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Ausgabe:

1977

Spalte:

702

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Ökumenische Bewegung 1973 - 1974 1977

Rezensent:

Althausen, Johannes

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VOl

Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 9

702

kirche durch die Herero dar — in vielem eine Parallele zu
den Vorgängen bei den Nama. Zugleich aber ist hier für den
Vf. der Ort, an konkreten Beispielen die mit Versuchen einer
afrikanischen Indigenisation sich stellenden Probleme herauszuarbeiten
. „Traditioneller Hereroglaube wird mit dem
Christusglauben der Bibel. . . verbunden" (141). Ist dies im
Sinne einer echten Synthese denkbar, oder bedeutet das
Synkretismus? Vf. macht immerhin auf erhebliche Verkürzungen
der biblischen Botschaft aufmerksam: „Der Gerichtsgedanke
der christlichen Verkündigung ist eliminiert
... Im Jenseits bei Gott werden alle vereinigt... Afrikanisches
Einheitsdenken schließt alles in einem harmonischen
Kreis zusammen" (153).

Daß der „harmonische Kreis", das heute oft gerühmte
afrikanische Einheits- oder Ganzheitsdenken, auch sehr
ernste Fragen aufwirft, verdeutlicht Vf. besonders im Abschnitt
über die dritte Separationsbewegung, den Rehobo-
ther Kirchenstreit. Die Mission hatte an der Volkwerdung
der Rehobother Baster „entscheidend teilgehabt" (223). Das
veranlaßte die Rehobother Führer zu der These: „Kirche
und Staat sind eine Einheit. Weigert sich die Kirche, den
politischen Ideen zu folgen, wird diesen das Herzstück und
alle Kraft genommen. Alle politischen Kräfte müssen sich
darum in Bewegung setzen, um zuerst die Berechtigung der
politischen Forderungen in der Kirche und im Glauben
sicherzustellen" (227). Zu diesen höchst anfechtbaren Auffassungen
gelangten die Baster allerdings nicht von ungefähr
, denn „mit dieser auf reformierter Lehre basierenden
Staats- und Kirchenauffassung sind sie täglich konfrontiert,
wenn sie auf die Nederduits Gereformeerde Kerk und ihren
Einfluß auf den Staatsapparat Südafrikas blicken" (253).

In dem „Schuld und Erneuerung" überschriebenen Schlußabschnitt
wertet Vf. seine Forschungen, Gespräche und Analysen
noch einmal resümierend aus. Daß dabei das Fehlverhalten
vieler Missionare nicht beschönigt wird, ist gut;
leider verleitet es den Vf. zu einer allzu moralisierenden,

wissenschaftlich nicht haltbaren Betrachtung geschichtlicher
Vorgänge überhaupt (280; 295, Anm. 4). Dem steht
jedoch die Fülle der ausgebreiteten Fakten und deren wohltuend
sachliche und stets um echtes historisches Verstehen
bemühte Interpretation gegenüber. Darin ist der theoretische
, vor allem methodische Wert der Arbeit wie ihre
praktische, wegweisende Bedeutung begründet. Fünf Dokumente
, als Anlagen beigegeben, vervollständigen die in jeder
Beziehung instruktive Studie.
Leipzig Siegfried Krügel

Krüger, Hanfried: ökumenische Bewegung 1973—1974.

Korntal: Evang. Missionsverlag 1975. 166 S. 8° = Beiheft
zur ökumenischen Rundschau, 29. DM 17,80.

Der Dokumentarband setzt die Arbeit des Beiheftes Nr. 28
fort und verbleibt als Vorarbeit für den Beitrag im kirchlichen
Jahrbuch im gleichen Rahmen. Den meisten Platz
nimmt die Berichterstattung über die Sitzungen des Zentralausschusses
des ökumenischen Rates der Kirchen 1973
und 1974 ein. Auf das Abschlußdokument zur Studie „Gewalt
, Gewaltfreiheit und der Kampf um soziale Gerechtigkeit
" sei besonders verwiesen. Ein Abschnitt über den
„ökumenischen Lern- und Arbeitsprozeß" greift Bangkok 73
und andere wichtige Vorbereitungstagungen für Nairobi auf.
Die Auseinandersetzung mit den Evangelikaien enthält vorwiegend
Dokumente dieser Gruppe. Von den Gegendokumenten
werden nur die Fundstellen genannt. Schließlich sei
wie in der Besprechung zu der Dokumentation 1969—1972
betont: Man möchte noch mehr über „interne" Ökumene
erfahren, übrigens auch, wenn möglich, nicht nur Andeutungen
über ökumenische Beziehungen der Kirchen in der
Bundesrepublik und ihre Bedeutung für das kirchliche Leben
. Aber hier scheint der Rahmen des kirchlichen Jahrbuches
noch zu eng zu sein.

Berlin Johannes Althausen

REFERATE ÜBER THEOLOGISCHE DISSERTATIONEN IN MASCHINENSCHRIFT

Reichert, Detlef: Der Weg protestantischer Liturgik zwischen
Orthodoxie und Aufklärung. Diss. Münster 1975. 488 S.
Die seit einiger Zeit in der systematischen Theologie aufgebrochene
Neubeschäftigung mit der Epoche der deutschen
Aufklärung stellt sich auch der Liturgiewissenschaft als
Problem. Darf das durch Theologengenerationen gängige
Negativurteil über die gottesdienstlichen Formen und Experimente
des ausgehenden 18. Jhs. uneingeschränkt unter
der Formel der „Auflösung" (P. Graff) rezipiert und
tradiert werden? Nachdem schon A. Ehrensperger 1972 in
seiner Zürcher Dissertation („Theorie des Gottesdienstes
...") eine Neu- und Umbewertung des Gottesdienstes
der späten deutschen Aufklärung vorgelegt hat, nimmt die
vorliegende Arbeit das Phänomen der in dieser Zeit in Fülle
erscheinenden agendarisch-gottesdienstlichen Entwürfe zum
Ausgangspunkt, um nach deren theologisch-liturgischen
Voraussetzungen und den allgemein historischen Bedingungen
zu fragen.

In einem ersten Arbeitsgang wird das kirchlich-theologische
Erbe des 17. Jhs. auf der Schwelle zum 18. Jh. untersucht
. Orthodoxie und Pietismus liegen auch in dieser Frage
und an diesem Ort, der zugleich als der erste Schritt protestantischer
Liturgik anzusprechen ist, im Widerstreit. Der
letztlich gemeinsamen Zielsetzung — Gottesdienst zur Verehrung
Gottes — stehen unterschiedlich begründete Positionen
gegenüber. Hermeneutischer Ansatz, Wertigkeit der
alt- und gesamtkirchlichen Entwicklung, Stellung zu Gesetz
und Freiheit hinsichtlich Ordnung und innerem Gottesdienst
treten als entscheidende Differenzpunkte beider Positionen
hervor. Die hier an den Universitäten ausgetragenen Kontroversen
prägen das Bild theologisch-liturgischer Bemühung
im ersten Drittel des 18. Jhs.

In einer zweiten Fragerichtung geht die Arbeit dem Zusammenhang
praktizierter gottesdienstlicher Form mit der
kiichenrechtlichen Entwicklung und deren Rückwirkung auf
diese Form nach. Einerseits lassen sich im kirchenrechtstheo-
retischen Bereich parallele Interessen und Argumentationen
mit der internen theologischen Diskussion sichtbar machen;
zum anderen erweist sich die rechtspraktische Handhabung,
kulminierend in der staatskirchenrechtlichen Kollegialtheo-
rie der Landesherren, gegen Mitte des 18. Jhs. als deutliche
Begrenzung nicht nur praktisch-kirchlicher Liturgieeingriffe,
sondern auch der liturgisch-theol. Reflexion insgesamt.

Die Arbeit stellt diese Entwicklung, wie auch folgend bis
zur späten deutschen Aufklärung hin, quellenmäßig anhand
der Einzelpublikationen dar und bezieht darüber hinaus
systematisch die neu entstehende Gattung der Zeitschriften
ein. (Der Anhang I bietet dazu eine zusammenfassende
Übersicht der entsprechenden theologischen Zeitschriften in
Kurzdarstellungen, die über rein liturgiegeschichtliches Interesse
hinausreichen.)

Die allgemein wie theologiegeschichtlich geänderte Situation
des 6./7. Jahrzehnts bringt auch die Liturgik wieder in
Bewegung. Parallel zur Gesamtintention der vernünftigen
Intention der vernünftigen Orthodoxie — und nicht zuletzt
auch unter dem Druck der gemeindlich-gottesdienstlichen
Realität — wird auf theologisch-liturgischem Sektor versucht
, den Grundgedanken des gottesdienstlichen Ordnungsund
Notwendigkeitscharakters mit dem einer prinzipiellen
Veränderbarkeit liturgischer Form zu verschmelzen. Der
ersten Phase notwendiger theologischer Uminterpretations-
versuche der in ihrem wörtlichen Bestand noch rechtlich
(und faktisch) gesicherten Agenden folgt die bewußte Formulierung
der liturgischen Identitätsfrage zwischen dogma-