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Ausgabe:

1977

Spalte:

825-829

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Gessel, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Theologie des Gebetes nach 'De Oratione' von Origenes 1977

Rezensent:

Goltz, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 11

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ist der Geist der Gemeinde, und die Gemeinde braucht
den Propheten, durch den der Geist zu ihr spricht.

Nach Meinung des Vfs. ist im Hirten kein Hinweis auf
einen Konflikt zwischen institutionellem Amt und Pro-
phetie angedeutet; der Prophet sei von jenem nicht abhängig
und sei ihm nicht unterworfen. Wenn hier die
Texte etwas einseitig und kurzschlüssig interpretiert sind,
so gilt das erst recht für Kap. 7; der Vf. stellt fest, daß
Hermas nach seinen eigenen Angaben kein Prophet sei, da
er sich nicht als solchen bezeichnet habe, sondern vielmehr
als Berichterstatter dessen, was er gesehen und gehört
habe. (Hier hat den Vf. zumindest seine sonst lobenswerte
Bibelkenntnis verlassen.)

Das Buch als Ganzes ist erfreulich. Der Hersteller hat
alles dafür getan, daß man es mit Vergnügen zur Hand
nimmt. Lob verdient der ungewöhnlich saubere und klare
Druck und der harmonische Satzspiegel; Lob verdient
ebenso der Verfasser, weil er durch Zwischentitel, durch
Verweisung der Nebengedanken und Belegstellen in die
Anmerkungen und vor allem durch seine klare Sprache als
Ausdruck für klare Gedanken ein lesbares Buch geschaffen
hat, das sich willig darbietet. Gut ist, daß er seinen Text
abgedruckt hat. Nicht gut, daß eine echte Bibliographie
fehlt; das Autorenregister ist ein unvollkommener Ersatz.

Auch zum Inhalt läßt sich viel Gutes sagen. Das Buch
zeichnet sich durch Ausgewogenheit des Urteils aus; der
Vf. ist stets bestrebt, genau den Bereich anzugeben, für
den seine Hypothesen gelten. Er hat alles Wichtige gelesen
. Seine Darstellungen sind breit und seine Folgerungen
zumeist nah. Ein wenig muß dennoch das Lob eingeschränkt
werden, das man dem trefflichen Buch spenden
möchte. Das elfte Gebot ist zu schmal als Basis für das
Thema „Hermas und die christliche Prophetie". Die interessanten
Ausführungen über die heidnische Mantik sind
mit dem hier betrachteten Hermastext nur durch eine
relativ enge Brücke verbunden. Es ist sicher richtig, daß
der Text auf einem hellenistischen Hintergrund zu lesen
ist, aber um diese Behauptung überzeugend zu vertreten,
muß man einen größeren Abschnitt betrachten. Dazu
kommt, daß die Zusammenhänge des Hermas mit judenchristlichen
und apokalyptischen Traditionen vernachlässigt
sind. Für manche Gegenstände im Hermas darf
man das auch, aber gerade nicht für diesen, wenn es um
den Kontrast zwischen Prophet und Pseudoprophet geht.
Zu kurz gekommen ist ferner die Einordnung der Prophetie
bei Hermas in die Entwicklung des geistlichen
Amts. Der Vf. nennt und bespricht zwar die betreffenden
Textabschnitte, aber das ist nur ein Teil dessen, was er
hätte tun müssen. Wenn er versucht hätte, nach der
Struktur der römischen Gemeinde zur Zeit der Abfassung
des Buches zu fragen, so hätte er erkannt, daß sein kon-
gregationalistischer Kirchenbegriff - der auf dem von
Paulus 1 Kor 14 gezeichneten Idealbild beruht und der
bereits 1 Kor 12 vernachlässigt - nicht ausreicht, um die
Ausführungen des Hermas darin einzubetten und befriedigend
zu erklären.

Mit diesen Einschränkungen bleibt es ein gutes und
erfreulich zu lesendes Buch, das beim Vergleich in einem
Literaturbericht gewiß keine schlechte Figur machen
wird.

Kiel Heinrich Kraft

Gessel, Wilhelm: Die Theologie des Gebetes nach ,De Oratione'
■von Origenes. Münohen-Paderborn-Wien: Schöningh 1975.
276 S. gr. 8°. Kart. DM 48,-.

Diese im Wintersemester 1973/74 von der Katholisch-
Theologischen Fakultät der Ludwig-Maxiinilians-Univer-
sität in München als Habilitationsschrift angenommene
Arbeit unternimmt den insgesamt wohl als gelungen zu
bezeichnenden Versuch, die Theologie des Gebetes nach
dem origeneischen Gebetslogos1 darzustellen. Die Berechtigung
dazu erblickt der Autor im Fehlen einer umfassenden
Darstellung und Analyse dieser Schrift, die auch deswegen
monographisch zu behandeln ratsam ist, weil sie
innerhalb des Gesamtwerkes des Origenes eine „eigenständige
Größe darstellt, die nicht leichtfertig in die
sonstigen Äußerungen des Origenes zum Thema Gebet
und vor allem nicht in den Rahmen der zahlreich überlieferten
origeneischen Gebete hineingepreßt werden
sollte" (S. 10). Methodisch anregend für den Aufbau der
Arbeit waren die Erörterungen von A. W. Ziegler in
„Neue Studien zum ersten Klemensbrief" (München 1958,
S. 8f.). Danach wurde ,de oratione' vom Vf. sorgfältig
seziert, die eruierten Teile - nach logischen Gesichtspunkten
geordnet - in ein System gebracht, in welchem
Vf. hinwiederum, um nicht die Orientierung auf den
charakteristischen Gedankenduktus dieser Väterschrift zu
verlieren, bestimmte Fixpunkte der origeneischen Darstellung
repetierend markierte, so etwa die wichtige und
oft wiederkehrende Aussage, daß von den Arten des
Gebets, nämlich dsrjmi, nQotjcvxtf, evtevSig und «^opwrrfo
(vgl. die Aufzählung lTim2,l), die nQoaevyri ausschließ,
lieh dem Vater-Gott gebührt.

Indem Vf. sorgfältig die Konsequenzen aus der Bestimmung
des Gebetslogos als einer eigenständigen Größe
zu ziehen versuchte, kam es nach Meinung des Rez. zu
dem interessantesten und umfangreichsten Kapitel der
gesamten Untersuchung, in welchem über den „formalliterarischen
Charakter der Gebetsschrift" (Kap. 1) und
dessen Bedeutung für die inhaltliche Aussage gehandelt
wird. Die folgenden Kapitel stellen dann, in der angedeuteten
Weise systematisiert, die „Arten des Gebetes"
(Kap. 2), das Gottesbild der Gebetsschrift (Kap. 3: „Gott
der Vater"), die „Interzession des Geistes" (Kap. 4) und
das Gebet, „wie es sich geziemt" (Kap. 5) dar. Den theologischen
Höhepunkt bildet wohl das 6. Kapitel, wo unter
der Überschrift „Gebet und Vorsehung" das geistvolle
und diskutable theologische Denkmodell des Alexandriners
zum Zusammenwirken von göttlichem Vorherwissen,
göttlicher Vorsehung und freiem Willen des Menschen (im
Gebet als Sonderfall des allgemeinen Problems) vorgeführt
wird. Die Bemerkung sei gestattet, daß es im gegenwärtigen
breiten Dialog zwischen Protestantismus und
orthodoxen Kirchen für beide Seiten nicht uninteressant
sein dürfte, wie deutlich der früh umstrittene und um so
wirkungskräftigere Origenes die avreSovaia des Menschen
in das planmäßige Heilshandcln, die oixovouia Gottes
einordnet. Das 7. Kapitel reißt nicht nur interpretatori-
sche Probleme allein des Origenes an, wenn unter dem
Oberthema „Inhalt und Ziel des Bittgebetes" gezeigt wird,
wie Origenes die alttestamentlichen Bittgebete allegorisch
interpretiert, wie er die Brotbitte des Vaterunser vom einfachen
Sinn fort zur Bitte um Vergottung, göttliche Sohnschaft
und engelsmäßige Gottesschau wendet (Angelpunkt
: das auf die göttliche Substanz bezogene inmvaiog)
und wie er letztlich auch das Gebet für Kaiser und Reich
auf eine etwas gewundene und unrealistische Weise als
legitimes Gebet um „Großes und Himmlisches" und nicht
als unziemliches Bitten um „Kleines" und ,irdische
Schatten' zu rechtfertigen sucht. Das 8. Kapitel („Der
Nutzen des Gebetes") behandelt wichtige Aspekte des
Gemeindegebetes während der Liturgie. Den einzelnen
Ortskirchen kommt nach Origenes im Gebetsleben eine
besondere Bedeutung zu, da hier beim Gebet der lebenden
Heiligen die entschlafenen Heiligen mitbetend und die
Märtyrer fürbittend präsent sind. Ebenso, wie dem einzelnen
Beter, der sich mit seinem Gebet in den göttlichen
Heilsplan hineinbegibt, ein Engel beisteht, an welchen
Oikonomia und Pronoia Gottes übertragen sind, so potenziert
sich diese Gebetshilfe der Engel während der liturgischen
Versammlung, so daß Origenes geradezu eine
zwiefache Kirche, die der Menschen und der Engel, beim
Liturgievollzug schaut. Die Abschnitte desselben Kapitels
„Die Präsenz des Logos" und besonders „Die Präsenz