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1977

Kategorie:

Judaistik

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Theologische Litetatuneitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 11

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historische Analyse des Stückes zeige, daß es unsere
früheste und verläßlichste Quelle für die Rekonstruierung
der tatsächlichen Folge der Ereignisse bei der Überquerung
des Schilfmeeres abgebe.

Nun läßt sich nicht bestreiten, daß ein Strukturvergleich
zwischen der hebräischen Poesie und der uns aus
Ras Schamra bekannten ebenso möglich, ja sogar notwendig
ist wie die linguistische Auswertung anderer wesl -
semitischer Texte. Freilich dürfen darauf keine voreiligen
Schlüsse hinsichtlich der Datierung gebaut werden. Es ist
immerhin erfreulich, zu lesen, daß sich die Vf. dessen auch
bewußt sind, wenn sie sagen, Einzelfälle archaischer
Schreibweise reichten zur Datierung einer biblischen
Passage nicht aus und die orthographische Analyse könne
bestenfalls andere Erhebungen bestätigen, sei aber höchst
wünschenswert (siehe S. 126 u. 183). Es ist ja auch zu
bedenken, daß das Alte Testament im Unterschied zu den
uns sonst bekannten Texten keine Originale enthält und
daß die Juden während des 6. Jahrhunderts auch in
sprachlicher Hinsicht bewußt alte Formen wieder aufgriffen
. Dennoch bieten die vorgelegten Textanalysen eine
Fülle guter Beobachtungen, die jeweilig beachtet und
geprüft werden sollten.

Leipzig Wolfram Herrmann

de Jonge, Mfarianus] [Ed.]: Studie« on the Testaments of the
Twelve Patriarchs. Text and Interpretation. Leiden: Brill 1975.
IX, 329 S. gr. 8° = Studia in Veteris Testamenti Pseudepi-
grapha, ed. Ä.-M. Denis et M. de Jonge, III. Lw. hfl. 96.-.

Bd. III der StVTPs1 gewährt insbesondere in Teil II
(c. II-XII) Einblick in die Vorarbeiten zur editio maior
der test XII, die M. de Jonge in Verbindung mit H. J. de
Jonge, Th. Korteweg und H. W. Hollander vorbereitet
(VII). H. J. de Jonge gibt in seinem wissenschaftsgeschichtlich
interessanten Beitrag „Die Patriarchentestamente
von Roger Bacon bis Richard Simon", in dem er
eine Fülle von Material verarbeitet, einen Überblick über
die gelehrten Äußerungen zu test XII vom 13. bis in den
Anfang des 18. Jhs. (3^2). Er bildet Teil I des Bandes.

Teil II (45-179) ist speziell den Fragen der Text Überlieferung
gewidmet (sie spielen dann etwa auch in c. XV.
XVII eine Rolle). C. II-VI schrieb ebenfalls Henk Jan de
Jonge2. In c. II wird sein Überblick über die Textüberlieferung
der test XII aus ZNW 63, 1972, 27-44 nachgedruckt
(45-62); er gab die Grundlage zu einer weitgehend
neuen Beurteilung der Beziehungen zwischen den Handschriften
und Übersetzungen. Das Stemma, in dem sie
dargestellt werden, ist etwas abgewandelt in c. III, The
earliest tiaceable stage of the textual tradition of the
Testaments of the Twelve Patriarchs (63-86). Die beiden
Familien, in die sich die Überlieferung der test XII
gliedern läßt, gehen auf Übertragungen von zwei Majuskeln
in Minuskelschrift zurück, wie H. J. de Jonge an
Hand dafür spezifischer Irrtümer zeigt. Der Archetyp der
Tradition muß daher vor dem 9. Jh. liegen. In einem
Appendix (80-86) setzt sich der Vf. mit der Beurteilung
der textkritischen Situation, der Stellungnahme zu seiner
Auffassung in ZNW 1972 und dem Verfahren bei Jürgen
Becker, Die Testamente der zwölf Patriarchen, Gütersloh
19743 auseinander. Der Aufsatz von Th. Korteweg, Further
observations on the transmission of the text (161 bis
173), läßt uns teilnehmen an der zwischen den Bearbeitern
der editio maior geführten Debatte.

In c. IV ediert H. J. de Jonge vier Fragmente zu
test XII (87-96). In VI berichtet er über die Geschicke
der beiden als Familie I bezeichneten griechischen Manuskripte
(107-115), der die editio maior in ZweifelsfäUen4
folgen wird (178). Um das eine der beiden Manuskripte
(b)6, das das älteste Stadium der uns bekannten griechischen
Textüberlieferung darstellt (106), geht es in c. V
(97-106); es bildet die Grundlage der westeuropäischen
Übersetzungen der test XII (105f.). H. W. Holländer

steuert einen Vergleich zweier Manuskripte vom Athos
bei (116-119). H. G. Gaylord und Th. Korteweg berichten
über Stand und Aufgaben der Erforschung der slawischen
Übersetzung (140-143). Da sie für die Gewinnung des
ältesten erreichbaren griechischen Textes wenig abwirft
(143), wird sie in der editio maior nicht herangezogen
(175). Weit größere Bedeutung mißt M. de Jonge (c. VIII)
der armenischen Überlieferung bei, die für die neue Ausgabe
eingehend berücksichtigt wird; sie bietet indessen im
Blick auf den griechischen Text hauptsächlich unterstützendes
Beweismaterial (120-139). Den Teil II abschließend
, faßt der Hrsg. in c. XII den Ertrag der Arbeit
an der Textüberlieferung für die editio maior zusammen
und formuliert Leitsätze zu dieser (174-179).

Teil III (183-316) wird durch ihn mit einem Überblick
über die literar- bzw. traditionsgeschichtliche Forschung
zu (est XII seit 1953 - seit dem Erscheinen seiner Leidener
Diss. The Testaments of the Twelve Patriarchs, Assen
1953 - eröffnet (183-192) und mit kritischen Bemerkungen
über die neuesten Bearbeitungen der test XII in
Sammelwerken zur Literatur des Frühjudentums6 beschlossen
(291-316). Er geht dabei (c. XVII) von der Behandlung
des test Iss aus, weil die Situation hinsichtlich
Komposition und Entstehungsgeschichte „hier als repräsentativ
für die Testamente im ganzen betrachtet werden
kann" (310). Er erklärt es „als eine Einheit..., also als
Komposition eines Autors oder einer Gruppe von Autoren,
in der verschiedenartiges Material verarbeitet wurde"
(310). „Die Versuche, die jüdischen Quellen bzw. eine
jüdische Grundsehrift zu rekonstruieren", sind „zum
Scheitern verurteilt" (314). Ist doch „eine geistesgeschicht-
liche Scheidung zwischen .jüdisch' und .christlich' oft
unmöglich" (ebd., vgl. 189). Der zweite aus 310 zitierte
Satz wird durch M. de Jonge präzisiert in c. XV, Notes on
Testament ofLevi II-VII (247-260) . Der oder die Autoren,
die test XII abfassen wollten, hielten Ausschau nach
allem erheblichen Stoff, den sie in einem bestimmten
Rahmen mit primär ethischer Zielsetzung verarbeiten
konnten (252, entsprechend 189; hier wird dann speziell
von der Übernahme jüdischer Überlieferung durch christliche
Gruppen gesprochen). In dem längsten - aus Nov
Test 4, 1960 übernommenen - Beitrag des Bandes (193 bis
246), Christian influence in the Testaments of the Twelve
Patriarchs (c. XIV), rechnet(e) M. de Jonge für diese mit
verschiedenen Stufen der Entstehung bzw. Umgestaltung,
auch einer christlichen Überarbeitung. The history of the
composition of the Testaments is a very complicated one
and only parts of it can be traced (229). In c. VXI, einem
Vergleich von gr test N 5-7 mit hebr test N 2-7 (261-290),
kommt Th. Korteweg zu dem - m. E. jedenfalls für gr
test N bemerkenswerten - Ergebnis, daß beide unabhängig
voneinander einen älteren Text verwerten (282). - Ein
Index locorum (317-329) ist angefügt (dagegen keine
Bibliographie).

Nach den umfänglichen Vorarbeiten zur Textüberlieferung
darf man der editio maior der test XII erwartungsvoll
entgegensehen. Mit Spannung wird man der Weitor-
führung der Diskussion über die geschichtliche Einordnung
der Schrift zumal ihrem Inhalt nach folgen.

Halle/Saale Gerhard Delling

1 Vgl. zu Bd. I G. Bertram, ThLZ 06. 1971 Sp. 673-675; zu II ThLZ 100,
1975 8p. 509-511.

* Er war es auch, der die in ThLZ 97, 1972 8p. 202 orwähnto Kollation einer
Pariser Handschrift zu Gcorgius Syncellus für 1 gr Hen durchführte (nicht M. de
Jonge, wie ich a.a.O. schrieb).

* Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit III 1, s. ThLZ 101,1976

Sp. 500-502.

' Where nur judgement remain» in the baiance CM. de Jonge).

' Kd. M. de Jonge, Te»tamcnta XII ratriarihanim. Leiden 1970'.

* B. Otzenin: De GainmeltcslameiiHigc Pecudeplgrafcr 7. Kopenhngrn 1974:
J. Becker, s. o.

Bauckham, Richard: The Martyrdom of Enoch and Elijah:
Jewish or Christian? (JBL 95, 1976 S. 447-458).

Klein, M. L.: Converse Translation: A Targumic I Techniquo
(Bibl 57, 1976 S. 515-537).