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Ausgabe:

1977

Spalte:

56-58

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Sturm, Erdmann

Titel/Untertitel:

Geschichte der Reformation im Unterricht 1977

Rezensent:

Bräuer, Siegfried

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BS

Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 1

56

gesichts der oben genannten Fakten ausreichend differenziert
zu gliedern. Davon wird die Brauchbarkeit des Handbuches
zum gehörigen Teil mit abhängen, wenn es erst abgeschlossen
vorliegt.

Für die Gesamtherausgabe zeichnet jetzt Bernd Moeller.
Man wird ihm für die weitere Moderation und den baldigen
Abschluß des Werkes eine glückliche Hand und verständnisvolle
Mitarbeiter wünschen dürfen.

Was hier zur Anzeige gegeben wird, ist eine postume Arbeit
von Kurt Dietrich Schmidt, um die sich für die unerläßliche
Erweiterung des Literaturverzeichnisses besonders
Manfred Jacobs, aber auch der neue Gesamtherausgeber
verdient gemacht haben. Der Text ist im allgemeinen unverändert
gelassen worden. Die seit dem Tode Schmidts
(1964) erschienene Literatur ist nur bibliographisch erfaßt.
Hier hätte man sich in mancher Hinsicht Textmodifikatio-
nen gewünscht oder zumindest eine kurze Stellungnahme
zu der hier und da begegnenden Neusicht reformations- und
gegenreformationsgeschichtlicher Gegenstände in einer beachtlich
großen Zahl einschlägiger Arbeiten von römischkatholischen
Historikern. Fundgruben sind hier u.a. die
Festgaben für Hubert Jedin (Reformata Reformanda I u. II,
1965) und August Franzen (Von Konstanz nach Trient, 1972).
(Beide Werke sind in ThLZ 1968, 410-412 u. 1973, 815-818
rezensiert worden.)

Schmidt, dessen Studien über Ignatius von Loyola und das
Trienter Konzil den langen Vorlauf für die Bearbeitung der
hier thematisierten Materien erkennen lassen, problemati-
siert zunächst die Begriffe „Katholische Reform" und „Gegenreformation
". Obwohl sie mancher Hinterfragung bzw.
oft geäußertem Bedenken unterliegen — vornehmlich in Relation
zum Verständnis von „Reformation" —, meint jedoch
auch Schmidt, auf diese Terminologie nicht verzichten zu
können (S. 4-6).

Mit Akribie und Ausführlichkeit wie in keinem Lehrbuch
bisher widmet sich der Verf. in den zwei Kapiteln seines
Beitrages dem Aufweis der Wurzeln und des Verlaufes von
katholischer Reform und Gegenreformation. In bekannter
Meisterschaft der Darstellung geht Schmidt ein auf die Situation
der römisch-katholischen Kirche unter und nachdem
Geschehen der Reformation. Über diesen Zeitabschnitt von
etwa 1545—1648 wurde und wird in der evangelischen Theologenschaft
allgemein nicht viel gewußt, wohl auch deshalb,
weil man diese Periode für eine theologisch und frömmigkeitsmäßig
unergiebige Durststrecke kirchlicher Entwicklung
und Verwirklichung hält. Daß das fragliche Jahrhundert
in der altgläubigen Christenheit nicht so völlig grau
und gegenevangelisch verlaufen ist, wie es in vielen Darstellungen
zu registrieren war, zeigt Schmidt überzeugend auf,
besonders was die geistigen und geistlichen Aufbrüche dieser
Zeit angeht.

Die sachliche und zeitliche Absetzung von katholischer
Reform und Gegenreformation voneinander ist außerordentlich
glücklich. Die Ansätze zur Reform der Kirche vor,
neben und nach der Reformation betont Schmidt an Hand
von vielen Beispielen. Er macht auf das gut begründete Votum
Jedins aufmerksam, der einer der profundesten Kenner
der Zeitproblematik in der römisch-katholischen Forschung
ist: „Die protestantische Reformation konnte ihre Erfolge
nur deshalb erringen, weil die katholischen Reformbestrebungen
ihr Ziel nicht erreicht hatten" (S. 11). Immerhin
„wären die Reformdekrete des Konzils von Trient nicht
denkbar" gewesen ohne die vorangehende oder begleitende
katholische Reform, die zum Teil auch vom Papsttum aufgenommen
und durchgesetzt wurde. Reformation und katholische
Reform zusammengenommen haben das Tridentinum
direkt und indirekt so gestaltet wie es jetzt vor uns steht.
Diese Sicht aus unserer Zeit ist deshalb besonders wichtig,
weil bisher der „nachtridentinische Katholizismus" wie ein
rocher de bronce zwischen einer Verständigung der Konfessionen
gestanden hatte.

Ausführlich geht Schmidt auf Reformbestrebungen in den
romanischen Ländern ein. Sie gehen mit dem Humanismus

einher und werden zum Teil durch hohe Würdenträger der
Kirche gefördert (Contarini, Giberti, Caraffa, Sadolet.Valdes
u.a). Reformen alter Orden und Ordensneugründungen geben
der Reform weitere Impulse. Schmidt stellt „Schöpfung
und Gepräge" des Jesuitenordens „völlig" mit dem Wirken
des Ignatius von Loyola zusammen (S. 18). Ob dieser folgenträchtigen
Ordensgründung angesichts mancher korrekturbedürftiger
Vorstellungen in evangelischen Kirchen nicht
ein paar mehrSeiten hätten gewidmet werden sollen, isteine
Ermessensfrage, die wenigstens gestellt werden mag.

Das Konzil von Trient ist ein besonderer Schwerpunkt des
Beitrages. Seine Vor- und Verlaufsgeschichte wird straff und
einprägsam geschrieben. In der Charakteristik der theologisch
en Linienführung des Konzils greift der Vf. oft auf Jedin
zurück (s. z.B. S. 27 f.). Verflochtenheit von Theologie, (Kir-
chen-)Politik und Frömmigkeit werden für das Konzil plastisch
vor Augen gestellt. Eine ganze Reihe von Lehren
wurde hier dogmatisch fixiert, die vorher nicht definiert war.
Das bedeutete „ein Stück antiprotestantischerEinengung der
katholischen Kirche" (S. 29). Immerhin sei, so betont der
Vf., „das Konzil in der Betonung der Gnade so weit gegangen
..., wie es das Prinzip der Kooperation (scilicet: von
Gott und Mensch) nur irgend zuließ". Schmidt kommt zu
dem interessanten Schluß: „Wenn die tridentinische Linie
schon 1520 von einem Konzil dogmatisiert worden wäre, so
hatte sie die weite Ausbreitung der Reformation vielleicht
doch gehindert" (a.a.O).

Das zweite große Kapitel beschreibt die Rolle der Päpste,
die Bewegung in der Theologie und die Einzelausprägung der
Kampfe in der Zeit der Gegenreformation. Die Päpste zwischen
1566 und 1644 waren großenteils bedeutend, auch in
der Militanz ihrer Reformationsgegnerschaft. Reorganisation
der Kurie (Sixtus V.), Gründung der Jesuitenkollegs in
Deutschland (Gregor XIII.) und seltsames Schwanken zwischen
Tendenzen „für die Reform der Kirche wie für die Gegenreformation
" (Pius V. u.a., S. 31) und viele andere Impulse
kennzeichnen die fraglichen Jahrzehnte. Die zum großen
Teil wenig bekannten Theologen der Zeit stehen durchaus
nicht in jedem Falle loyal zur Kurie. Selbst die Disputa-
tiones Bellarmins, der gemeinhin als der Hort protestantenfeindlicher
Orthodoxie gilt, wurden päpstlicherseits angefochten
. Immerhin, große Werke der Polemik gegen vergleichbare
Arbeiten evangelischer Theologen entstanden damals
, so etwa das Geschichtswerk des Caesar Baronius, das
einen Kontrapunkt zu den Magdeburger Centurien darstellt
(S. 42).

Etwas summarisch geht Schmidt die Stätten und Perioden
der gegenreformatorischen Auseinandersetzungen durch.
Jeglicher Weiterarbeit am Thema ist allerdings eine hervorragende
Hilfe mitgegeben. Seitenlang ist in Petit die einschlägige
Literatur, gut geordnet, verzeichnet (S. 46—49). Die Darstellung
wird zwar bis 1648 geführt, teilt aber zumeist nur
Ergebnisse — so etwa das Resultat des Westfälischen Friedens
— mit. Hier werden andere Lieferungen den zugehörigen
Kontext bieten müssen.

Im Rahmen der thematisch abgesteckten Engführung hat
Schmidt ausgezeichnet informiert. Der schmale Faszikel
reiht sich vorteilhaft den bedeutenden Übersichtsdarstellun-
gtn an, die der Vf. schon früher den an der Bewußtmachung
der Kirchengeschichte Interessierten geschenkt hat.

Berlin Joachim Rogge

Sturm, Erdmann Karl: Geschichte der Reformation im Unterricht
. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn
[1975]. 143 S. 8° = Handbücherei für den Religionsunterricht
, hrsg. v. Becker, Stock, Wegenast, Wibbing, 19. Kart.
DM 22,-.

Der Stellenwert der Kirchengeschichte für den Religionsunterricht
ist in jüngster Zeit zunehmend zum Diskussionsgegenstand
geworden. Das gilt besonders für die Reformationsgeschichte
, der auch das zweite kirchengeschichtliche
Heft der bewährten Reihe gewidmet ist. Der Vf. hat 1972 eine