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Ausgabe:

1977

Spalte:

873-875

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Synkretismus im syrisch-persischen Kulturgebiet 1977

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 12

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der Problematik des Geschichtsunterrichts heute zuge- darf (S. 35), um nicht (wie bisher) Parallelisierung oder
wandt. An Hand des genannten Bilderbogens wird dafür bloße Filiation religiöser Motive zu liefern,
plädiert, das Bild generell im Unterricht nicht nur als Colpes Expose bildete den Auftakt eines vielgestaltigen
Illustration, sondern als „Quelle neuer Erkenntnis" und Programms. Geo Widengren (Uppsala), der den Synkre-
als „Mittel der Problemstellung" zu nutzen (S.461). Die tismus in der syrischen Christenheit behandelte (S. 38-64),
historische Bildkunde (S.474) müsse überhaupt in der Ge- entwickelte von Einzelmotiven aus die von ihm seit lan-
schiehtswissenschaft einen neuen Rang erhalten. - K.H. gern verfochtene Sicht einer mesopotamisehen Kompo-
Nchäfer stellt tabellarisch eine umfängliche Befragung von nente. Paradies und Brautkammer. Lebensbrot und
bundesrepublikanischen Schülern der 12. Klasse zur Ein- Lebensbaum, Taufterminologie und eucharistische Opfer-
sehät/.ung des Geschichtsunterrichts vor. Die Auswertung spräche werden von den syrischen Liturgien bis in die
ergibt, daß die Schüler die „handlungsoricntierende Funk- Tammuzreligion zurückverfolgt. Daß hier die Mittelglieder
tion des Geschichtsunterrichts" (S.540) kaum wahrnch- oft schwer zu fassen sind, ist W. selbst durchaus bewußt,
inen. Sie erleben diese im Unterricht auch wold zu wenig. Aber sollte bei der Brautkammer nicht auf Ps 45 und
Ks müsse viel dazu getan werden, daß das ..dun haus vor- seine christliche Rezeption verwiesen und für den Lebens-
liandene Interesse an der Geschichte . . . wieder mit Int er- bäum die Adam-Christus-Parallele stärker in Ansatz ge-
«•sse am Geschiehtsunterricht" zusammentreffe. bracht werden? Der Hinweis auf iranische Bestandteile
Zum (iaiizen des Bandes: Hier ist viel zu lernen. Hier im syrischen Christentum führt zur These von der Dreisind
nicht nur Varianten alter Themen ausgebreitet, son- schichtigkeit (christliche, iranische, mesopotamische Ele-
dern hier wird über bislang nicht oder weniger Bekanntes mente), wie sie W. schon oft vertreten hat.
gut und konsequenzenträchtig informiert. Vielen Dank Jacques-E. Menard (Straßburg) versucht in seiner
dafür. Studie über das Thomasevangelium (S. 65-79) in subtiler
Ben.,, Joachim Kogge Einzelanalyse der Logien aufzuweisen, wie eng die Beziehungen
zwischen dem syrischen Milieu und dem ThEv
sind und kommt dabei zu einem ähnlichen Urteil wie
Barbara Aland-Ehlers2.
. __ Hans -I. W. Drijvers (Groningen) bietel in seinemBei-
RE LIGIONSWlSSENbCHAh I trag „Bardaisan von Edessa als Repräsentant des syrischen
Synkretismus im 2. Jahrhundert nach Chr." (S. 109
»ieirich, Albert [Hrsg.]: Synkretismus im syrisch-persischen Kul- Ws 122) eine^ Replik auf die Kritiken, die seinem Buch
tnrgebiet. Bericht über ein Symposion in Hemhausen bei ,Bardaisan of Edessa' (Assen 1966), galten3. Am wichtig-
Göttingen in der Zeit vom 4.-8. Oktober 1971. Göttingen: Van- sten erscheint die Modifikation der von Bianchi, Widen-
denhoeck & Ruprecht 1975. 177 S.gr. 8 = Abhandlungen der gren und B.Aland angefochtenen These, B. sei kein
Akademie der Wissenschaften in Göttingen, PWlol.-Hist. Klasse: Gnostiker gewesen. „Ich frage mich jetzt, ob der Gegen-
3. Folge, 96. DM 46,-. satz gnostisch-nichtgnostisch der richtige Zugang zu
Der Begriff Synkretismus, der bis in aktuelle Polemik einem so komplexen Ganzen wie Bardaisans Lehre von
hinein oft unscharf und ohne Beachtung des historischen Mensch und Welt ist. Entleert man ein Problem nicht
Gehalts verwendet wird, fordert eine religionswissen- weitgehend seines Sinns wenn man es auf solche einfachen
schaftliche Präzisierung heraus. Das von der Göttinger Alternativen reduziert? (S. 119) Stattdessen würdigt er
Akademie der W issenschaften 1971 in Reinhaiisen ver- *n afs Repräsentanten eines babylonischen Hellenis-
anstaltete Symposion über den Synkretismus im orienta- ™* «• H Sehaeder), der im Wechsel der Machthaber
lisch-hellenistischen Bereich sollte der Verständigung über ™* geschichtlichen Perioden das Problem der See e und
das Phänomen dienen und es zugleich in einer seiner £rer Freiheit zum zentralen Thema der Welterklärung
interessantesten Ausprägungen mit der gebotenen Me- ST?°,V,Vi i r ru • u i • * u ti j u . .<,
thodenvieK demonstrieren. Die Beiträge, die von der T,Sachfhf ^hl.eßt s.ch hier die von B. Aland behandelte
grundsätzlichen religionsphänomenologischen Besinnung Ihematik an In Weiterfuhrung ihrer Gottinger Habili-
bis zu philologischen Studien reichen, liegen über vier tationsschrift, in der sie die Rekonstruktion des System
Jahre nach ihrer ersten Präsentation in einem Sammel- des Bardesanes unternommen hatte untersucht sie dessen
band vor Beziehung zu Mam, um damit die Entstehung des mani-
Carsten Colpe, Religionswissenschaftler, Neutestament- chäischen Systems zu erhellen (S 123-143). Das Systems
ler und Orientalist von hohem Rang, umriß mit seinem („der Mythos ) des Mam begreift sie als Fortsetzung und
Referat über die Vereinbarkeit historischer und struktu- Umbildung des bardesanischen. Anlage und Struktur der
«Her Bestimmungen des Synkretismus (S. 15-37) die über beiden bieten sich analog dar, wenn auch der Mythos
die spezielle Thematik hinausreichende methodologische des Mam (durch Verzicht auf ein mittleres Prinzip zwi-
Problemstellung und gab Anlaß zu lebhafter Diskussion*. ^ *fht und Finsternis) noch klarer erscheint. Monis
Er verfolgte das Stichwort von seinem ersten Auftreten bei Entwurf erweist sich als Versuch, die Unausgeghchenhei-
Plutarch (Verbindung der Kreter) über die Verwendung ton und Inkonsequenzen der früheren gnostischen Konzep-
in der nachreformatorischen Dogmengeschichte, der tionen, bes. der von Bardesanes entwickelten, aufzulösen.
Sprachwissenschaft bis in den Bereich der Kultur- und Der rehgionsgeschichthchen Erklärung des Mani galt
Religionsgeschichte. Hier erscheint als Exempel für die auch der Beitrag von Alexander Böhlig (S. 144-169). Er
Mischkultur mit synkretistischer Religion das helleni- setzt bei der Sammlung des Mani ein, in der er ein Gegen-
stische Ägypten (Sarapis, Isis, Hermes), für das Gegen- stück zum Kanon der syrischen Kirche sieht. Dem Theostück
eines kulturellen Synkretismus ohne religiöse Ver- logen wird dabei bedeutsam sein, wie die Linie Mani-
schmelzung die israelitische Religion der Königszeit Markion-Paulus herausgearbeitet wird. Mani hat das
(dazu S. 27f). Doch Colpe will über bloße Beobachtung Selbstbewußtsein des Paulus (verknüpft mit der johan-
und herkömmliche Formen der Bestimmung hinaus zu neischen Parakletvorstellung), mit Markion verbindet ihn
einer wissenschaftstheoretisch verantwortbaren Einord- die Gegnerschaft gegen das Judenchristentum und sein
nung vordringen Sie stellt sich ihm so dar, daß „der Antinomismus; offenbar hat er Markion und Bardesanes
Synkretismus als erklärende Auswahl- und Interpreta- als einzige Lehrer angesehen. Daß daneben eine Vielzahl
tionskategorie zur Erhebung der historischen Daten von gnostischen, griechischen, mesopotamischen und so-
treten muß" (S. 33). Für den praktischen Vollzug heißt gar buddhistischen Einflüssen wirksam waren, begründet
das, „daß der religiöse Synkretismus, um voll erklärt zu das Urteil, daß „Mani ein Synkretist größten Ausmaßes"
werden, eine große Anzahl gesellschaftlicher, historisch- war (S. 152), der nicht Häretiker blieb, sondern Religion.?
philologischer und psychologischer Antecedensdaten be- Stifter wurde (S. 169).