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Ausgabe:

1977

Spalte:

50-52

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Borchert, Ernst

Titel/Untertitel:

Die Trinitätslehre des Johannes de Ripa 1977

Rezensent:

Wendelborn, Gert

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 1

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gäbe, als Verpflichtung zum Dienst und nicht als hierarchische
Ehrenstellung, Zusammenschluss des Amtsträgers mit
allen Glaubenden unter dem einen Hirten und Lehrer Jesus
Christus wie auch Unterschiede aufzuzeigen: Chrysostomos
befaßt sich in einer speziellen Schrift mit dem Priestertum.
Seine Aussagen lassen meist offen, ob er vom Priester oder
vom Bischof spricht. Augustin dagegen begrenzt seine Aussagen
deutlich auf das Bischofsamt. Seine Überlegungen in
Predigten und Briefen sind jeweils durch einen konkreten
Anlaß bedingt.

Zwei Beiträge befassen sich mit dem Verständnis des
monastischen Lebens bei Johannesund Augustin. Beide kommen
von ähnlichen Erfahrungen her. Luc Verheijen, Spiri-
tualite et vie monastique chez Saint Augustin (93—123) gelingt
es, anhand der Äußerungen Augustins zu Apg 4,31 bis
35 ein faszinierendes Bild der theologischen und pastoralen
Entwicklung Augustins zu entwerfen. (Zur Bedeutung dieser
Perikope in der Alten Kirche ist jetzt zu verweisen auf
P. C. Bori, Chiesa primitiva, L'immagine della communitä
delle origini - Atti 2,42-47; 4,32-37 - nella storia della
chiesa antica, Brescia 1974.) Jean-Marie Leroux, Saint Jean
Chrysostome et le monachisme (125—144) zeigt meisterhaft,
daß für Chrysostomos Askese nie Selbstzweck sein darf, sondern
Mittel zur ständigen Dienstbereitschaft für Gott und
Mitmensch sein muß. Durch die Vermittlung Cassians sind
die Anstrengungen des Chrysostomos auch für das Abendland
wichtig geworden.

Daß die Bibel für Johannes wie für Augustin von größter
Bedeutung ist, zeigen die beiden nächsten Beiträge. Anne-Marie
La Bonnardiere, La Bible „liturgique" de Saint Augustin
(147—160) weist auf verschiedene Zyklen zur Einführung in
die Bibel hin (Unterweisung der Katechumenen, Zyklus des
Kirchenjahres). — Marie-Louise Guillaumin, Bible et Liturgie
dans la predication de Jean Chrysostome (161-174) gibt
in ihrem Beitrag interessante Resultate ihrer Untersuchung,
die sich mit der Frage der Wahl der Perikopen befaßt. Sie
kommt zum überraschenden Schluß, daß Johannes gegen
Ende seiner antiochenischen Wirksamkeit von der Predigt
im liturgischen Rahmen dispensiert und mit der Leitung
eines höheren katechetischen Unterrichts beauftragt worden
ist.

Anne-Marie La Bonnardiere, Les sentences des sages dans
la pastorale de Saint Augustin (175-198) und Anne-Marie
Malingrey, Les sentences des sages dans la predication de
Jean Chrysostome (199-218) weisen nach, daß beide Väter
häufig Zitate aus der Weisheitsliteratur verwenden, um
ihren Hörern eine auf menschlicher Erfahrung basierende
ethische Unterweisung zu geben.

Im letzten Abschnitt befassen sich zwei Beiträge mit der
Christologie des Johannes Chrysostomos. Charles Kannen-
giesser, Le mystere pascal du Christ mort et ressuscite selon
Jean Chrysostome (221—246) zeigt eindrücklich, wie es Johannes
in Anlegung an Paulus gelingt, seinen Hörern die
dynamische Kraft von Passion und Ostern greifbar zu machen
. Das Mysterium von Kreuz und Auferstehung aktualisiert
sich in der täglichen Erfahrung des Glaubens ständig
neu. Boris Bobrinskoy, L'Esprit du Christ dans les Sacre-
ments chez Jean Chrysostome et Augustin (247-279) unterstreicht
mit Recht, daß Chrysostomos mit seiner Betonung
der sozialen Dimension der Eucharistie wegweisend auch
für heute ist.

Die Durchführung dieser Tagung, das Erscheinen dieses
Bandes sind erfreuliche Anzeichen einer beginnenden Neueinschätzung
des lange Zeit verkannten Johannes Chrysostomos
.

Buus (Schweiz) Rudolf Brändle

Barnard, L. W.: Athenagoras: De Resurrectione. The Back-
ground and Theology of a Second Century Treatise on the
Resurrection (StTh 30, 1976 S. 1-42).

Skarsaunc, Oskar: The Conversion of Justin Martyr (StTh
30, 1976 S. 53-73).

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Bordiert, Ernst: Die Trinitätslehre des Johannes de Ripa, I

u. II. München-Paderborn-Wien: Schöningh 1974. XVII,
III, 946 S. gr. 8° = Münchener Universitätsschriften.
Kath.-Theol. Fakultät. Veröffentlichungen des Grabmann-
Institutes zur Erforschung der mittelalterlichen Theologie
u. Philosophie, hrsg. v. M. Schmaus, W. Dettloff, R. Heinzmann
, N. F. 21, 1 u. 2. Kart. DM 150,-.

Ernst Bordiert, ein seit Jahrzehnten ausgewiesenerKenner
der Scholastik des 14. Jh.s, legte 1974 das vorliegende umfangreiche
und mit großer Akribie erarbeitete Werk über die
Trinitätslehre des Johannes von Ripa vor. Ripa, über dessen
Leben kaum etwas bekannt ist, wurde seit 1922 in seiner
Bedeutung innerhalb der Scholastik neu entdeckt. Er hieß
mit Familiennamen Plantadossi, war ein Franziskaner aus
der Kustodie Ascoli und wurde ein berühmter Lehrer an
der Pariser Universität. Ein Teil seiner Werke ist verschollen
, die erhaltenen Werke aber wurden durch Andre Com-
bes, dessen Leistungen hinsichtlich Ripas als bahnbrechend
zu beurteilen sind, z.T. im Zusammenwirken mit Mitarbeitern
1957—1970 in Paris neu ediert. Bordiert stützt sich vorwiegend
auf die die Trinitätslehre abhandelnden Distink-
tionen seines Sentenzenkommentars, zieht aber des öfteren
zur Ergänzung auch die vorbereitende Quaestio De Gradu
Supremo und die apologetisch ergänzenden Determinationes
mit heran. Alle diese Werke veröffentlichte Ripa im Zeitraum
von 1354 bis 1359.

Ripa hielt sich im allgemeinen an die Reihenfolge der vom
Lombarden in seinem grundlegenden Sentenzenkommentar
behandelten Fragen, erweiterte die einzelnen Problemkreise
aber in formaler wie inhaltlicher Hinsicht bisweilen beträchtlich
. Durch ausführliche Paraphrasicrung seiner Deduktionen
zu jeder Frage und ein an den Schluß jedes Paragraphen
gestelltes sorgsam abwägendes Resümee sowie
durch ausführliche Zitate im 2. Bd. macht Bordiert das Ausmaß
der spekulativen Durchdringung der Trinitätslehre
durch Ripa kenntlich. In jeder Distinctio bewährt sich aufs
neue der logische Scharfsinn des lange Zeit zu Unrecht vergessenen
Scholastikers und seine Fähigkeit zu minutiösen
Unterscheidungen. Seine Zeitgenossen wußten das zu schätzen
, hoben sie Ripa doch von Duns Scotus, dem doctor sub-
tilis, als doctor supersubtilis ab. Bordiert spricht von einer
nahezu letztmöglichen formullogischen Entfaltung der dargebotenen
Ansichten und nennt Ripa den magister formali-
zantium des 14. Jh.s (617).

Dieser geradezu überkritische Scharfsinn der Beweisfüh-
uing ist freilich von eigener Problematik, weshalb Bordiert
denn auch von einem zwiespältigen Eindruck dieses rein
denkerisch so überrragenden Werkes spricht. Hier wird die
Theologie vollends zur ..Onto-Theologie" (Vignaux); der Philosoph
scheint den Theologen völlig zu absorbieren; die metaphysische
Spekulation dominiert. Damit wird eine die gesamte
Scholastik beherrschende Zielsetzung auf die Spitze
getrieben. Ripa erstrebte damit nicht weniger als die Inaugurierung
der Erneuerung des ganzen Systems der Theologie
. Gewiß war hieran auch der Christ Ripa interessiert.
Bordiert dürfte zuzustimmen sein, wenn er mit Schmaus
annimmt, Ripa habe im Glauben an die göttliche Trinität die
Sinnmitte christlicher Existenz in ihrer Fülle und Tiefe gesehen
und sich deshalb bemüht, diesen Glauben ontotheolo-
gisch unter Aufbietung aller denkerischen Kräfte abzusichern
. Letztlich sei für Ripa, obgleich er dies nicht direkt
ausspreche, sachliches Leitmotiv seines Forschens das Wort
Ruperts von Deutz gewesen: in tantum vivimus, in quantum
beatam Trinitatem cognoseimus (635). Gerade die Trinitätslehre
schien überdies ein schier unerschöpfliches rationales
Betätigungsfeld zu bieten, hatte sie sich doch seit der Patri-
stik als der spekulativen Durchdringung besonders zugänglich
erwiesen. Ripa ist davon überzeugt, daß jede richtige
syllogistische Schlußform erst recht im theologischen Bereich
im Wortsinn Geltung hat. So geht es in diesem Buch