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Ausgabe:

1977

Spalte:

699-702

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Sundermeier, Theo

Titel/Untertitel:

Wir aber suchten Gemeinschaft 1977

Rezensent:

Krügel, Siegfried

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699

Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 9

700

B — der bereits 1974 erschienenen 60 Kindergottesdiensthil-
fen der Missouri-Lutheraner in den USA. Dabei wird im
Vorwort vor einem Mißverständnis gewarnt: man soll diese
Ansprachen nicht „as loaves of bakery bread" (= wie Laiber
von Bäckerbrot) verwenden, d. h. fertig und zum Servieren
bereit. Vielmehr gelte es, „always add your own faith and
your own knowledge of the people to whom you are speak-
ing" (— immer deinen eigenen Glauben und deine eigene
Kenntnis von den Leuten, zu denen man gerade spricht, hinzuzufügen
). Dann erst kann man das haben, was man gern
will, nämlich „a fresh loaf ready to be served" (= einen
zum Servieren fertigen Brotlaib).

Diese anschauliche, in ihrer Konkretheit kaum zu überbietende
Sprache ist nicht nur im Vorwort, sondern auch
in den 60 Kinderpredigten, der die Episteltexte der „Inter
Lutheran Commission on Worship, Year B" zugrunde gelegt
sind, zum Unterrichtsprinzip erhoben worden. Aus der
Fülle der Beispiele soll wenigstens eins kurz angeführt werden
: Als Text ist Uoh 3, 2 — die Epistel am 4. Sonntag nach
Ostern — vorangestellt unter der Überschrift „Warte, bis es
vollendet ist" (= Wait Until It's Finished). Als dinglichstoffliche
Demonstrationsobjekte — bezeichnenderweise immer
mit dem Begriff „Welt" (= World) beschrieben im Unterschied
zum vorhergehenden „Word" (= Wort) — dienen
ein Stück Biskuitteig und ein bereits gebackener Biskuit,
der auf einem Papierteller serviert wird. Die Kinder sollen
daran das theologische „Noch nicht" und das bereits in Christus
vollendete Gotteskindschaftsverhältnis erkennen. Der
Schlußsatz dieser Kinderpredigt lautet dann entsprechend:
„Inzwischen sind wir noch wie unfertiger Biskuit. Wir sind
noch nicht vollendete Gotteskinder, aber wir sind Kinder
Gottes. Wir können uns und andere besser annehmen, wenn
wir wissen, was wir sind und was wir sein werden.
(= Meanwhile, we are like the unflnished biscuit. We are
not yet perfect children of God, but wir are children of God.
We can accept ourselves and others better when we know
what we are and what we will be.)

Die Lektüre dieser „Capel Talks" ist auf alle Fälle anregend
. Sie macht uns deutlich, wie oft wir noch zu abstrakt
mit den Kindern reden mögen. Aber dennoch: manches ist
mir zu sinnlich-dinglich aufgezogen. Da bevorzuge ich schon
unsere Methoden, selbst wenn auch diese ihre Mängel
haben.

Leipzig Gottfried Kretzschmar

MISSIONSWISSENSCHAFT, ÖKUMENE

Sundermeier, Theo: Wir aber suchten Gemeinschaft. Kirch-
werdung und Kirchentrennung in Südwestafrika. Witten:
Luther-Verlag; Erlangen: Verlag der ev.-luth. Mission
[1973]. 360 S. 8° = Erlanger Taschenbücher, 21.

„Wie ein Steppenbrand breiteten sich die Bewegungen
zur Bildung unabhängiger christlicher Gemeinschaft seit den
20er Jahren im südlichen Afrika aus. Im Jahre 1918 gab es
76 unabhängige Kirchen, 1932 waren es 320, 1948 ca. 880.
Heute zählt man mehr als 2000 Gruppen mit einer Mitgliederzahl
von 2 313 000, das sind 21,2 °/o der Gesamtbevölkerung
Südafrikas" (5). Vf. schildert, in welcher Weise Namibia
an diesem Prozeß teilgenommen hat. „Die Rheinische
Mission arbeitete seit 1842 unter den verschiedenen Stämmen
Südwests. Drei große Separationsbewegungen führten
die Missionsarbeit in eine schwere Krise. Im Jahr 1947
trennte sich die Mehrheit der Nama-Mitarbeiter von der
Missionskirche und schloß sich der African Methodist
Episcopal Church an. Die Herero gründeten im Jahre 1955
eine Nationalkirche, und die Rehobother Gemeinschaft
wurde 1957 durch einen erbitterten Kirchenstreit tief erschüttert
. Im Folgenden soll der Versuch unternommen
werden, die Ursachen zu diesen Spaltungen, ihren geschichtlichen
Ablauf und ihre Herausforderung an die Missionskirche
darzustellen" (ebd.). Die Gespräche, die Vf. auftragsgemäß
über Jahre hinweg im Rahmen seiner Forschungen
führte, trugen dazu bei, daß 1971 „eine erste Konferenz mit
den Führern der Unabhängigkeitsbewegungen" stattfand,
„auf der alle gemeinsam den Wunsch aussprachen, wieder
in näheren Kontakt mit der Missionskirche zu kommen, ohne
die eigene Geschichte verraten zu müssen" (6).

Die Darstellung der Selbständigkeitsbewegung unter
den Nama setzt mit der Feststellung ein, daß zwar der Pioniermissionar
Carl Hugo Hahn 1866 ein Seminar zur Ausbildung
einheimischer Prediger und Lehrer errichtete. „Doch
je mehr Südwest der Kolonisation geöffnet wurde, je mehr
weiße Siedler ansässig wurden, je mehr sich ein Überlegenheitsbewußtsein
der Weißen ausbreitete, um so weniger
wurde die Notwendigkeit gerade dieser Ausbildungsarbeit
erkannt. Im Jahre 1901 wurde das Seminar geschlossen"
(16). „Erst im Jahre 1922 konnte das Augustineum als reine
Lehrerausbildungsstätte wieder eröffnet werden ... An eine
Pastorenausbildung wurde nicht mehr gedacht. Als Evangelisten
wurden diejenigen angestellt, die — horribile dictu —
leistungsmäßig zu schwach und zu alt waren, dem Kursus
zu folgen und ein Examen ablegen zu können" (17 f.).

Auch für die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen gilt:
„Der Missionar ist der patriarchalische Pädagoge, der die
unmündigen Kinder als ,Vater in Christo' leitet. Wann der
Reif ungsprozeß zu Ende gekommen ist, bestimmt... der
europäische Missionar, der seine Maßstäbe und sein Ideal
am deutsch-preußischen Pastorenamt gewonnen hat" (20).
Und noch 1946 werden auf einer Missionarskonferenz die
Namamitarbeiter so eingeschätzt: Sie besitzen „zu wenig
Charakterstärke ... Das ist eben der unaustilgbare, knechtische
Grundzug im Charakter des hamitischen Geschlechts,
während es sonst so hochmütig ist..." (71, Anm. 33). Daß
die Nama ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen
wollten, bewirkte, daß führende Missionare „einer um sich
greifenden demokratischen' Denkweise von Anfang an
einen Riegel vorschieben" zu müssen meinten (30). Damit
erwiesen sie sich, wie Vf. zutreffend sagt, als „einem Gemeindedenken
verhaftet..., das mehr im autoritär-patriarchalischen
Traditionsdenken als im biblischen Zeugnis von
der Gemeinde gründet" (31).

Dabei waren die Forderungen der Nama äußerst bescheiden
, ihr Verhalten von einer Demut, die die Weißen tief
hätte beschämen müssen: „Wir begehren nicht, Weiße zu
sein oder den Weißen gleichgestellt zu werden, dennoch erkennen
wir, daß wir auch Menschen sind" (32). „Wir, die
Schwachen, sehen zu den Weißen, unsern Vorgesetzten und
Bevorrechtigten, um Hilfe und Leitung auf, aber alles, was
wir empfangen, ist Verachtung und Erniedrigung. Das verursacht
, daß wir uns zurückziehen, und es verursacht das
Entstehen von Minderwertigkeitsgefühl und schafft Mißtrauen
in uns gegenüber den Weißen" (73, Anm. 44). Die
Missionare reagierten hierauf nicht geistlich, sondern kalt
juristisch. Man „pochte auf das Recht des Besitzenden: Gotteshaus
, Agende, Schulgebäude, Gemeinde- und Kassenbücher
gehören der Rheinischen Mission und bleiben ihr
Eigentum" (33). So kam es zum Bruch, den die Missionare
mit peinlichem Pharisäismus quittierten: „Man fällte keine
Sachurteile, sondern Glaubensurteile. Man beurteilte die
Zeit als .Sichtungszeit'. Dieser Begriff... legt die Fronten
fest: Hier Gott — dort Satan, hier Wahrheit — dort Lüge,
hier gerechter Glaube — dort Synkretismus, hier Kirche —
dort Sekte" (55). Es gereicht der Leitung der Rheinischen
Mission zur Ehre, daß sie ihren Missionaren nicht beipflichtete
; vielmehr „bekannte" sie „ihre Schuld und ihr Versagen
im Blick auf den Selbständigkeitswillen der Namamitarbeiter
" (58). Statt sich jedoch zurechtweisen zu lassen,
stellten sich die Missionare nunmehr der südafrikanischen
Regierungspropaganda zur Verfügung und sagten den
Nama „kommunistische Unterwanderung" nach (59):
„ ... die neuen Ideen über Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit
, die ihnen der Kommunismus predigt..." (82,
Anm. 89).

Der zweite Abschnitt stellt die Gründung einer National-