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Ausgabe:

1977

Spalte:

847-849

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Friedrich, Johannes H.

Titel/Untertitel:

Gott im Anderen? 1977

Rezensent:

Friedrich, Johannes

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847

Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 11

848

legentlich auch Anmerkungen gründlich nachgeht, dem
wird das Buch wichtig werden, weil es christlicher Unterweisung
neue Tiefendimensionen erschließt, die durch Anregung
der Phantasie und Aktivierung neuer Möglichkeiten
auch dem Lehrenden selbst dann echte Freude an seiner
Tätigkeit bringen.

Oreifswald (iüuther Kelinscherper

REFERATE ÜBER THEOLOGISCHE DISSERTATIONEN IN MASCHINENSCHRIFT

Friedrich, Johannes: Gott imAnderen ? Eine methodenkritische Untersuchung
von Redaktion, Uberlieferung und Traditionen in Mt
25,31-16. Diss. Tübingen 1975. XIII, 317 S. Text, 179 S. Anmerkungen
und Literaturverzeichnis, 4 Klapptafeln.

Nachdem Gott mancherorts für tot erklärt worden war,
konzentrierte sich in den letzten Jahren das theologische
Interesse stark auf Jesus, und zwar häufig auf den Sozialrevolutionär
Jesus - das Interesse von Christen, Atheisten,
von Theologen und Marxisten. Eine der am häufigsten
dazu herangezogenen Bibelstellen lautet: „Was ihr getan
habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das
habt ihr mir getan!" (Mt 25,40) mit der Aufzählung der in
verschiedener Weise notleidenden Menschengruppen aus
derselben Perikope, der „Rede vom großen Weltgericht".

Doch werden in den zahlreichen Auslegungen, die es zu
diesem Text gerade in neuerer Zeit gibt, wie ein tabellarischer
Forschungsüberblick (I 309-317) belegt, nach wie
vor folgende Fragen unterschiedlich beantwortet: Wer
sind die ndvia rä tO-vii ? Sind es die Heiden (einschließlich
oder ausschließlich der Juden), alle Völker oder nur die
Christen? Wer sind die dStltpoi ildxi<noi% Sind es alle
Notleidenden, die Christen, die Apostel und ihre Nachfolger
oder nur die notleidenden Christen ? Stammt die Perikope
von Jesus, ist sie von Matthäus bearbeitet oder
stammt sie gar vollständig von Matthäus? Fast durchgängig
wird wenigstens die Einleitung (V.31) als vom
Evangelisten formuliert angesehen, auf den auch die Einfügung
des Mensohensohn-Titels zurückgeführt wird.

Vorliegende Arbeit hat sich die Aufgabe gestellt, diese
Fragen durch eine möglichst differenzierte Anwendung
der exegetischen Methoden zu beantworten (vgl. z.B. das
unten zur Wortstatistik Gesagte oder auch die Unterscheidung
zwischen „Traditions-" und „Überlieferungs-"
geschichte). In einer Zusammenfassung wie der vorliegenden
können die Vorgänge der Erarbeitung nicht wiedergegeben
werden. Es können nur Ergebnisse formuliert
werden.

Im ersten der drei Hauptteile der Arbeit („Redaktion
und Traditionen", I 7-270) wird zunächst der Anteil der
matthäischon Redaktion an dorn Text Mt 25,31-46 festgestellt
. Dazu werden alle Worte des Textes methodisch
reflektiert wortstatistisch untersucht. Das bedeutet, daß
nicht nur die Vorkommenshäufigkeit eines Wortes oder
einer Wendung gezählt wird, sondern daß sämtliche Stellen
, an denen dieses Wort belegt ist, auf ihre Quellenzugehörigkeit
hin zu untersuchen sind (Sondergut, Q, Mketc).
Erst dann läßt sich ein begründetes Urteil über die Verwendung
des betreffenden Wortes durch die Redaktion abgeben
. Es zeigt sich dabei, daß die Perikope in ihrem
Grundbestand nicht erst auf die matthäische Redaktion
zurückgeht. Bestätigt wird dies durch den ausführlichen
Vergleich mit den anderen Stellen aus dem MtEv, die immer
wieder als Beleg für den Einfluß der matthäischen
Redaktion in Mt 25,31-46 herangezogen werden, nämlich
Mt 16,27; 19,28; 13,36-43; 10,40-42 Par. Bei diesem Vergleich
stellt sich auch heraus, daß die in der gesamten Forschung
vertretene, auf die Analyse in Jeremias' Gleichnis-
buch zurückgehende Auffassung, die Deutungen der
Gleichnisse vom Unkraut unter dem Weizen und vom
Fischnetz (Mt 13,36-13.49f.) seien erst matthäischen Ursprungs
, einer genauen Überprüfung nicht standhält. Die
Verse stammen vielmehr aus vormatthäischer Überlieferung
und sind nur an einigen Stellen durch den matthäischen
Redaktor überarbeitet.

Die Untersuchung der in Mt 25,31-46 verarbeiteten
Traditionen zeigt, daß der Text nicht nur in V.31 Vorstellungen
enthält, die uns aus dem äthiopischen Henoch-
buch bekannt sind, daß vielmehr die gesamte Perikope
von solchen Vorstellungen geprägt ist. Eine Spannung
zwischen V.31 und dem übrigen Text läßt sich also nicht
belegen, weder von den verarbeiteten Vorstellungen noch
von dem Gebrauch verschiedener Titel her: ,,Menschen -
söhn" und „König" stoßen sich gegenseitig nicht; die Vorstellungskreise
des Menschensohnes wie des Messias-Königs
werden in den verschiedensten jüdischen Schriften
wie auch im NT und schon bei Jesus selbst (Mk 14,61 f.)
zusammengedacht und miteinander verbunden, zumal in
die Menschensohn-Vorstellung selbst, wie wir sie aus dem
äthiopischen Henochbuch kennen, königliche Vorstellungen
eingegangen sind. Es gibt deshalb auch keinen Grund
anzunehmen, mit „König" sei ursprünglich Gott gemeint:
Die Königsbezeichnung ohne weitere Erklärung ist für den
Messias noch naheliegender als für Gott. Jesus hat in Mt
25,31-46 in verhüllender Form von sieh selbst als dem
wiederkommenden messianischen Menschensohn-Richter
gesprochen.

Eine genaue Untersuchung der Bedeutungen von „Bruder
" im Hebräischen, im Griechischen, im NT und speziell
bei Mt ergibt folgendes: Wo Matthäus selbst am Werk
war, liegt die Bedeutung „Glaubensgenosse" vor, an den
Stellen, an denen ätfei.<pös bereits in der Überlieferung
vorhanden war und z. T. auf Jesus selbst zurückgeht, ist
die Bedeutung „Mitmensch" anzunehmen. Zusammen
mit der Untersuchung von iXdxiato; ergibt sich damit für
Mt 25,40.45: Udxcotos hat im Munde Jesu allgemein die
notleidenden, hilfsbedürftigen Menschen umfaßt. Erst
Matthäus hat diesen Ausdruck speziell auf die Gemeindeglieder
bezogen und dies durch das dazugesetzte „Brüder"
in V.40 verdeutlicht. Dabei half ihm der enge Bedeutungszusammenhang
der Worte iXdxiazus und (uxqo; dazu,
eXdtftatos mit einer ähnlichen Deutung zu versehen wie
,u«C«V, das die Jünger bezeichnete. Das Gericht ergeht
nach Meinung des Matthäus über alle Nicht-Christen (Heiden
und Juden). Diese werden durch den Ausdruck
rd iihvt] bezeichnet, den Matthäus einfügt. In der Überlieferung
vor ihm war dagegen das Gericht über alle Menschen
gemeint.

Nach einer Erläuterung der Intention der redaktionellen
Änderungen durch Matthäus wird im zweiten Haupt-
teil der Arbeit („Zur Überlieferungsgeschichte", I 271 bis
297) die Geschichte der mündlichen Überlieferung des
Textes rekonstruiert. Dabei zeigt sich, daß die nachösterliche
Überlieferung einer Gruppe von Wanderpredigern
(Theissen) zu verdanken ist, die sich durch ein radikales
Ethos des Verzichtes auszeichnen. Diese konnten die
„Geringsten" aus Mt 25,40.45 auf sich selbst beziehen, da
sie auch materiell gesehen zu den Notleidensten gehörten.
In diesem Kontext werden die Menschen im Gerieht danach
beurteilt, wie sie sich den Wanderpredigern gegenüber
verhalten haben. Für die vorösterliche Überlieferung
kann lediglich als Überlieferungsträger der zur Verkündigung
ausgesandte Jüngerkreis festgestellt werden. Eine
ausführliche Überprüfung des Textes anhand aller bekannten
und in Frage kommenden Kriterien zur Erhebung echten
Jesusgutes zeigt schließlich, daß Mt 25,31-46 in der
ältesten Form auf Jesus selbst zurückgeht.

Im Schlußteil der Arbeit (I 288-307) wird zunächst die
Geschichte der „Rede vom Weltgericht", wie sie erarbei-