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Ausgabe:

1977

Spalte:

716-719

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Der Pietismus in Gestalten und Wirkungen 1977

Rezensent:

Pietz, Reinhold Lutz

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 10

71G

ALLGEMEINES. FESTSCHRIFTEN

Wohlmuth, Josef, u. Hans Georg Koch: Leitfaden Theologie.

Eine Einführung in Arbeitstechniken, Methoden und Probleme
der Theologie. Zürirli-Einsieclcln-Köln: lienziger Ver-
lag [1975]. 150 S. 8° = Arbeits- und Studienbücher Theologie
. DM 16,80.

Das vorliegende Buch, eine I Gemeinschaftsarbeit zweier ka i ho-
lischer Theologen, ist aus Kiiiführungskursen für Studienanfänger
erwachsen und soll vor allem dazu dienen, die schwierige
Ubergangsphase von einem „schlichten" Glauben zu kritischer
theologischer Arbeit zu erleichtern. Es ist seinerseits als Grundlage
für einen Einführungskurs konzipiert. Deshalb werden bei
jedem größeren Abschnitt Aufgaben und Kontrollfragen gestellt
bzw. gezielte Anregungen gegeben, um zu einer systematischen
Erarbeitung der einzelnen Sachprobleme anzuleiten. Gedacht
ist sowohl an Gruppenarbeil als aueb an das Selbststudium eines
einzelnen.

Die Darstellung gliedert sich im wesentlichen in drei Komplexe
, denen eine längere Einleitung (1. Einführung, S. 11 — 21)
vorausgeht. Im ersten Komplex (2.Grundtechniken wissenschaftlichen
Arbeitens in der Theologie, S. 23—52) wird der Leser mit
den elementaren Arbeitsgängen bei der wissenschaftlichen Behandlung
eines Themas, ausgehend vom Modell des Kurzreferates
, vertraut gemacht. Hier erfolgt auch eine Information über
die wichtigsten theologisc hen Nachschlagewerke und Zeitschriften
sowie über allgemeine Bibliographien im deutschsprachigen
Bereich. Im zweiten Komplex (.'!. Theologie als wissenschaftliche
Aufgabe, S. 53 — 69) geht es um die Standortbestimmung
der Theologie im wissenschaftlichen Raum, also um wissen-
schaftstheoretische Überlegungen und die frage ihrer Gültigkeit
für die Theologie. Für die Verfasser ist hier neben anderer
einschlägiger Literatur vor allem \ . Pannenberg, Wissenschafts-
theorie und Theologie, 1973. von Bedeutung. Im drillen Komplex
, dem umfänglichsten des Buches (4. Die wichtigsten theologischen
Einzelfächer — Eine Hinführung anhand exemplarischer
l'rageslellungen, S. 71—148), kommen die besonderen
Gegenstände und Methoden der Teildisziplinen, der katholischen
Ordnung folgend, zur Sprac he. Als Beispiele dienen zentrale
Probleme wie die Pentateuchkritik, Vaticanum I, die Auferstehung
Jesu oder die Transsubstantiationslehre.

Sc hon diese wenigen Bemerkungen dürften deutlich machen,
daß die Verfasser sehr umsichtig vorgegangen sind und dem Leser
einen ersten umfassenden Uberblick über Ziel und Möglichkeiten
theologischer Arbeit, und zwar unter dem Blickwinkel
einer kritischen Theologie, zu gehen versuchen. Dieser Versuch
kann nur als gelungen bezeichnet werden. Die Darlegungen sind
vor allem deshalb überzeugend, weil sowohl die großen Perspektiven
der Theologie und ihrer Teildisziplinen als auch die Feinheiten
der wissenschaftlichen Kleinarbeit mit dem dazu nötigen
Handwerkszeug zur Geltung kommen und weil die Verfasser,
wie clie zuletzt genannten Beispiele zeigen, auch vor „heißen Eisen
" nic ht zurückschrecken und daher ein sehr lebendiges Bild
theologischer Forschung und Lrleilshildung zu zeichnen vermögen
. Natürlich wird man in Einzelfällen fragen müssen, oh nicht
zu viele oder zu wenige Probleme und Informationen geboten
werden. Das erstere könnte bei der fundamentaltheologischen
Erörterung der Auferstehung Jesu (S. 116—121) der Fall sein,
zumal wenn sie als Grundlage für das Selbststudium eines einzelnen
dienen soll. Umgekehrt ist nicht ganz einzusehen, war um
bei der Ubersicht über die Zeitsc hriften ( S. ' — 48) so wichtige
fachspezifische Organe wie die ZAW oder clie ZNW, von denen
die ersten' allein schon wegen ihrer Zeitschriftenschau unentbehrlich
ist. fehlen. Doch sind das Kleinigkeiten, die nicht ins
Gewicht fallen. Vielmehr sei abschließend betont, daß es sich um
eine1 auc h für den protestantischen Leser sehr instruktive Darstellung
handelt und sie, ihrer Ahzweckung entsprechend, gebührend
beachtel werden sollte.

Leipzig Joachim Conrad

[Schmidt, Martin:] Der Pietismus in Gestalten und Wirkungen.
Martin Schmidt zum 05. Geburtstag, hrsg. v. II. Bornkamm,
F. Heye,-. A. Schindler. Bielefeld: Luther-Verlag 1975. 524 S.
gr. 8° = Arbeiten zur Geschichte des Pietismus, im Auftrag
der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus
hrsg. v.K. Aland, E. Peschke u. M. Schmidt. 14, l.w.
DM85,-.

Am 28. 4. \)Tt vollendete der Heidelberger Kirchenhistoriker
Marlin Sc hmidt das 65. Lebensjahr. 26 Fachgenossen, Freunde

und Sc hüler aus sieben Ländern haben ihm zu seinem Festtag
das vorliegende Werk gewidmet, das sie Ii von der Mehrzahl vergleichbarer
Schriften durc h die strenge Konzentration auf das
Lebensthema des Forschers abhebt und in nahezu jedem Beitrag
auf Ergebnisse und Anregungen aus seinen Arbeiten zurückgreift
. Ein vollständiges Verzeichnis dieser- Veröffentlichungen
bis 1974 wurde von K. Breuer und E. Stöve zusammengestellt
und sc hließt den Band ah. Die Aufsätze des vorangehenden

Hauptteils sind nac h den Namen der- Autoren alphabetisch geordnet
; hei dem Versuc h, sie hier in der gebotenen Kürze zu
charakterisieren und zugleich zu zeigen, wie sie einander ungesucht
ergänzen, stellen wir auf clie historisc he Abfolge der behandelten
„Gestalten und Wirkungen'' um.

Wer eleu vorbereitenden Kräften des Pietismus (P.) nachgeht
, stößt unweigerlich auf .1. Arndt. Seiner Bedeutung speziell
für das schwedische Frömmigkeitsleben ist eine Studie von II.
Pleijel gewidmet (S. 383 — 394), die zu dem Ergebnis kommt,
„daß Johann Arndt auch in Schweden auf verschiedenen Gebieten
einen Einfluß ausgeübt hat. der sich gar nicht hoch genug
einschätzen läßt" (394). Dabei sieht Vf. In Arndts Werk „echte
lutherische Glaubensgedanken mit Zügen mittelalterlicher Frömmigkeit
" vereint, (391) und stimmt der Auflassung Ritschls zu,
daß der P. an die letzteren angeknüpft hat.

M. Sc hmidt hat in seinem Hallenser Festvortrag zum 300.
(Geburtstag A.II. Franckes gemeint. daß dessen Jugendeindrük-
ke vom Aufhauwerk Herzog Emsts des Frommen von Gotha
„ihn wohl sein ganzes Lehen hegleitet" hätten. Wie es um das
Verhältnis des Fürsten zum werdenden P. sieht, untersucht L.
)'. Green (S. 179— 191). Tatsächlich erscheine er wie ein Vorläufer
von Spener und Francke, aber „not 'Pietism', hui piety
and orthodoxy were wedded together at their liest in ihis devoul
Iayman" (191).

Das bisher unveröffentlichte Gebets-Tagebuch der Jahre
1651-1663 des Puritaners Samuel Birch stellt G. F. Nullall
vor (S. 343 — 354) und leistet damit einen Beitrag zur Erforschung
jener Bewegung, clie der Jubilar ..als Wegbereiter und
Parallelerscheinung zum P." (BGG3 V 373) besonders intensiv
Studierl hat. Das ist in breiten Auszügen zitierte Dokument ist.
nicht nur frömmigkeitsgeschichtlich, sondern auc h allgemein-
historisch bedeutsam, spiegeln sieh in ihm doc h die Ereignisse
einer bewegten Zeit (Cromwell-Ära!).

Eine minutiöse literarhistorische Untersuchung legi J. Wallmann
unter dem Titel ,,Post illenvorrede und Pia Desideria Philipp
Jakob Speners" vor (S. 466—484)1 Nachdem der theologische
Gehalt von M. Schmidt und anderen bereits sorgsam erhoben
wurde, geht es ihm um clie Klärung noch offener „Fragen
der unmittelbaren Veranlassung, der Verbreitung und des Erstdruckes
der pietistisehen Programmschrift" (466). Unter (wie es

zunächst scheint) drei ges.....leiten Frankfurter Drucken mit der

Jahreszahl 1676 scheidet er einen aus. weil sich zeigt, daß bei
ihm nur der 1. Bogen neu geselzl wurde, um sodann den älteren
der beiden verbleibenden auszumachen und mit guten Gründen
auf den Herbst 1675 zu datieren.

Zu den Beigaben, um die Spener diese erste selbständige
Ausgabe seiner' Schrift erweiterte, gehört ihre Begutachtung

durch seinen Schwager J. H. Horb. Dieser w ir kte von KiT'.l Iiis
1685 in der freien Reichsstadt Windsheim und ist so einer der
Männer, denen F. W. Kantzenbacfa in seiner territorialgeschichtlichen
Skizze ..Der Pietismus in Ansbach und im fränkischen
Umland" (S. 286—299) besondere Aufmerksamkeit zuwendet
.

Das gleichzeitige Vordringen des P. in einer anderen deutschen
Landschaft und die sich daraus ergehenden Auseinandersetzungen
schildert auf der Grundlage von Aktenmaterial aus