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Ausgabe:

1977

Spalte:

773-775

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Grosch, Heinz

Titel/Untertitel:

Religionspädagogik am Scheideweg 1977

Rezensent:

Kehnscherper, Günther

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Die wichtigsten Gesichtspunkte <lrs Tischabendmahls «erden
aufgegriffen iinil unter den vielfältigen Aspekten der Ge-
meindepraxis (vom Kir< lienbau Iiis zur Einzelseelsorge) gesichtet
. Exemplarisch hebl der Rezensent nur zwei angesprochene
Probleme heraus.

Das Tischabendmah] ist keine Alternative zur traditionellen
Abendmahlsfeier; denn es wird immer Christen geben, die mit
zu respektierenden Gründen ihre persönliche Gemeinschaft mit
Christus gegenüber der Gemeinschaft in der Gemeinde betonen.
Darum muß die uberlieferte Form im Lehen der Gemeinde Platz
behalten.

I):is Abendmahl darf nielit zur Meslätigung auch sonst schon
bestehender Gemeinschaft mißbraucht werden. Nach dem Slif-
tungswillen Jesu ist die Ahcndmahlsgcincinsc haft befähigt, sie Ii
in Frage stellen und darüber neu begründen zu lassen, die vor-
riudlielien Abgrenzungen in Michtiing auf die ökumenisidie fa-
milia dei zu durchbrechen.

Vorhandene Widersprüche und divergierende Ansichten belasten
das Much nicht, da die Verfasser nicht den Anspruch auf
gültige Lösungen erbeben, sondern den Leser im Grunde zur
Mitarbeit im theologischen henken und verantwortlichen praktischen
Experimentieren ermutigen wollen. Das Interesse wird
durch die knappe, praxisgebundene Sprache geweckt und bestärkt
. Wie auch eilfertige Praktiker durch die Art der Darstellung
vor vorschnellen Lösungen gewarnt werden.

Dresden Christoph Wetzet

KATECHETIK UND
RELIGIONSPÄDAGOGIK

Grosch, Dein/: Religionepädagogik am Scheideweg. Der Religionsunterricht
zwischen 11 umanw issenscha ften und Theologie
. Gütersloh: Gütersloher Yerlagshaus G. Mohn [1974].
216 S., gr. 8°. Kart. DM 38.-.

Die Skizze einer Szene im Team von Bearbeitern eines Ueli-
gionsbuebes gibt schon im Vorwort Aufsc hluß über Aldiegen und
Ziel der Arbeit von Grosch: ..Dali die Dislanzierung des Schü-
lers von der gesellschaftlich vorgegebenen Rolle di's Mannes
bzw . der Frau intendiert werden müßte, fand selbst verständlic h
Zustimmung: ob die Frage nach Gott überhaupt ein eigenes
Thema des Religionsunterrichtes sein könne, war mindestens
zweifelhaft. Das Sc hiff 'Religionsunterricht' ist aus dem Ruder

gelaufen. I her die Art und Ursache des Schadens wird heftig
gestritten. Desgleichen über die Schuldigen. Mancher glaubt
allerdings schon wieder Land zu sehen" (8).

Der Widerspruch zwischen der bis heute rechtlich unangefochtenen
Position des Religionsunterrichtes in den öffentlichen
Schulen der BRD — und ausschließlich um diesen Bereich bandelt
es sich im vorliegenden Muc h — und der tatsachlichen Situation
des Faches in Theorie und Praxis bat eine Fülle von divergierenden
Programmen. Vorsc hlägen und Methoden auf eleu
Plan gerufen. 1 m einer zunehmenden Verunsic herung unter den
Religinnspäelugogen in der HMD zu begegnen, bat sieb der Vf.
eine gründliche Situationsanalvse vorgenommen. Der theologische
und religionspädagogisc he Informationsgehalt sowie die
präzise und ubersichtliche Darstellung der Entwicklungslinien
der Grundlagenforsc hung in diesem gleic hwohl eminent praktischen
Mauel haben zur Zeil wohl nur in K.-K. Nipkows. allerdings
in anderer Sic ht konzipierter „Meligionspädagogik" und
K. Frörs ..Grundriß der Meligionspädagogik" ein im Anliegen
ähnliches < iegenüher.

Der Vf. w ill sein Muc h, dem eine 1973 von der evangelisc h-
theologisclien Fakultät der Universität Mern unter der Betreu-
Ung der Professoren K. Wegenast und II. Ringeding angenommene
Dissertation zugrunde liegt, als ..Reitrag zur Orientierung
im Dickicht der gegenwärtigen Diskussion'* (13J Verstanden
wissen.

In Kap. 1 (9—14) wird einleitend die Fragestellung der Un-

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tersuebung begründet, „Wie läßt sieb der Ort des Religionsun-

terichtes unter dem doppelten Gesichtspunkt der Auseinandersetzung
um Rcdigion und Religionskritik auf der einen und um
die unserer Gesellschaft angemessene Schule auf der anderen
Seite gegenwärtig bestimmen? Welche Tendenzen zeichnen sich
ab. um die vielfältigen Probleme angemessen zu lösen?" (13).

Kap. II „Die Genese der gegenwärt igen (iegprächslage" (15 bis
i3 skizziert die Vorgeschichte des heutigen Diskussionsstandes.
Ausgehend von der Nachkriegssituation bis 1908 führt die Darstellung
über die recht liehen Grundlagen, kirc hlic he' Verlautbarungen
und synodale Stellungnahmen zu der „Wende", die
der Vf. durch II. Ilalbfas und seine theologiegeschichtlichen
Konsequenzen markiert sieht.

Kap. III „Zur Ortsbestimmung des heutigen Religionsunterrichts
" (44 — I LO) zeic hnet sic h durc h die sac hkundigen und kritisch
-abgewogenen Rückfragen an die gegenwärtig vorliegenden
Entwürfe für Theorie und Praxis des Religionsunterrichts aus.

Kap. IV „Religionsunterricht in der Grundschule" (III Ins
145) trägt wesentliches Material zur Klärung des gegenwärtigen

Gesprächs über die besonderen Aufgaben des Religionsunterrichts
in der Grundschule bei und weist auf neue Ansätze in
der Praxis hin.

Kap. V ..Alternativen ohne Alternative? (Kritisc he Aspekle)'"

(I4(i— 187) bietet eine Zusammenfassung der Anfragen an die

verschiedenen Ausprägungen des Verhältnisses von Schule, Religionsunterricht
und Kirc he unter gcscllse haflskritischen, pädagogischen
und theologischen Aspekten.

Kap. VI „Perspektiven" (188—207) ist konstruktiven Möglichkeiten
gewidmet, die sic h aus den Folgerungen für einen
gleichermaßen pädagogisch wie theologisch zu verantwortenden
Religionsunterricht in der Sc hule von morgen" (13 f.) ergeben
.

Die Aufgabe eines derart konzipierten Religionsunterrichts
wird einmal durc h den sc hulischen Orl und Lcbcnsrnum beeinflußt
, an dem dieser Unterricht geschieht, und zum anderen
durch den Beitrag bestimmt, den theologisches Denken in das
vielstimmige Gespräch zur Herstellung des gesellschaftlichen

Konsenses einzubringen bat. „Insofern Theologie als Reflexion
des Glaubens Ursprung und Wirkung der christlichen Ratschaft
bedenkt, artikuliert sie zugleich die Probleme, die In der gegenwärtigen
Wirklichkeit aufbrechen, um sie mit den Antworten
der christlichen Überlieferung zu konfrontieren, und die Fragen
der in die Gegenwart hineinsprechenden Uberlieferung, um Antworten
in Gestalt künftigen Denkens und Handelns herauszufordern
" (191).

Abschließend zeigen vier Thesen (188—194) eine klare Position
des Vfs. auf: „Ziele und Inhalte des (konfessionell-) christlichen
Religionsunterrichts sind im Fragehorizont des Schülers,
seiner jetzigen und (möglic hen) künftigen Lebcnssit uation zu
begründen'" (193). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang
eine erneute Hinwendung zur wesentlichen Verantwortung der
Kirche für den Inhalt des Religionsunterrichts, ein Aspekt, den
man in der Kniwicklung der Meligionspädagogik in der MMD
seit Jahren im Gegensatz zur Konzeption evangelischer I nter-
Weisung in der DDM vielfach vermißt halte. ..Was Christen als
theologisch verantwortete Rede in das Gespräch um eine humane
Deutung der Wirklichkeit, um dem Sinn menschlichen Lehens
und um die Gestaltung der Welt einbringen, muß darum. . .
von der Kirche als ganzer mit verantwortet werden" (201).

Offensichtlich sinil es schwerwiegende Erfahrungen, die nach
Meinung des Vfs. die Kirche in der MMD zu der Einsicht veranlassen
sollten, dem Religionsunterricht ..alle die- sac hlic hen Hilfen
zu geben, deren er bedarf, soll er tatsächlich ein theologisch
verantworteter sein. Hierher gehören nicht nur die Bereitstellung
von sac hangemessenen Unterrichtshilfen und ein eher noch
zu verstärkendes Angebot von Fort- und W eilerhilclungsmüg-
lic hkeilen für Meligionslchrer, sondern vor allem Impulse- für ein
intensiveres ... Gespräch zwischen Mcligionspädagogen an
Hochschulen und kirchlichen Instituten. Systematikern und

... Vertretern der Kirchenlei I ungen : mit dein Zicd. einen möglichen
Konsens über theologische und didaktische Grundcnl-
sc beidungen wenigstens vorzubereiten'" (202). Man darf auf das

Echo dieses sehr nachdenklich stimmenden Appells wie auc h der

Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 IS'r. 10