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1977

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Altes Testament

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 11

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pendenz zwischen Gott und König festzustellen - der
König ist sowohl der von Gott Beschützte als auch dessen
Beschützer und Förderer -, so bleibt Salomo stets auf
Jahwe angewiesen.

In der gleichen Weise werden die beiden anderen gewichtigen
Stellen analysiert und verglichen, und gerade
für 2 Sam 7 sei auf die komplizierten und interessanten
Untersuchungen G.s hingewiesen. Für lKön 9,1-9, wobei
8,12f. mit berücksichtigt wird, ist der Tatbestand neu, daß
G. die These einer durchgängigen dtr Abfassung ablehnt.
„Wir sind alles in allem geneigt, zwei .Wellen' ägyptischer,
zu israelitischer Auseinandersetzung rufender Inspiration
anzunehmen: a) eine Einflußnahme in salomonisch/kurz-
nachsalomonischer Zeit, der wir die Abfassung des hymnischen
Preisliedes' verdanken, b) eine Einflußnahme in
josianisch/kurz-nachjosianischer Zeit, der wir die Grundstruktur
des Dialogtextes zuschreiben möchten" (177).
Sowohl einschlägige Stellen aus dem sog. Großen Papyrus
Harries als auch Passagen aus verschiedenen hymnischen
Texten des NR sind zum Vergleich herangezogen.

Zur Information sei nur schnell gesagt, daß auch 2 Sam
7,8-29 nach Analyse und Vergleichung (diesmal hauptsächlich
mit dem ,Segen des Ptah') gattungskritisch in
den Zusammenhang der Königsnovelle geordnet wird, die
.emanzipierte Formen aus ihrem Verband zu entlassen
imstande' ist (269). Die .Sprecheinheiten' sind nicht als
göttliches Wort und menschliche Antwort zu verstehen,
sondern als „Selbsterweise mit demonstrativer Tendenz"
(270). Für eine jüngere .prophetische' Fassung von 2 Sam7
wird die Ameni-Weissagung aus der .Prophetie des
Neferti' verglichen. Diese stellt ebenfalls eine spezielle
Form der Königsnovelle dar (251ff.). Instruktiv ist auch
hier die Untersuchung weiterer einzelner Formulierungen,
„die nach Diktion und Idee außerhalb der behandelten
Vergleichsreden in der Nähe ägyptischer Wendungen
stehen" (256 u. ff.): .Beistand', .Erhöhung', .Gottessohnschaft
' (Phraseologie innerhalb der Jahwerede), sowie
.Selbstprädikation', .Unvergleichlichkeit Jahwes', .Offenbarung
(Phraseologie innerhalb der Davidrede).

Die Evidenz ägyptischer Einflußnahme auf die untersuchten
biblischen Texte ist unbestreitbar. G.s Studien
haben dieses überzeugend nachgewiesen. Ebenso anschaulich
ist die Eigenständigkeit der israelitischen Apperzeption
ägyptischer Phraseologie und literarischer Formen
herausgekommen. Israel wird sich darin nicht selber
untreu. Im Dunkeln bleiben die Wege, auf denen ägyptisches
Gedankengut nach Israel gewandert ist, und dies
doch offenbar über einen ziemlich langen Zeitraum hinweg
. Wer sind diese gelehrten Schriftsteller, Bearbeiter,
Redaktoren und Theologen, die über einen so weiten
Horizont verfügen? Man fragt sich nachdenklich: Muß
für die Entstehung biblischer Texte doch ein so komplizierter
, literarischer' Prozeß angenommen werden, wie die
Analyse von G. es nachzuweisen imstande ist? Gebraucht
man wie G. diese analytischen Methoden folgerichtig, so
wird man zu keinem anderen Ergebnis kommen. Aber
was für starke, bewußte Veränderungen bis in die Halbverse
sind in diesem .literarischen' Prozeß vorgenommen
worden! Dieser Tatbestand ist natürlich interpretabel
und muß wohl künftig auch theologisch interpretiert
werden! Welch enormer Aussagewille und welch drängendes
Sendungsbewußtsein artikuliert sich in dem Stück
Textgeschichte, das G. an den drei alttestamentlichen
Stellen vorgeführt hat! ?

Leipzig Siegfried Wagner

Cole, C. IX: Abrahams God's Man of Faith. Chieago, III.: Moody
Press [1977]. 223 8. 8°.

Gaebelein, F. E.: Four Minor Prophet«. Obadiah, Jonah, Habak-
kuk, and Haggai. Their Message for Today. Fourth Printing.
Chioago, III.: Mody Press [1977]. 253 8. 8°.

JUDAICA

Hein .mann, Josef: 'Aggädol wftöled3tehün. 'lyyünim bßhiütalHe-
lütänSäl mäsöröt = Aggadah and Its Development. Jerusalem:
Keter Puhl. House 1974. 252 8.

Die Erforschung der reichen aggadisehen Traditionen
des rabbinischen Judentums, ihrer Entstehung und Entwicklung
, steckt - t rotz wichtiger Ansätze- immer noch in
den Anfängen. Wer sich heute ernsthaft mit der Aggadah
beschäftigen und nicht nur mit handlich aufbereiteten und
theologisch allzu schnell verwertbaren Belegstellen zufriedengeben
will, ist weitgehend auf Klassiker wie die
„Gottesdienstlichen Vorträge der Juden" von L. Zunz
(1892; erweiterte hebräische Fassung von Ch. Albeck,
21954), L. Ginzbergs „Legends of the Jews" (1946-55) und
vor allem die meisterhafte und lange noch nicht überholte,
aber leider nur in hebräischer Sprache zugängliche Einführung
von Jizehaq Heinemann, „Darkhe hä-'aggädäh",
Jerusalem 21953/54, angewiesen. In dieser Situation ist
ein Buch wie das hier anzuzeigende eine sehr erwünschte
und, um dies gleich vorweg zu sagen, überaus anregende
Lektüre. Der Vf. ist Literaturwissenschaftler an der
Hebräischen Universität in Jerusalem und durch sein
Standardwerk über das Gebet in rabbinischer Zeit sowie
durch zahlreiche Aufsätze zur Aggadah-Forschung in
hebräischer und englischer Sprache weit über Israel hinaus
bekannt geworden.

Das Buch bietet, wie schon der Titel anzeigt, keine
systematische Abhandlung über die Aggadah als literarisches
Phänomen - der Vf. betont mit Recht, daß eine
„Geschichte der Aggadah" noch nicht geschrieben werden
kann (S. 3) - und auch keine Einführung in die aggadische
Literatur. Es ist eher eine Sammlung von Interpretationen
und Bearbeitungen ausgewählter aggadischer Traditionen
und hat so den Charakter eines Arbeitsbuches, dem
man - durchaus mit seinem Vorteil - die Entstehung aus
der praktischen Arbeit mit den Texten im Universitätsseminar
deutlich anmerkt. Die Anordnung der einzelnen
Kapitel folgt somit auch keinen systematischen oder
inhaltlichen Kriterien, sondern versucht, nach didaktischen
Gesichtspunkten, einen Überblick über grundlegende
Formen und Fragestellungen der Aggadah zu
geben.

In der Einleitung und im ersten Kapitel (S. 1-15)
umreißt der Vf. sein Verständnis von „Aggadah" und
wichtiger methodischer Probleme. Von grundlegender
Bedeutung ist bei jeder Beschäftigung mit der Aggadah
das Verhältnis von Bibeltext und aggadischer Tradition,
d. h. die Erkenntnis des jeweiligen exegetischen Problems
(z. B. der Widerspruch zweier Bibelverse), das den Anlaß
zur Entstehung und Ausbildung der betreffenden Aggadah
gegeben haben mag. Häufig findet man aber auch aggadische
Traditionen, deren Zusammenhang mit exegetischen
Fragestellungen nicht ersichtlich ist und denen der
Bibeltext nur als nachträgliche Stütze dient. Es ist dies
das bekannte Problem, das jedem, der sich mit der
Aggadah beschäftigt, vertraut ist, die Frage nämlich, was
primär ist: die Entwicklung theologischer oder ethischer
Gedankengänge, die eine bestimmte aktuelle Aussageabsicht
verfolgen und nur sekundär mit Bibelversen verknüpft
werden oder die Lösung exegetischer Schwierigkeiten
. Oft ist diese Frage nicht eindeutig zu beantworten,
und sie wird nicht gerade dadurch erleichtert, daß Mischformen
auftreten und Aggadot sich im Laufe ihrer Überlieferungsgeschichte
verändern können: Eine rein exegetische
Aggadah „kann sich im Laufe der Zeit umkehren
in eine tendenziöse Aggadah. Und auch das Gegenteil:
Eine Tendenz, die bei der Ausbildung der Aggadah aktuell
war, kann ihre Bedeutung verlieren und in späteren
Stadien ihrer Geschichte verwischt werden und sogar
völlig verschwinden" (S. 5).

Der Vf. sieht sehr deutlich die Schwierigkeiten, die mit