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Ausgabe:

1977

Spalte:

675-680

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Titel/Untertitel:

Prospettive sul sacro 1977

Rezensent:

Bertram, Georg

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 9

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gisch relevantes dichterisches Material erschlossen. Die in
den ersten Zeilen zu findende Bemerkung, daß die Frage,
wie ich mit der Schuld zu leben hätte, das Mittelalter tiefer
aufgeregt hätte als unsere Tage, kann aber nicht voll überzeugen
, wenn nur das extreme Beispiel der Oedipusschuld
herangezogen wird.
Rostock Gottfried Holtz

Fangmeier, Jürgen: Ernst Wiechert. Ein theologisches Gespräch
mit dem Dichter. Zürich: Theologischer Verlag
[1976]. 28 S. 8° = Theologische Studien, hrsg. v. M. Geiger,
E. Jüngel, R. Smend, 117. sfr. 6,40.

Ernst Wiecherts Werk unter theologische Aspekte Karl
Barths zu rücken, ist sehr dankenswert. Von katholischer
Seite hatte Heinrich Fries 1949 eine theologische Besinnung
zu Werken Wiecherts vorgelegt, mit Hinweisen auf Blaise
Pascal und Josef Bernhart (bis zum 2. Bd. der „Jeromin-
kinder" 1947), die Fangmeier nicht erwähnt. Auch sonst ist
selbst für einen Vortrag die Kenntnis der Literatur über
Wiechert bedauerlich gering. Fangmeier weiß zwar, daß in
Olsztyn seit Jahren polnische Übersetzungen der wichtigsten
Werke Wiecherts erscheinen, ignoriert aber Hans Martin
Pleßke, Ernst Wiechert (DDR Berlin 1967), der wohl neben
der zitierten Darstellung von Helmut Ollesch (Wuppertal
1949. 4. Aufl. 1961) zu nennen wäre, abgesehen von Dissertationen
und Aufsätzen (z. B. Joachim Günther, Die zwei
Gesichter Ernst Wiecherts. Zeitwende 1960, 532-541).

Berlin (West) Hans Urner

PHILOSOPHIE UND
RELIGIONSPHILOSOPHIE

Castelli, Enrico: Prospettive sul Sacro. Contributi al cori-
vegno su „II Sacro" indetto dal Centro Internazionale di
Studi Umanistici e dallTstituto di Studi Filosofici. Roma,
4—9 Gennaia 1974. Roma: Istituto di Studi Filosofici 1974.
234 S. gr. 8° = Centro Internazionale di Studi Umanistici,
Roma.

„Anschauungen vom Heiligen" von Gelehrten verschiedener
zuständiger Fachgebiete sind zur Ergänzung der Akten
der internationalen Tagung über ,Das Heilige' in Rom
vom 4.-9. Januar 1974 von deren Präsidenten Enrico
Castelli Gattinara, Universität Rom, veröffentlicht worden.
In seiner Einleitung zielt der Herausgeber auf eine ökumenische
Haltung gegenseitigen Verstehens. Menschliche Gläubigkeit
und das Heilige begegnen sich. Je deutlicher und
schärfer die Gegensätze herausgearbeitet werden, desto
sicherer ist der Weg zu Klarheit und Wahrheit.

Stanislas Breton, Katholisches Institut von Paris: Das
Heilige in der Sprache der Philosophie. Die Überlegungen
über die Ausdrucksmöglichkeiten des Heiligen in der Begrifflichkeit
der religiös eingestellten philosophischen Richtungen
führen auf die Vermittlung der Mystik trotz des
Anspruches der Vernunft.

Jean-Lous Leuba, Universität Neuchatel: Das Heilige und
das Geheiligte (?) nach dem christlichen Glauben. Das Heilige
ist im Sieg des christlichen Glaubens an die Auferstehung
bedroht. Durch die Sakralisierung der christlichen
Welt scheint es, als ob es im Irdischen eine Möglichkeit der
Frömmigkeit als menschlicher Haltung oder Leistung oder
Gegenstand geben könnte. Frömmigkeit, die darauf aufbaut
, läßt den Glauben zum Gesetz werden. Die Lösung
liegt in der fruchtbaren Spannung, die die Bibel bezeugt
und Gott in seinem Wort bestätigt und erfüllt.

Maurice Nedoncelle, Universität Strasbourg: Das Heilige
und die Entweihung. Die Erfahrung des Heiligen wirft den
Menschen in Zwiespältigkeit zwischen Transzendenz und
Immanenz. Religion und Dichtung sind Träger des Heiligen.
Es läßt sich erfahren als etwas Göttliches, aber nicht in

einem transzendenten Gott. So lebt der Mensch auf zwei
Ebenen. Der heilige Wert des Schönen, Guten und Wahren,
der von Gott stammt, kann aufgehen in unserer Erhebung
zu ihm hin. Das Heilige ist die Gegenwart des Letzten im
Schöße der Freiheit, wenn es einen Schöpfer der Freiheiten
gibt und die Möglichkeit einer Gemeinschaft von Persönlichkeiten
.

Fritz Buri, Universität Basel: Überlegungen über das
Problem des Heiligen und seine Ausdrucksweise. Unsere
Welterfahrung und unser Selbstverständnis stehen im Widerspruch
zueinander. Das Geheimnis unserer Existenz und
des Geschenkes der Gnade wird deutlich, wenn aus dem
Sakralen (dem von Menschen Geheiligten) das Heilige wird,
das nicht nur in einer Sprache zu fassen ist. Wie die Christusgeschichte
nicht auf eine historische Erscheinung beschränkt
ist, so muß die Sprache des Heiligen für jede Deutung
offenbleiben.

Albino Babolin, Universität Parma: Die religiöse Erkenntnis
des Heiligen bei W. Windelband, X. Zubiri, R.
Guardini. Nach Wilhelm Windelband (1848-1915), dem
Heidelberger Neukantianer, umfaßt Religion die Gesamtheit
des Seelenlebens. Das Heilige ist das regelrechte Bewußtsein
des Wahren, Guten, Schönen als transzendenter
Wirklichkeit. Diese höchsten Werte des menschlichen Lebens
erscheinen als Gottestaten. Sittliche Vollkommenheit
bedeutet Gottähnlichkeit.

Xavier Zubiri (geb. 1898), spanischer Philosoph, lebt seit
1945 als Privatgelehrter in Madrid. Wirklichkeit Gottes ist
Liebe. Die Verschiedenheit der Religionen weist auf die verschiedenen
Wege zu Gott. Die Auswahl ist Sache des Glaubens
. Im Glauben schenkt Gott sich selbst der Welt. Das ist
der Ursprung des Christentums.

Romano Guardini (1885—1968), Katholischer Religionsphilosoph
und Theologe: Die religiöse Erfahrung ist Sache
der Person in ihrer Freiheit und Verantwortlichkeit. Sie beruht
auf der Anerkennung der numinosen Wirklichkeit und
damit der Wirklichkeit und Hoheit Gottes. Endlichkeit ist
eine religiöse Grunderfahrung, die im Sündenfall offenbar
wird. Das Numinose, das in der religiösen Hoffnung sich
darstellt, ist das Heilige; es ist die Begegnung mit dem
Absoluten.

Franz Theunis, Universität Löwen: Menschliche Sprache
und göttlicher Glaube. Der Glaube steht in Beziehung zum
Wort Gottes und umgekehrt. Er wird Bindeglied zwischen
dem Christen und der menschlichen Sprache; sie bietet sich
an; sie öffnet den Bereich der Transzendenz. Der Sinn dieser
Verbundenheit liegt in der Gegenwart der Gnade Gottes
. Sie erscheint im Wort, das als solches die Glaubwürdigkeit
selbst ist. So ist der Gläubige nicht nur Hörer eines
(Leit-) Wortes, sondern hat teil an einer gemeinsamen
Sprache.

Enrico Garulli, Universität Urbino: Um den wesentlichen
Unterschied des Heiligen und des Göttlichen bei Heidegger.
Den unbedingten Gegensatz zwischen Philosophie und
Theologie hat Heidegger in seinen Schriften immer wieder
unterstrichen. In seiner philosophischen Erkenntnis wendet
er sich gegen die Ansprüche des technisch begründeten
Weltverständnisses und seine Ubermacht. Er verweist auf
die Entgötterung, die Säkularisation der christlichen Kultur
in der modernen Welt. Er scheidet die technisch wissenschaftliche
Haltung aus der Beziehung zum Sein aus. Der
poetisch-sakrale Bereich öffnet sich der Beziehung zum
Göttlichen. Dem entspricht die Gelassenheit als die Haltung
des Geistes. Damit sollen neue Verbindungen zwischen Vernunft
und Glaube hergestellt werden, um so zu einer grundsätzlichen
Einsicht der Beziehungen zwischen christlicher
Theologie und Philosophie zu gelangen. Für die Theologie
ist die Geschichtlichkeit wie die selbständige Wissenschaftlichkeit
bezeichnend. Nicht der Glaube, wohl aber die Wissenschaft
vom Glauben bedarf der Philosophie. Die Erfahrung
des wirklich Sakralen setzt, was den Glauben betrifft,
das Eingreifen der geeigneten Kräfte voraus, z. B. der Karitas
oder der Liebe.