen Kirche der alt- ermutigt. Ein Brief, den Gisevius im Dezember 1971 an
preußischen Union. Geschichte - Dokumente - Berichte. Göttin- den Herausgeber gerichtet hat (S. XX Ulf.), betont, daß das
gen: Vandenhoeck & Ruprecht 1975. XXV, 248 S. gr. 8 = polizeiliche Vorgehen, dem auf Grund erhoffter umfassen-
Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes, hrsg. v. H. Bru- der demonstrativer kirchlicher Protestschritte regime-
notte u. E. Wolft, 29. Kart. DM 44,-. störender Charakter zugedacht war. von Hitler selbst
Inden mit vorliegendem Band29 ihren Abschluß „nachweislich noch am Sonntag" (17. März) aus staatsfindenden
Arbeiten zur Geschichte des Kkchenkampfes", utilitären Gründen abgeblasen wurde, so daß durch die
die durch "die Reihe Arbeiten zur kirchlichen Zeitge- schnelle Freilassung noch inhaftierter Geistlicher, beschichte
" abgelöst werden sind auch die vier Bekenntnis- kenntniskirchlicherseits als Entlastung empfanden, der
svnoden der DEK (Barmen, Dahlem, Augsburg, Oeyn- bei Gisevius dominierende widerstandsfanktionale Aspekt
haus,,,, sowie drei der zwölf altpreußischen BK-Synoden der Sache nicht voll zum Ziele kam Gisevius, der auch
(Steglitz, Halle, preuß. Dahlem) dokumentiert worden. Mit Martin N.emoller am 20 Marz 193o besuchte, wollte ihn
Ausnahme von Barmen (DEK) und Halle (2. Tagung der (so der Herausgeber) „offenbar.. . anflehen, diese Stunde
4. altpreuß. BK-Svnode), deren Verhandlungen Gerhard des Widerstandes nicht ungenutzt vorübergehen zu
Niemöller herausbrachte, stammen die übrigen Editionen lassen und eine Situation herbeizufuhren die klare Ver-
von Wilhelm Niemöller, dessen Verdienst es auch ist, die hältn.sse zwischen der Rejclisreg.erung und der Bekennen-
St.nofrramme aller dieser Bekenntnissynoden nach Kriegs- den Kirche hatte schaffen können (S. XXIII). Daß du.
ende aufgefunden, sichergestellt und schließlich der For- Kanzelabkuncbgung dann doch am 24. Marz mit einer
schung zugänglich gemacht zu haben. Die stenographischen vom Bruderrat beschlossenen Einleitung herausging daß
Protokollefsind vom Synodalprotokollanten Dr. Karl Bode dies Wort sich lediglich gegen die „neuheidn.sehe Reh-
Anfang der fünfziger Jahre in den Klartext übertragen gion wende und vor der für Volk und Staat dadurch
worden. Im Rahmen der Verhandlungen der zweiten alt- drohenden Gefahr warnen wolle, war keineswegs bloß
preußischen BK-SVnode, die am 4. und 5. März 1935 in taktisches Kalkül sondern hatte substantiellen HinterDahlem
tagte finden sich auch drei Synodalvorträge, die grund in Synodalreferaten und Synodaldebatten sowie
1935 bereits im Druckheft der Synode publiziert wurden, abgedruckten zeitgenossischen.Stellungnahmen von BK-
Ks handelt sich um Heinrich Vogel: Wort- Gottes oder Seite vgl. S. 18, 33f 48 71f., 79 154, 177 u o.). on
Mvthus- Hermann Ehlers: Zerstörung und Neubau der radikal bniderrathcher Seite Schlesiens hieß es am
Kirche- Horst Holstein referierte über die kirchliche 18. Marz 1935 in einem Schreiben an den Reichsinnen-
Rechtsentwicklung der Jahre 1933 bis 1935 (Notrechts- minister, das die Voraussetzung, als richte sich das Neufragen
etc.). Neben den Beschlüssen dieser Synode die he.denwort gegen den Staat, zurückwies: Dagegen
wie die Beschlüsse aller übrigen altpreußischen BK-Syno- spricht die Entstehung dieser Botschaft Auf dieser
den schon bei Wilhelm Niesei (Um Verkündigung und Synode ist kein Wort gegen Staat und Partei gesagt,
Ordnung Bielefeld 1949) abgedruckt sind, kommt den sondern die Treue zum Dritten Reich deutlich betont

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^ s | i K und W ider von grundsätzlicher Zu- genossen, darunter alte Pg.s, waren, sei nur nebenbei

lebend^ ^ÄÄ«fhLJ in Alt- öffentliche«8 Lebens und damit auch des kirchliche«

grenße8im Früher ^S^^S^^T^^X

u TC S Ä „ 6) üfr geschichtliche Kontext des Staatliche« hinzuweisen. Der Staat wurde theologisch

wird eh die Anleitung des Herausgebers verdeutlicht, auf seinen gottgegebenen Auftrag (chaosverhütende und

der in betont dahlemitiscTxer Beurteüungssicht u. a. auc h genH.nschaftsermöglielie.ide Funktion) und damit auf

die Bildung der I Vorläufigen Kirchenleitung am 22. No- seine Grenze verwiesen, deren totahtare berschreitung

vemlw»r imi ,1« Außerkraftsetzung der Dahlemer Not- die staatliche Autorität seihst untergrabe Ideologisierung

Ä vÄÄer f.934 ansieht (S. XII) im Sinne der völkische. Religiosität,. Es galt in der Ver-

und durch drei Dutzend (teiS^™*ffi! tlÄÄ

Ät^S—Lht. große Bedeutung zukam (vgl. Referat t Vogels. S 68ff.

e imiueuci o^uuu Dnhlein an u. o.) - die weltanschauliche Überfremdung durch den

Das antitotalitäre Wort ^er BK-Synode in Dahl«« an &n dm >ewige Deutschland« Jle auch die

die Gemeinden, gegen die aufsteigende -neue ^ Mvthusgläubigkeit Rosenbergscher Färbung in allen
Religion" gerichtet, gab dieser Synodaltagimg einen auc^ ^ jfa^gfc^ und kuituTpoijtjschen Implikationen
staatspolitisch relevanten Stellenwert, da die angkritisch aufzuweisen und dem antikirchlichen Trend der
Verlesung dieses „Neuhe. den Wortes maenw ^ weltanschaulichen Distanzierungskräfte im NS-Regime
gottesdiensten am 17. März 1935 (.Sonntag nemm • zu begegnen. Radikal abgelehnt wurde jedwede Verab-
Heldengedenktag) zentral gesteuerte P°',zell'c'£|' solutierung irdischer Größen und schöpfungsmäßiger
maßnahmen provozierte, die zur ein- bzw. meu g s Gegebenheiten (wie „Volkstum", „nationale Ehre", „ras-
Inschutzhaftnahme von etwa 715 altpreuDi.cn ' gische Unterschiede"), die als solche im Sinne „natürlich
,.., führten (vornehmlich m den P1™»1*0™ ^Vauf lieber und geschichtlicher Bindungen" selbstverständlich
vinze«: in Westfalen hatte BR-Fra^sivoc i auch ^ Bekennenden Kirche ausdrücklich aner-
»eine Verhandlungen mit dem ReictonnenminiBw^ kannt wurden (S. 71f.). Aufbereitung kirchlichen Materials
am 21. März 1935 die Abkünd.gung zunacnsi zuru^^ wie deg hier vol.liegenden kann etwas von dem wirkiichen
stellt). Tags darauf war auch /-»n«esD1^ T , • Frick Geschehen des bekenntnissynodalen Weges aufleuchten
zusammen mit OKR Breit und Frol. v. ooue ^ auch ^ Ponjch hinaus zeitvorstellig
geworden (S. 52) Dokumente au«dem au. geschichtliches Interesse beanspruchen. Korrigendum:
^gen Amt (S. 42f.) zeigen. °»ß ^ ^ ^ g ^ nten ^ Lau (Groitz«h) ^
unerwünscht war: Hans-Bernd G w"«^» na Butt- delt es sich nicht um Lic. Franz Lau, sondern um dessen
Im Innenministerium hatte Ministen»'« . h Bruder 0tto Lau (Reg., S. 250).
mann unschlüssig wie in diesem Falle lessortpoim. v ° '
Hehtig zü , s,' i. zur kurzfristigen „Mobilisierung t»ft