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Ausgabe:

1977

Spalte:

830-834

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Kalivoda, Robert

Titel/Untertitel:

Revolution und Ideologie 1977

Rezensent:

Wendelborn, Gert

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 11

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schließt, daß die Phrase ,der im Leibe ist' auf den Logos
Christus im Gläubigen abzielt, scheint Rez. weniger wahrscheinlich
(wo doch Origenes ansonsten den Logos im
Hegemonikon lokalisiert, vgl. dazu in anderem Zusammenhang
Gessel S. 20811'., sehr deutlich z. B. ausgesagt in
den Johanneskommentar-Fragmenten XVIII/GCS10,
497, 19-498,1/zit. bei Gessel S. 208, Anm. 89) als der Vorschlag
, daß nach Meinung des Origenes die Heiligen sowohl
dem Leib der Herrlichkeit Christi, d. h. dem auferstandenen
, verklärten Christus, als auch dem, der im
Leibe ist, d. h. dem im Fleisch erschienenen Logos, dem
irdischen Christus, gleichgeformt werden. Origenes behauptet
ja zum einen zwischen dem wahrhaften Logos
und dem im Fleisch erschienenen „keinerlei innerlichen
Dualismus"4, zum andern, und das dürfte wesentlicher
sein, wird der Heilige nicht einem herrschenden, sondern
in beiden Fällen einem dienenden Christus gleichgeformt.
Denn nicht nur der Logos in seiner irdischen Erscheinung,
auch der Leib der Herrlichkeit Christi „weilt auch jetzt
noch in der Mitte der Gläubigen, aber nicht wie einer, der
zu Tische sitzt, sondern als einer, der bedient" (de oratione
11,3; vgl. Gessel S. 201).

Die Übersetzung der Phrase aus de oratione 16,1: oti
ndvTwg d'ov'Aov öVn xii(iiu> mit „(dem), der nicht ganz und
gar Herr eines Knechtes ist" (vgl. Gessel S. 94 und Anm.
61 ebd.) scheint Rez. nicht völlig geglückt. Gemeint sein
dürfte doch etwa :„der überhaupt nicht eines Sklaven
Herr ist" (sondern eben der Vater der Gottessöhne).

Halle (Saale) Hermann Goltz

' ed. P. Koetscha« In: GCS 3, 1899; dt. vom selben In BKV" 48. 1962. Vf.
BehlieUt sieh in der Datierung der Schrift (233/34 InCaosarea/Palästlua) den Argumenten
P. Koetschaus (vgl. «CS 3, S. LXXVI f.) an.

* Vgl. W.Völker: Das Vollkominenhcitsideal dos Origenes. Tübingen 1931,
H. 209.

s Vgl. 7. Dunk-Ion: Origene. Le gimie du christiauisme. Paris 1938, S. 13;
A. Hamman: La priere II. Lea trois Premiers siecles. Tournai 1963, S. 297 und
Aum. 5.

* Vgl. HE VI 18,1 (OOS 9,2/556, 9-12); Oessei S. 24; zur Person des Ambrosius
vgl. A. Jülioher: Ambrosius, in: l'auly-Wlssowas Renlencyclopaedie 1 (1894)
Sp. 1812 (diese Angabe auch bei Oessei a.a.O.).

• J. Quasten: Patrology II, S. 66; Oessei S. 23.

• H. de Lubac: Oeist aus der Geschichte. Ubers. H. U. v. Balthasar. Kinsh -
dein 1968, 8. 270; zit. bei Oessei S. 108, Anm. 19.

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Sancta Birgitta: Opera minor» I: Regula Salvatoris, ed. by Sten
Eklund. Uppsula: Almquist & Wikseil 1975. 246 S. 4° == Kungl.
Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien, Stockholm.

Die Neu-Edition der Werke der heiligen Birgitta von
Schweden schreitet zügig voran (vgl. ThLZ 10, 1973
Sp. 769f.). Vielleicht haben die Feiern zum 600.Todestag
der Heiligen 1973 einen zusätzlichen Impuls gegeben. Den
4 Bänden aus den Jahren 1956, 1967, 1971 und 1972 folgt
nun bereits ein 5. Band. Er enthält die Klosterregel für das
Kloster Vadstena, die von der heiligen Birgitta als Offenbarung
direkt von Christus mitgeteilt wurde. Die Textgeschichte
ist bei diesem Werk noch erheblich komplizierter
als bei anderen Werken dieser Verfasserin. Zunächst
hatte man nur grob zwei Überlieferungen unterschieden:
In der einen spricht Christus direkt in erster Person, in der
anderen wird Christus als 3. Person erwähnt und zitiert.
1968 hatte U. Montag eine bessere Unterscheidung geboten
mit den Begriffen „Frühfassung", „approbierte
Fassung" und schließlich „adaptierte lassung". Eklund
geht dieser Problematik nun ganz genau auf den Grund. Er
stellt eine Liste der lateinischen Manuskripte zusammen,
die 61 Nummern umfaßt. Dazu kommen noch fünf altschwedische
Texte, die in Berlin, Uppsala und Stockholm
(3 Texte) aufbewahrt werden (S. 10-17). Von einer so
breiten Grundlage aus wird ein stemma codicum erarbeitet,
das einen Überblick über die reiche Fülle gibt (S. 29).
Die Abhängigkeiten der einzelnen Texte voneinander
werden ausführlich dargelegt (S. 31-71). Schließlich kommen
vier Texte zum Abdruck. Als erster Text wird auf
S. 99-140 eine Frühfassung geboten, in der Christus in
erster Person direkt zu Birgitta spricht und ihr die einzelnen
Vorschriften mitteilt. Gleich einleitend wird darauf
verwiesen, daß der Erzbischof von Uppsala mit drei weiteren
Bischöfen und einem Klosterabt diese Schrift für eine
Offenbarung hielten (S. 100f.). In der 2. gedruckten Textfassung
wird die Regula Salvatoris eingerahmt von einer
Bulle des Papstes Urban V. aus dem Jahre 1370; die
Klosterregel erseheint hier in einer etwas verkürzten Form
(S. 146-73). In diesem Text wird Christus in 3. Person
redend zitiert. Der 3. abgedruckte Text bietet eine spätere
Kompilation, die E. allgemein in die Zeit zwischen 1378
und 1496 einordnet; genauere Datierungsversuche weist
er zurück (S. 28). Doch stimmt dieser Text (S. 175-218)
weithin mit dem zuerst abgedruckten Text überein.
Christus spricht in der ersten Person direkt. Ein vierter
Text bietet einen Abschluß, der in den anderen Überlieferungen
nicht enthalten war (S. 219-28). Die Aufschlüsselung
der Texte nach 358 Nummern, die jeweils einen kurzen
Abschnitt umfassen, läßt einen genauen Vergleich der
jeweiligen Textüberlieferung bequem zu. Es wird dadurch
auch deutlich, wo sich in einzelnen Textfassungen Lücken
befinden. Natürlich kann im Rahmen dieser Rezension
nicht auf Einzelheiten eingegangen werden. Nur summarisch
sei festgestellt, daß hier eine sehr gründliche Quellenedition
vorgelegt worden ist, bei der weder an philologischer
Kleinarbeit noch an Papier gespart wurde. Jedem
Forscher, der sich mit mittelalterlichen Klosterregeln zu
beschäftigen hat, wird eine solide Textgrundlage in die
Hand gegeben.

Rostock Qtft Haeudler

Kalivoda, Robert: Revolution und Ideologie. Der Hussitismus.
Übers, v. H. Thorwart u. M. Glettler. Köln-Wien: Böhlau 1976.
XIII, 397 S. gr. 8°. DM 62,-.

Es ist sehr begrüßenswert, daß durch dieses Buch nun
auch dem deutschen Leser, der nur in seltenen Fällen der
tschechischen Sprache kundig ist, die Möglichkeit gegeben
wird, die Interpretation der religiös-sozialen Bewegungen
des Mittelalters und des Hussitismus durch den tschechischen
marxistischen Historiker R. Kalivoda, einen souveränen
Kenner der Materie, aus erster Hand kennenzulernen
. Es handelt sich hierbei um die Überarbeitung der
1961 in der CSSR erschienenen „Husitska ideologie"
unter Kürzung einzelner Abschnitte, die vorrangig eine
Auseinandersetzung mit der tschechischen Fachliteratur
enthalten, und unter Aufnahme der seither vom Vf. neu
erarbeiteten Erkenntnisse. Besonders anerkennenswert
ist, daß Vf. in seinem umfangreichen Annierkungsteil dem
Leser einen genauen Einblick in den Stand der internationalen
Forschung vermittelt, diese ebenso konkret wie
fair analysiert und in jedem Falle angibt, wo das Quellenmaterial
aufzufinden ist. Auch der Kirchenhistoriker erhält
reiche Belehrung und wird in die Lage versetzt, neue
Fragestollungen aufzunehmen. Vf. befragt die behandelten
Phänomene vom marxistischen Standpunkt aus nach
ihrer objektiven Bedeutung innerhalb der gesellschaftlichen
Entwicklung zur Zeit der sich verschärfenden
Krise des Feudalismus. Von diesem Vorverständnis her,
das von einem Vorurteil wohl zu unterscheiden ist, wollen
alle seine Wertungen verstanden sein. Deshalb geht es
ihm nicht vorrangig um die Gedankengebäude der ketzerischen
Strömungen an sich, sondern um deren objektive,
z. T. ihren Verfechtern gar nicht bewußt werdende Auswirkungen
. Die Aufnahme dieser Fragestellung kann dem
Kirchenhistoriker zu größerer Nüchternheit und Wirklichkeitsnähe
verhelfen. Sie verleitet andererseits den Vf.
dazu, gelegentlich zu weitgehende Folgerungen zu ziehen]
um das Neuartige und in seinem Sinne Wegweisende einer
Intention herauszustellen. Die Wertungen des Vfs. können