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Ausgabe:

1977

Spalte:

755-757

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Plathow, Michael

Titel/Untertitel:

Das Problem des concursus divinus 1977

Rezensent:

Fangmeier, Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 10

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als Abschwäehung seiner' Thesen zurück weisen. Zumal als symptomatisch
hochinteressantes Buch muß man es in der Tat auf
sich wirken lassen in der ganzen Radikalität seines Denkens, in
seiner freimütigen Sprache und in sielen kraftvollen Formulierungen
.

neriin Hans-Georg Fritzsche

Plathow, Michael: Das Problem des coneursus divinus. Das Zusammenwirken
von göttlichem Schöpferwirken und geschöpflichem
Eigenwirken in K. Harths „Kirchlicher Dogmalik".
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1976. 212 S.. 1 Tabelle,
gr. 8° = Forschungen zur systematischen und ökumenischen
Theologie, hrsg. v. E. Schlink, 32. DM 42,—.
Fs handelt sieh um die ..leicht geänderte" Fassung einer Heidelberger
Dissertation von 1972, die der existentiellen und aktuellen
Frage gilt: „Kann und wie kann das Bekenntnis zu Gottes
gegenwärtigem Mitwirken mit der Erfahrung der freien Eigentätigkeit
des Geschöpfes und der 'Weltlichkeit' der Well zusammengedacht
werden?" (S. 11) Während die meisten heutigen
protestantischen Dogmatiken dem Concursus-Problem nur geringe
Beachtung scherdien oder die ConcurSUS-Lehre ablehnen,
nimmt sie in der katholischen Dogmalik nach wie vor breiten
Raum ein — und prolest a nt isc herseils in K. Barths Kirchlicher

Dogmatik (KD III, 3).

Im Ersten Teil, 'Grundtypen der Verhältnisbestimmung von
göttlichem Schöpferwirken und geschöpflichem Eigenwirken'
(S. 17 — 97), verbindet Vf. geschichtlichen Gesamtüberblick (der
in solcher Ausführlichkeit noch nicht vorgelegen zu haben
scheint) und Typisierung der in der Theologiegeschichte auftretenden
Coneursus-Verständnisse. Mit Geschick weiß Vf. die
entscheidenden (zunächst lateinischen) Texte einzuführen und
zu erschließen. Insbes. kommen Thomas von Aquin mit dem
coneursus divinus immediatus, J. P. Olivi als Vertreter der medialen
Coneursus-Konzeption, M. Luther und das personale
Cooperatio- Verständnis, die molinistisch-thomistischen Auseinandersetzungen
, die protestantische Orthodoxie (Calov und
Quenstedt, Turrettini und Coecejus), Schleiermacher mil seiner
Ablehnung und bewußtseinstheologischen Uminterpretation
des coneursus divinus und schließlich K. Rahner mit eirrern dia-
lek tischen, transzendental-ontologischen Coneursus-Verständnis
zur Sprache.

Im Zweiten Teil (S. 99—175) folgt die Darstellung der Barth-
sehen Concursus-Lehre nach KD III, 3, deren Vergleich mit den
vorher herausgearbeiteten Typen, folgen dann biblisch-theologische
Erwägungen des Vfs. zur Themafrage und Auseinandersetzung
mit Harths Lehre. Die Darstellung des betreffenden
Teils der Kirchl. Dogmalik macht einen kleinen Bruchteil der
Gesamtstudie aus und ist nicht deren Ziel, auch nicht deren
Herz. Wertvoll hinsichtlich der Barth-Interpretation ist. die
Herausarbeitung des historischen Kontextes der Barthschen
Con cursus-Lehre.

Dritter Hauptteil und Ziel der Studie ist unter dem Titel
'Der coneursus divinus in der Gewißheit, in der Reflexion und
im Bekenntnis des Glaubens' der eigene Versuch einer systematischen
Darlegung des coneursus divinus, wobei Vf. im Sinne
lutherischer Theologie Heidelberger Schule Barth teilweise willig
rezipiert, teilweise zu korrigieren sucht; dabei beziehen sich
Lob und Tadel je auf die gleichen Barthschen Elemente.

Positiv wertet Vf.:

1. Barths konsequente Christozentrik: In Jesus Christus
„allein ist das Geheimnis offenbar, daß Gott zum einen nicht
allein wirken will, zum anderen das Geschöpf nicht allein wirken
läßt" (S. 164).

2. Daß Barth sein Verständnis des coneursus divinus auf das
Zusammenwirken Gottes mit dem glaubenden Geschöpf, im
Indikativ-Imperativ-Geschehen, konzentriert. Mit einein Satz.
G. Bornkamms: „Weil Gott alles wirkt, darum habt ihr alles
zu tun" (S. 165).

3. Barths personales Denken, d. h. seinen existentiellen Alisa
tz auch in der (loncursus-Lehre: daß der Glaubende, als aul
Gottes Wort Hörender, als in Anbetung, Dank und Gehorsam

vor Gotl Stehender es ist, der „die analogia operalionis zwischen
Schöpfer und Geschöpf als <inadengeheimnis, das allein in Jesus
Christus offenbar ist", erkennt (S. 165).

Ablehnend verhält sich Plathow gegenüber Barth in folgendem
:

1. Vf. urteilt, Barths Denkform der Analogie sei, formal,
nicht geeignet, die personal-ereignishafte Struktur des coneursus
mit der lehrhaft-ontologischen zusammen zur Geltung zu
bringen (S. Ff.), Und das analogische I lenken vermöge—sachlich
—nicht, die Kreatur in ihrem Eigensein gebührend ernst zu
nehmen. Aus dem Untergrund bricht zudem immer wieder die
bekannte Klage durch, daß für Barth in der vorzeitlichen Erwählung
alles vollbracht und sein Denken dadurch letztlich zu
Geschichtslosigkeit verurteilt sei (bes. S. 170).

2. Barths Zuordnung von Evangelium und Gesetz, signalisiere
ein zu Triumphalismus neigendes Denken, das Sünde,
Elend, Anfechtung nicht im biblischen Sinn ernst nehme (S.
170 ff.). Hier dürfte der Nerv der (lutherischen!) Kritik des Vis.
liegen. „Nicht die Analogie zum erhöhten Jesus Christus, sondern
die Seihst beschränk ring der Allmacht und Herrlichkeit
Gottes, wie sie in Christi Erniedrigung bis zum Schmerz und
Tod am Kreuz offenbar ist, ist die Fnivöglichung und Bedingung
des freien geschöpflichen Wirkens und des geschöpflichen
Eigenseins ..." (S. 179).

Plathow findet, eine personal verstandene Foneursus-
Lehre sollte die Frage des Zusammenwirkens von Schöpfer und
Geschöpf mit in der Darlegung von der eonservatio und der gu-
bernatio behandeln, nicht in einem besonderen Mittelteil, der
protestantischerseits nicht einmal viel Tradition habe (S. I73ff.)

In der eigenen systematischen Darlegung geht Vf. von der
existentiellen Ebene der Gewißheit des coneursus divinus aus
(1.): Der begnadete Sünder ist das Subjekt der Gewißheit des
Zusammenwirkens von Schöpfer und Geschöpf. Er ist es, der
auch das Leid „unter die Gottes furchtbaren Zorn letztlich überstrahlende
Liebe gestellt" erkennt (S. 188). Gottes Selbsterniedrigung
bis zum Tode am Kreuz verstehI er als Selbstbeschräri-
krrrrg der Allmacht Gottes, die dem gesehüpflielren Eigensein
— und dazu gehört etwa der sog. „gemäßigte Evolutionismus"
(S. 192), gehören „Gesetzmäßigkeiten in Wirtschafts- und Sozialleben
" (S. 193) — Baum gewährt, ohne daß sieb Irdisches
verabsolutieren kann. — Die existentielle Ebene ist die Voraussetzung
für die Reflexionsebene (2.), auf der nunmehr zunächst
von paradoxaler Einheit des Zusammenwirkens von Schöpfer
und Gesc höpf zu reden ist. Diese impliziert die Iiikommen-
surabilität von Schöpfer- und Geschöpfwirken. Doch hat der
glaubende Denker1 auch Anlaß, beides im Sinne der Komple-
ui e ntaril ä I — die auch von der heuligen Physik berufen wird -
zusammenzusehen (vgl. Phil 2. 12 f.; S. 196ff.), wobei das
„Wie1" der Einheit allein als Geheimnis zu erkennen bleibt
(S. 199). — Die angemessene Denk- und Redeform für die Verbindung
der existentiell-personalen und der logisch-ontologi-
sehen Ebene (3.) gewahrt Vf., basierend auf F. Schlinks Aufsatz
über 'Die Struktur der dogmatischen Aussage', im Bekenntnis
.

Gerade indem iedr als Basier Theologe dem Entwurf des Heidelberger
Kollegen im wesentlichen zu folgen vermag, muß icdi
seine Kritik, mit der er sich von Barth abstößt, in Frage stellen:
a) Barths Erwählungslehre konkurrenziert nicht das Fvangelium
von Jesus Christus und stellt es nicht in den Schatten, sondern
sie denkt ihm nach. — h) Wie sehr sich Barths Theologie als
Kreuzestheologie verstehen läßt, zeigt et wa B, Klappert, Die Auf-
erweckung des Gekreuzigten. Der Ansatz der Christologie Karl
Barths Im Zusammenhang der Christologie der Gegenwart (Neu-

kirchen 1974^), Zu berücksichtigen wäre in diesem Zusammenhang
auch der Aufsatz von M. Geiger, Providentia Dei. Überlegungen
zur christlichen Vorsehungslehre und dem Problem der
Beziehung Gott-Welt. In: Parrhesia, Karl Barth zum SO. Geburtstag
, Zürich 1966, S. 673«., bes. S. 684f. 690. - c) Wie und

wie sehr auch Barths Theologie eine Theologie der Anfechtung
ist, läßt etwa die 12. Vorlesung in Barths 'Einführung in die
evangelische Theologie' (Zürich 1902, S. 146ff.) ermessen. Die
(von Barth nicht totalisierte) Folge Evangelium—Gesetz entspricht
nur dem von Plathow bejahten „Indikativ-Imperativ-