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Ausgabe:

1977

Spalte:

723-725

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Mendenhall, George E.

Titel/Untertitel:

The tenth generation 1977

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 10

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seien hier niehl besonders vermerkt. S. 129 Z. 14 ist hehr, bämöt
ganz ausgefallen, und S. 116 ist ein Teil des Inhaltsverzeichnisses
von S. 13 in den Text geraten.

Abschließend sei bemerkt, daß es mir verdienstlich erscheint,
die von W. Richter geübte Methodik einmal an einem prophetischen
Text zu versuchen. Möglichkeiten und Grenzen dieser Methodik
können auch gerade in der vorliegenden Arbeit gut sichtbar
werden.

Göttingen V. Zimmerli

Mendenhall, George E.: The Tenth Generation. The Origins of
the Biblical Tradition. Baltimore — London: The Johns Hopkins
University Press [1973]. XVIII, 248 S. m. 20 Abb.
gr. 8°. Lw. £ 5,65.

Der vorliegende Band enthält eine Reihe von Beitrügen zur
Frühgeschichte Israels, die in der Zielsetzung und im methodischen
Anliegen eng miteinander verbunden sind. George E. Men-
denhall bezeichnet sie als ,,essays". Diese Bezeichnung ist glücklich
gewählt; denn es handelt sich um kritische Erörterungen
grundsätzlicher Probleme der Geschichte Israels unter Berücksichtigung
wissenschafts- und kulturgeschichtlicher Zusammenhänge
, die im allgemeinen von den Fachleuten weniger berührt
werden.

Ausgangspunkt ist das Unbehagen, das der Vf. angesichts der
geringen Fortschritte in der Erforschung der biblischen Geschichte
während der letzten Jahrzehnte empfindet. Die Wiederentdeckung
der altorientalischen Geschichte durch Ausgrabungen
und Textfunde habe die biblische Historiographie nur
in Details bereichert und beeinflußt. Die biblische Geschichte
sei nach wie vor ein in sich geschlossenes System. Weil sie heilige
Geschichte ist, wurde sie der kritischen Forschung nicht
unterworfen.

Diese nach Meinung des Vfs. immer noch herrschende Auffassung
soll Überwunden werden durch die (wahrlich nicht neue)
Erkenntnis, daß die historische Forschung den Wert der biblischen
Uberlieferungen nicht gefährdet. Als Konzeption für die
Befreiung vom traditionellen Schema wird empfohlen, die Entstehung
der ..biblical Community" als einen Prozeß zu verstehen,
der alle Merkmale einer kulturellen, religiösen und auch politischen
Revolution trägt (S. X).1 Das Revolutionäre an dieser neuen
Gemeinschaft auf palästinischem Boden war ,,its radically
new way of looking at God, nature, and humanity", wie es im
Dekalog zum Ausdruck kommt (S. XI). Der VI. ist überzeugt,
daß sieh von diesem Gesichtspunkt aus für den modernen Menseben
neue Zugangsmöglichkeiten zur biblischen Bolschaft eröffnen
. Das sei um so mehr zu erwarten, als das revolutionäre
Element über die Zeiten hinweg lebendig bleibt. Freilich tritt es
in den Phasen der ruhigen Entwicklung in den Hinlergrund. In
Situationen des politischen und ökonomischen Niedergangs erweist
es jedoch seine schöpferische Lebenskraft und seine soziale
Funktion. Im Gegensatz dazu tritt eine Krise der alttestament-
lichen Religion immer dann ein, wenn sie sich mit der monopolisierten
politischen Gewalt verbindet. Das aber ist Heidentum.
Die Religion Israels entsteht durch die Überwindung der heidnischen
Baalsreligion, nicht aber durch Entwicklung aus dem
Heidentum. Israels Religion ist das Produkt einer Zeit der weltweiten
politischen und ökonomischen Katastrophen. Sie brachte
eine neue soziale Gemeinschalt: „The basis of this religion was
the rejection of control of human beings by force, and the pro-
clamation that only God was in control . . ." (S. XIII). Um diese
neue Sicht des Vfs. von der Entstehung der Religion Israels zu
verstehen, bedarf es eines neuen historischen Konlexts. Seiner
Herstellung sollen die der vielversprechenden Einleitung folgenden
acht Essays dienen.

Die erste Abhandlung, „Early Israel as the Kingdom of Yah-
Weh" (S. 1 — 31), beschäftigt sieh mit der Entstehung der revolutionären
Größe 'Israel' zu Ausgang der Spätbronzezeit. Der Vf.
sieht in Israel eine religiöse Gemeinschaft, durch Bundesschlüsse
um den einen Gott Jahwe geschart, der alle jene Funktionen
ausübt, die sonst im Alten Orient dem König zugesprochen werden
. Die Begründung dieser Gemeinschaft erfolgt nach dem Erlebnis
der Befreiung aus Ägypten in der Gottesbegegnung am
Sinai. Hier erkennen die Befreiten den, der stärker ist als die
vorgeblichen Gottkönige und dem allein die durch das Zeichen
der geflügelten S........nseheibe symbolisierte Macht zukommt
. Viel Mühe wird aufgewendet, um auf komplizierten I fm-

wegen und mit Hilfe von zwanzig schönen Abbildungen nachzuweisen
, daß im Allen Testament die 'Wolke Jahwes' jener altorientalischen
Flügelsonne entspricht f.,The Mask of Yahweh"',
S. 32 — 68). Es schließt sich an eine Untersuchung der Wurzel
nqni, deren Bedeutung M. im Sinne von ..defensive vindication"
festlegt („The ' Vengeance' oT Yahweh", S. 69—104). Ihre
Ausübung kommt ausschließlic h Jahwe zu. Ihre säkulare Per-
vertierung ist eine notwendige Folge der Einführung des Königtums
. Im „Incident at Beth Baal Peor" (S. 105—121) zeichnet

sich bereits der Übergang der Gewalt von Jahwe auf die Gesellschaft
ab, der Übergang vom „covenant "zum „law".

Die folgenden Essays befassen sich mit der bevölkerungspolitischen
Situation im spä I bronzezeil lieben Kanaan. Grundsätzlich
wendet sich M. immer wieder mit neuen Argumenten
gegen die (heule freilich kaum noch vertretene) Theorie von dem
ethnischen Wechsel in der Bevölkerung durch jeweils die Vorbevölkerung
dezimierende, wenn nicht gar vernichtende Einwandererwellen
. Gleichermaßen bekämpft er jegliche form der
'Nomadentheorie' mit großem Eifer. Diesen Positionen entsprechend
erscheinen dem Vf. die Habiru nicht als ein hinzukommendes
Bevölkerungselement, sondern als Einheimische,
die es lediglich ablehnen, einen Status in einer der existierenden
politischen Gemeinschaften zu beziehen („The 'Apiru Move-
ments in the Eale Bronze Age", S. 122 — 141). M. rechnet dann
aber doch auch mit einer- starken Einwandererbewegung, die
nach dem Zusammenbruch des Hethiterreiches entwurzelte
anatolische Bevölkerungsteile weil nach Süden vordringen läßt.
Allerdings wurden diese rasch mit den Bewohnern Syriens/Palästinas
verschmelzenden sogenannten 'Seevölker' nicht ethnisch
, sondern sozial und kulturell wirksam („The 'Sea-Peoples'

in Palesline", S. 142—173). Die Besiedlung des Ostjordanlandes
zu Beginn der Eisenzeil soll in der Hauptsache durch solche
kleinasiatischen Einwanderer erfolgt seirr. Besonders eingegangen
wird auf den Nachweis einer änatolischen Herkunft der
Heviter (S. 154ff.) und auch der Midianiter (S. 1631f.). Auch der
revolutionären Jahwegemeinsc halt haben sich Elemente angeschlossen
, die von anatolisch-nordsyrischer Herkunft gewesen
sind (Jakob-Traditionen). Die Jahwegemeinschafl ist ethnisch
also ebenso zusammengesetzt wie die Bewohnerschaft der Philisters
! ,;id te oder der kanaanäischen Stadtstaaten. Der entscheidende
Unterschied besteht in der sozialen Organisation nac h

„radically differing value Systems" (S. 153).

In seinem siebenten Essay sucht M. das neue revolutionäre-

Gesellschaftssystem der Jahwegemeinschafl Israel etwas näher
zu bestimmen („Tribe and State in the Ancient World: The .Nature
of the Biblical Community", S. 174—197). Im wesentlichen
entspricht das etwas magere Ergebnis den Vorstellungen der
Priesterschrift von der idealen Theokralie der Mosezeit. Vor
allem legt der Vf. Wert auf die Feststellung, daß die soziale Ordnung
in der revolutionären Mosaischen Epoche eine säkulare
Angelegenheit gewesen sei. Erst mit dem Sieg der 'Konterrevolution
' in der Großreichszeit selzt sich die religiöse Begründung
der Gesellschaftsordnung In Israel durch. Die alle Tyrannei der
Stadtstaaten kehrt wieder; aber nicht für immer. Auch ihr System
ist dem geschichtlichen Rhythmus der sozialen Entwicklung
unterworfen. Angeblich jeweils nach zehn Generationen,
also nach 250 — 300 Jahren, komml es zu einer Krise des bestehenden
Gesellschaftssystems („The Tenth Generation", S.
215 — 226), eine Theorie, die sehr erinnert an den Versuch von
O. Lorenz, eine 300 — 600 jährige Periodizität der Weltgeschichte
nachzuweisen. ^

Vom reichen Inhalt dieses Essay-Bandes kann hier nur ein
Einblick in die wichtigsten Thesen und den hauptsächlichen
Gedankengang geboten werden. Das Vergnügen an der ludle
der in die entlegensten Gebiete führenden Exkurse, arr den
scharfsinnigen Beobachtungen, originellen Vermutungen und
Apercus wird leider dadurch getrübt, daß im Interesse einer
übertreibenden 'Soziologisierung' der Frühgeschichte Altisra-