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Ausgabe:

1977

Spalte:

809-811

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Görg, Manfred

Titel/Untertitel:

Gott-König-Reden in Israel und Ägypten 1977

Rezensent:

Wagner, Siegfried

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 11

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der ja explizit in der Gerichtsverkündigung Ezechiels gar
nicht erwähnt wird (16,59-62 gehören in einen späten
Nachtrag, die Ursprünglichkeit von 30,5 ist fraglich, 44,7
sicher jünger, 16,8; 17,13-19 brauchen die Vokabel berlt
im zwischenmenschlichen Bereich, 34,25; 37,26 in der
Heilsankündigung), zumal nach der kritischen Analyse
von Perlitt zurückhaltender formuliert sehen möchte, so
enthält sie manche gute exegetische Wahrnehmung, die
von jedem, der an Ezechiel arbeitet, dankbar entgegengenommen
werden wird. Daß der Vf. auch Wahrnehmungen
aus der religionsgcschichtlichen Umwelt, in der er
z. Z. lebt, zum Verständnis des Propheten in zurückhaltender
Behutsamkeit einbringt, gereicht der Arbeit nur
zum Vorteil.

Göttingen W. Zimraerli

Görg, Manfred: Golt-König-Reden in Israel und Ägypten. Stuttgart
-Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer [1975]. 295 S. gr. 8° =
Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament,
6. Folge, hrsg. v. S. Herrmann u. K. H. Rengstorf, 5 (Der ganzen
Sammlung Heft 105). Kart. DM 49,-.

Im Alten Testament sind es eigentlich nur drei Stellen,
von denen die Studie ausgeht: lKön3,1-15; lKön9,l-9;
2Sam7,8-29. Jede dieser drei Stellen vortritt aber einen
ganzen Themenkomplex: Die Redenfolgo Gott-König-
Qott; Die Redenfolge König-Gott; Die Redenfolge Gott-
König. Die genannten Themenkomplexe werden in drei
stark in sich differenzierten Kapiteln verhandelt, die
jeweils mit einer Zusammenfassung schließen. Diesem
Hauptteil ist eine kurze Einführung vorangestellt, in
welcher der Vf. den von ihm methodisch eingeschlagenen
Weg der Untersuchung erläutert. Einen eigentlichen
Schluß hat das Buch nicht, braucht es aber vielleicht auch
nicht zu haben. Die Themenkomplexe sind in sich .schlüssig
' und durch die übergreifende Thematik der Gott-
König-Reden untereinander verzahnt, auch wenn jeder
Themenkomplex eine spezifische Ausprägung dieses übergreifenden
Themas repräsentiert. Ein Abkürzungs-, ein
Literaturverzeichnis sowie ein Stellenregister beschließen
diesen Band.

Die Publikation geht auf eine Bochumer römischkatholische
Habilitationsschrift zurück (im WS 1971/72
angenommen), für die in vorbildlicher ökumenischer Zusammenarbeit
L. Ruppert und S. Herrmann als Begutachter
verantwortlich zeichneten. Es ist deutlich zu
erkennen, daß G. den Arbeiten des letzteren zur Frage
nach der .Königsnovelle' in Israel und Ägypten sowie zur
Überlieferungsgestalt mittelägyptischer Literaturdenkmäler
stark verpflichtet ist (vgl. auch S. 15). Auch wenn
G. sich nicht auf dem Boden linguistischer Terminologie
bewegt - nach seinem Dafürhalten genügt es noch, mit
den herkömmlichen Mitteln der Textanalyse zu arbeiten,
wenn diese eben nur konsequent und in beständiger
Reflexion angewendet werden - so billigt er einer linguistischen
Theologie' in den ,sprachbezogenen Wissenschaften
' doch eine wachsende Bedeutung zu (10f.). Dem entspricht
, daß G. sich stark an Erkenntnisse und Einsichten
von W. Richter (Exegese als Literaturwissenschaft u. a.)
anschließt. Der Autor achtet sehr stark auf methodische
Sauberkeit und Stringenz in seiner Arbeit. Man kann es
ihm nicht abstreiten, daß er darin zu einer selten erreichten
Höhenlage gelangt, die sein Buch geradezu zu einem
Musterbeispiel für methodisch konsequentes und einleuchtendes
Analysieren von Texten werden läßt. Von
dieser Basis aus vermag er bisherige einschlägige Literatur
zu den behandelten Texten sachkundig zu beurteilen und
auf methodische Inkonsequenzen in dieser aufmerksam
zu machen.

Die drei Kapitel sind ziemlich gleichförmig aufgebaut.
Zunächst wird die bisherige Forschung zur einzelnen alt-
testamentlichen Stelle kritisch gewürdigt, wobei G. weit

ausholt und bis tief in das 19. Jh. zurückgreift. Dann folgt
eine vorläufige Kritik, die auf die Textanalyse vorwegweist
. In der diffizilen Textanalyse werden nacheinander
Literarkritik und Formkritik betrieben, die die Textgrundlage
und deren Erweiterungen herauskristallisieren sollen.
Das so gewonnene Material wird gattungskritisch beleuchtet
und mit ähnlich strukturierten ägyptischen Textstücken
verglichen. Eine vergleichbare Analyse der herangezogenen
ägyptischen Texte wird zwar gefordert, von G.
aber nicht vorgelegt. Der Vf. beschränkt sich darauf, den
Gesichtspunkt der formalen Verwandtschaft leitend sein
zu lassen. Er meint, dies vertreten zu können, da eine
unmittelbare Abhängigkeit der israelitischen Texte von
der ägyptischen Literatur nicht zur Debatte steht (14f.).
Was bei diesem Verfahren herausgekommen ist, kann sich
sehen lassen und sollte künftig nicht übersehen werden.

Es ist verständlicherweise in diesem Rahmen nicht
möglich, die detaillierte Analyse von G. vorzuführen, aber
vielleicht sollte mit ein paar Sätzen angedeutet werden,
worin G.s Studie weiterführt. In lKön3,l-15 läßt sich
in einem ersten kritischen Überlegungsgang herausstellen,
daß nur die Verse 4-15 einen einigermaßen in sich stimmigen
Sinnzusammenhang darstellen (21-25). Die Literaturkritik
, die auf Unebenheiten, logische Sprünge und Um-
interpretationen achtet, vermag aus diesem Komplex
einen Grundbestand von den Erweiterungen abzuheben,
wobei G. folgende Verse und Versteile für ursprünglich
hält: 4.5b.6a£X.7.8.9.11-13.14b.lö. In einzelnen Versen
werden noch einzelne Wörter und Satzteile als Zusätze
erkannt, so in 8.9.13.15 (31). Die Erweiterungen können
teils als vordeuteronomistische, teils als deuteronomi-
stische Bearbeitungen namhaft gemacht werden. Inhaltlich
scheinen u. a. die Aufteilung der Szenerie auf Gibeon
und Jerusalem auf einen vordtr Bearbeiter, die Beurteilung
nach dem Verhalten Davids auf einen dtr Bearbeiter
zurückzugehen. Der Grundbestand setzt wohl nur die Ereignisse
in Gibeon voraus (32-36). Die formkritischen Untersuchungen
des Grundbestandes stellen eine eigengeprägte
Phraseologie heraus und vermögen zunächst nur ein
Konglomerat heterogener Stilelemente festzustellen (Dialogstücke
, Erzählung, stilisierter Bericht; 53). Für dieses
vorfindliche Gemisch gibt es keine Gattung innerhalb des
Alten Testaments, am ehesten würde der Begriff der
.Novelle' den Sachverhalt definieren können. „Die Originalität
von Komposition und Spraohe weist über alt-
testamentliches Formengut hinaus. Die Notwendigkeit
eines Vergleichs mit außerbiblischen Strukturen ist
methodisch ausgewiesen" (54). In diesem Zusammenhang
ist seit längerer Zeit auf die Verwandtschaft mit der
ägyptischen Königsnovelle hingewiesen worden. G. modifiziert
auf Grund seiner Vergleichungen mit einer entsprechenden
Passage aus der Sphinxstele Thutmosis' IV.
die These der ,Königsnovelle'. Er meint eine Untergattung
entdecken zu können und benennt sie ,Prinzennovelle'
(56ff., 62f.). Diese wird in lKön3,4-15 .imitiert' (Gattung:
.imitierte Prinzennovelle'; 64). Gattungselemente sind
folgende: 1. Vorstellung eines benachbarten Wallfahrtsortes
; 2. Besuch eines königlichen Gastes; S.Zeit vor
bzw. zu Beginn der eigentlichen Regentschaft; 4. Begegnung
mit der Gottheit im Traum; 5. Ereignis einer Gottesrede
; 6. Fehlen einer Promulgation; 7. Gottesdienstlicher
Akt mit den Untergebenen (62f.). Auf Grund weiterer
Vergleichungen mit anderen ägyptischen Texten werden
danach Einzelzüge untersucht wie .Amtsnachfolge', ,Er-
wählung', .hörendes Herz', ,Dedikation (ich verleihe
dir...)', ,Weisheit' (hier auch Diskussion der Maat-Problematik
)' „Unvergleichlichkeit'und die .Zugaben' (Reichtum
, Glanz usw.), bei denen zugleich die enge Verwandtschaft
in Phraseologie und Form wie eben auch die wesentliche
Unterschiedenheit zwischen ägyptischer und israelitischer
Glaubensüberzeugung anschaulich herausgearbeitet
werden können (71-111). Ist beispielsweise in dem
Gott-Pharao-Verhältnis eine bemerkenswerte Interde-