Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1977

Spalte:

771-773

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Abendmahl in der Tischgemeinschaft 1977

Rezensent:

Wetzel, Christoph Lebrecht

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

771

Theologische Literalurzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 10

772

qvist), der kirchenmnsikalischen Entwicklung (Harald Görans-
son) und des liturgischen Rechts (Lars Eckerdahl) im größeren
Zusammenhang des Kommissionsberichtes gleichsam untergehen
; ein hinsichtlich seiner Aktualität und seines ökumenischen
Horizontes vergleichbarer Oberblick über'die weltweite Liturgieszene
hegt in. W. in deutscher Sprache nicht vor; eine Ubersetzung
wäre dringend zu wünschen.

Ein zweiter Ergänzungsband (Bilaga 2) dokumentiert und
kommentiert die weiter (dien erwähnten Experimentalgottes-
dienste; Voraussetzungen, Intentionen, methodische Probleme,
Verlauf und Auswertung der Gottesdienstversuche werden eingehend
beschrieben. Beachtlich ist die umfangreic he Dokumentation
des hierbei verwendeten liturgischen Materials (S. 73 ff.);
bei der Durchsicht wird deutlic h, daß und in welchem Umfang
die Versuche die endgültigen Kommissionsentwürfe beeinflußt
haben. Auch das gesamte Instrumentarium der Auswertung
(Fragebögen, Statistiken, Ergebnisse der Meinungsumfragen
usw.) wird vorgelegt.

Ein zusammenfassendes Urteil über die bisherigen Ergebnisse
der schwedischen Agendenrevision abzugeben fällt schwer. Vergleicht
man die vorliegenden Entwürfe etwa mit den Tendenzen,
wie sie im deutschen Sprachgebiet in den sechziger und frühen
siebziger Jahren wirksam waren (,,Gottesdienste in neuer Gestalt
" mit vielfach gesellschaftsbezogener Thematik), so ist ein
beharrendes — vielleicht sogar restauratives — Moment unübersehbar
. Vielleicht spielt hier auch das Bild eine Holle, das die
Kommission sich selber von den „Phasen" der liturgischen Entwicklung
gemacht hat: Nach der Phase gottesdienstlicher Restauration
, die bis in die fünfziger Jahre hinein wirksam war,
und einer sieh anschließenden Phase, in der die Ideen der „Sä-
kularisierungstheologie" auch liturgisch zum Zuge kamen, folgt
nun — so sagt man — eine dritte Phase, in der das persönliche
Gotteserlebnis (womöglich sogar in Form einer „Neomystik")
auch die liturgische Spiritualität bestimmt. Kein Zweifel: Mit
den oben beschriebenen „Bibelmessen" etwa versucht man insbesondere
den in dieser dritten Phase wirksamen Tendenzen zu
entsprechen. So betrachtet, können die schwedischen Vorschläge
eine hohe Aktualität für sich in Anspruch nehmen; daß sie in
diesem Zusammenhang sehr viel mehr liturgischen „Spielraum"
gewähren als die stärker auf Uniformität bedachte Agende von
1942 (und die ebenso an der Vorstellung liturgischer Uniformität
orientierten offiziellen Ordnungen unserer Landeskirehen), verdient
zusätzliche Beachtung.

Leipzig Karl-Heinrich Itieritz

Löwe, Hartmut, Lütticken, Johannes, Zipperl, Christian, Stökl,
Waller, u. Jürgen Hocckh: Abendmahl in der Tischgemein-
schaft. Neue Möglichkeiten zur Feier der Eucharist ie. Kassel:
Johannes Stauda Verlag 1971. 104 S. 8° = Kirche zwischen
Planen und Hoffen, hrsg. von der Evang. Michaelsbruderschaft
, 4.

Zwei Momente der gegenwärtigen Situation haben das Autorenkollektiv
motiviert : die — weithin schon faktische — Entwicklung
der Volkskirche zur Minderheitenkirche und die durch
die liturgische Bewegung nicht behobene Fremdheit des Abendmahles
in den Gemeinden. Nicht Aufarbeitung der theologischen
Problematik, sondern Bericht aus der Praxis und Weitergeben
von Anregungen ist sein vordringliches Anliegen. „Die Tischmesse
wird die hohe Messe davor bewahren, als unverstandener
heiliger Ritus zu erstarren; clie ... hohe Messe aber hilft der
Abendmahlsfeier um den Tisch, . . . offen zu sein für das im Alltag
geschehende ... Cicheimnis der Transzendenz" (S. 11).

Die doppelte Wurzel des Abendmahls in Jesu Tischgemein-
schaft (Löwe):

Wenn Jesus das Reic h Gottes als Festmahl verkündigt, ist
das mehr als Aufnahme alttestamentlicher und spätjüdischer
Tradition: „Die Sache selber ist in das 'Bild' eingegangen..."
(S. 16). Dem entspricht Jesu Verhalten und I landein. Er feiert,
mit seinen Jüngern, weil durch ihn die Zukunft schon Gegenwart
ist (christolngisch.es Verständnis des Mahles). In den Spci-
sungsgcschicht.cn sammelt er beispielhaft die endzeillichc lleils-

gemeinde (ekklesiologisches Verständnis des Mahles). Sündern
und Zöllnern gewährt er durch seine Tischgemeinschaft Vergebung
(soteriologisches Verständnis des Mahles).

Diese1 Aspekte sind verdichtet Im Abendmahl als einer prophetischen
Zeichenhandlung Jesu: „Jesus bietet. .. kommendes
Geschehen als (labe an" (S. 20). Die Gemeinde setzt die Tischgemeinschaft
mit Jesus nac h Ostern In ihren täglichen Mahlfeiern
fort, weil der zeichenhafte Vorgriff Jesu auf seinen Tod
als Heilsereignis den zeichenhaften Rückgriff der Gemeinde ermöglicht
.

„Die doppelte Wurzel unserer Abendmahlsfeier in Jesu Tischgemeinschaft
und dem Mahl vor seiner Hinrichtung" (S. 21)
sollte in der kirchlichen Praxis unverkürzt zum Tragen kommen.
Als Vorwegnähme der neuen Menschengemeinschaft mit und in
Christus bat die Abendmahlsfeier eine heilsame gesellschaftskritische
Funktion.

Die Feier der Messe Im kleinen Kreis (Lütticken):
Das isolierte individuelle Glaubensleben steht in der Gefahr,
die Antwort Gottes sich selbst zu verdecken. Die festgelegten
liturgischen Formeln der Großkirche können nicht persönliche
Antwort sein. Die dialogische Gruppe aber „ist der — von Gott

geschenkte — Vollzug ihrer persönlichen Gemeinschaft mit dem

Herrn" (S. 27). Die Gruppe bietet die optimalste Situation zur
Aktivierung der Christusgemeinschafl als I) persönliche eucha-
ristisc he Begegnung mit dem Herrn und 2) gemeinsames und
gegenseitiges Engagement unter dem Anspruch des Herrn, herausgewachsen
aus dem zwischenmenschlichen Kontakt auf der
Grundlage des Glaubens.

Das gruppendynamisch vermittelte Hören und Interpretieren
des Wortes ist die liasis für das Feiern der Eucharistie in der
Gruppe. Unverzichtbar für den Formkanoii der Eucharistie ist
auc h hier das Hochgebet, im NormalfaU nach dem klassischen
Modell des Hippolyt-Kanons gestaltet, in Sonderfällen auf „die
lobpreisende Memoria des Heilshandelns •■olles" und die Doxo-
logie reduziert. Der nolw.....lige Bückbezug auf das historische

Abendmahl Jesu kann „selbst siiiischweigend geschehen" (S.39).

Wenn auch in der Gruppe der Priester nicht die führende
Rolle beanspruchen darf, müssen ihm doch Vorbehalten bleiben
,. Einset zu ngsbericht, Anamnese, Kpiklese über den Gaben"

(S. 43). Er macht den Anfang mit dem Brechen des Brotes und

Austeilen der Gaben.

Die äußere Gestaltung soll in jeder Hinsicht dem gewac hsenen
Stil der Gruppe entsprechen ohne Rücksicht auf gruppenfremde
Traditionen.

Zur Gestaltung des Abendmahls um den Tisch (Zipperl):

Kritisch besprochen werden bereits vorliegende Ordnungen
des Tischabendmahls. Bei aller Freiheit der Gestaltung muß der
Zusammenhang mit der traditionellen Messe gewahrt bleiben.
Unaufgebbar sind: die Offenheil der Gemeinschaft, Anbetung,
Universalität der Verkündigung, eschatologisc he Ausrichtung
und vor allein „klare chrislologisehe Begründung". ,. Das Abendmahl
isl mehr, sehr viel mehr als eine Ermutigung zur Mit -
menschlichkeit" (S. 05)!

Bruderschaft und Tischmesse (Stökl):

Die Tischmesse „entspricht der zukünftigen Gestalt der Kirche
.. ."In „brüderlichen Zusammenschlüssen, in... Hauskreisen,
die sicdi in und neben der Volkskirche einwickeln, wird den geistlichen
Mittelpunkt die Tischmesse bilden" (S. 72). Von dieser
Zielvorstellung her werden die prospektiven Chancen der Abendmahlspraktiken
bestehender evangelischer und katholischer
Bruderschaften erhoben: die Uberwindung der Amtskirche zum
Priestertum aller Gläubigen bin; der festliche, fröhliche Mahl-
charakter; clie diakonische Dimension im Hinblick auf clie mitfeiernden
Kranken und Armen und das allgemeine Liebeswerk,
für das bei der Tischmcsse gesammelt wird; clie Öffnung des
Mahles zur Welt bin im Gegensatz zur liturgisch geschlossenen
Mysterienfeier; der praktizierte Okumenismus ohne Rücksicht
auf konfessionelle Schranken,

Die Bruderschaften können so die Front- und Fragestellungen
der Großkirchen zukunftsweisend unterlaufen und durch ihr
Handeln Frustrationen abbauen helfen,

TischmeiSe in Kirc he und Gemeinde (lioeckh):