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Ausgabe:

1977

Spalte:

656-658

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Corriveau, Raymond

Titel/Untertitel:

The liturgy of life 1977

Rezensent:

Haufe, Christoph Michael

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Theologische Literaturzeitung 102. Jahrgang 1977 Nr. 9

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net die Autorin ihren Kommentar ganz unbefangen nach
der von ihr postulierten ursprünglichen Reihenfolge des
Buches. So beginnt der Kommentar mit Kap. 4; von Apk 4
bis Apk 11 reicht zufolge Ford Teil 1 des Buches, die „Offenbarung
an den Täufer" (S. 67-183). Die Kapitel 12-19 umfaßt
angeblich Teil 2, die „Offenbarung an einen Täuferschüler
bezüglich der Bestrafung Jerusalems" (S. 185—325),
die Kapitel 20—22 Teil 3, „die Auferstehung' des .Erstgeborenen
'" (S. 327-370). Mit den sieben Sendschreiben (Apk 2-3)
ordnet J. M. Ford das Einleitungskapitel (Apk 1) und den
„Epilog" (Apk 22, 16—17a. 20—21) zu einem vierten Teil zusammen
, „die Prophezeiungen an die sieben Kirchen"
(S. 371—427). Die gewagtesten Umstellungen und Konjekturen
unternimmt die Verfasserin, darin R. H. Charles folgend
, bei den Kapiteln 20—22; wie Charles unterscheidet sie
von einem tausendjährigen Jerusalem (Apk 21, 9—27. 8;
22, 1—2) ein ewiges Jerusalem, dessen Textgrundlage aus
ungezählten Versen und Versteilen von Apk 21, 1—7 und
22, 3—19 zusammengestückelt wird.

Der Kommentar (S. 67—427) umfaßt 34 durchgezählte Paragraphen
, entsprechend den von Ford abgeteilten Periko-
pen. Jeder dieser Paragraphen beginnt mit einer Übersetzung
des Textes; es folgen Anmerkungen (Notes) zur Text-,
Literar-, Traditions- und Religionsgeschichte sowie, als
eigener Abschnitt, der Kommentar (Comment). Die Paragraphen
1—16 besitzen jeweils eine abschließende Teilbibliographie
; dagegen findet sich für die Paragraphen
17—34 eine Teilbibliographie nur jeweils am Ende von
Teil 3 (nach § 23) und Teil 4 (nach § 34).

Das Verdienst des vorliegenden Buches ist vor allem
darin zu sehen, daß die englischsprachige Welt — bislang
trotz des großen Kommentars von R. H. Charles noch immer
weitgehend von einer weit- und kirchengeschichtlichen
Auslegung der Apokalypse beherrscht — wieder einen Kommentar
zur Johannesoffenbarung erhalten hat, der auf der
historisch-kritischen Methode basiert. Die Erkenntnisse der
neueren wissenschaftlichen Exegese beider Konfessionen
(Bousset, Charles, Hadorn, Sickenberger, Wikenhauser) sind
in J. M. Fords Kommentar nahezu vollständig eingegangen;
Lohmeyers Auslegung im „Handbuch" wird freilich nur
einmal in einer Teilbibliographie genannt (S. 275), wie denn
auch neuere deutsche Literatur zur Apokalypse (Gollinger,
Hahn, Kraft) noch nicht benutzt wurde. Religions- und zeitgeschichtliche
Voraussetzungen kommen zu ihrem Recht;
sie werden wirkungsvoll veranschaulicht durch die abgebildeten
, von L. Kortenkamp gezeichneten Realien der Tafeln
1—20. Die Nachwirkungen der Apokalypse in der christlichen
Kunst werden angedeutet durch vier photographische
Abbildungen (Tafel A—D); dabei stimmen auf Tafel C
(nach S. 240) Bild und Legende nicht überein (es handelt sich
um eine Illustration zu Apk 16, 13, nicht zu Apk 17, 14).

In formaler Hinsicht leidet das Buch vor allem unter der
Inkonsequenz der Literaturangaben. Wenn schon neben die
Gesamtbibliographie Teilbibliographien treten sollen, dann
ist nicht einzusehen, warum nur bei den Paragraphen 1—16,
während für die Paragraphen 17—23 und 24—34 pauschale
Teilbibliographien geboten werden. Da die Gesamtbibliographie
(S. 58—66) die in den Teilbibliographien vollständig
zitierten Titel nicht enthält, andererseits aber viele Titel
nur in der Gesamtbibliographie vollständig — mit Erscheinungsort
und -jähr — angeführt werden, ist die Verwirrung
perfekt. Manche zitierte Autoren (z. B. E. Lohse, S. 281)
konnte ich weder in der Gesamtbibliographie noch in der
betreffenden Teilbibliographie entdecken.

Schwerer wiegt das Bemühen der Autorin, ihre Hypothesen
als gesicherte Erkenntnisse zu präsentieren; Kommentatoren
sollten sich allzu mutiger Originalität besser enthalten
. Längst ist Charles' Versuch, die Aussagen der Apokalypse
über das neue Jerusalem (Apk 21 f.) auf eines als
Hauptstadt des Millenniums und eines von ewiger Dauer
zu verteilen, von der Exegese als gescheitert ad acta gelegt
worden; Ford hat ihn unter dem Einfluß P. Gaechters (1949)
repristiniert (S. 38 f., S. 331-346 und S. 360-370). Origineller,

aber noch weniger überzeugend ist Fords Annahme, der
Autor von Apk 4—11 sei Johannes der Täufer gewesen
(S. 28-37, S. 50-53, S. 67-183), während Apk 12-22 auf
einen Täuferschüler zurückgehe (S. 37, S. 54 f., S. 185-370);
nur Apk 1-3 und Apk 22, 16b (17a). 20 f. seien das Werk
eines genuin christlichen Autors bzw. Redaktors (S. 40—46,
S. 55 f., S. 371-427).

Für die Autorschaft Johannes des Täufers verweist J. M.
Ford vor allem auf folgende Topoi der Apokalypse: „Lamm"
(vgl. Joh 1, 29. 36), „der da kommt" (vgl. Mt 21, 9; 23, 39
parr. nach Ps 118, 26), „Feuertaufe" (vgl. Mt 3, 11 par. Lk 3,
16) und „Bräutigam" (mit Apk 19, 9; 21, 9-14 vgl. Mt 25, 1;
Mk 2, 19 f. parr. und vor allem Joh 3, 29); sie alle hätten im
übrigen Neuen Testament einen Bezug zur Botschaft des
Täufers (S. 30—33). Dazu kommen zufolge J. M. Ford noch
weitere Anklänge der Apokalypse an die Täuferpredigt
(S. 33-37).

Daß Gestalt und Verkündigung Johannes des Täufers in
den Rahmen altjüdischer Apokalyptik hineingehören und
von daher eine gewisse Verwandtschaft mit dem Apokalyp-
tiker Johannes erwartet werden darf, liegt auf der Hand.
Dennoch tragen die Beobachtungen J. M. Fords, die sie mit
Phantasie und Scharfsinn vorführt, schwerlich die Beweislast
für eine so weitgehende Schlußfolgerung wie die auf
S. 37 ausgesprochene: „Thus chs. 4—11 and 12—22 should be
placed earlier than the Gospels, perhaps earlier than most
of the NT. They form a prophetic link between the Old and
the New Covenants and prepare the way for the Gospels."

Während die heutige Apokalypseforschung fast einhellig
davon ausgeht, die Johannesoffenbarung sei in den letzten
Jahren Domitians (ermordet 96 n. Chr.) entstanden, spricht
J. M. Ford den Kapiteln 4—11 ein um knapp sieben Jahrzehnte
, den Kapiteln 12—22 ein um mindestens zwei Jahrzehnte
höheres Alter zu. Dadurch verschieben sich die Deutungen
mancher zeitgeschichtlicher Anspielungen, insbesondere
der sieben Häupter und Kaiser von Apk 13, 1. 3; 17,
7—11. Freilich denkt auch Ford bei dem verwundeten Haupt
(Apk 13, 3) an Nero (S. 211); dagegen deutet sie die Zahl 666
(Apk 13, 18) nicht auf Nero, sondern nach C. Bruston (1904)
auf Nimrod, den Gründer des babylonischen Reiches (S. 227).

Ein abschließendes Urteil über Fords Kommentar fällt
dem Rezensenten schwer. Gravierende Mängel sind nicht zu
übersehen, was etwa den ungeschickten Umgang mit der
Sekundärliteratur oder den Versuch betrifft, zwischen „Notes
" und „Comment" methodisch korrekt zu unterscheiden.
Andererseits verarbeitet das Buch eine Fülle älterer Forschungen
, gerade auch aus dem deutschsprachigen Bereich,
und vermittelt so dem angelsächsischen Raum wichtige Informationen
. Der Stil ist flüssig, und man spürt der Autorin
die Begeisterung für ihr Forschungsobjekt ab. Leider
lebt der Kommentar von der These, Johannes der Täufer
sei der Verfasser der Urapokalypse (Apk 4—11) und ein
Täuferschüler habe diese in den Kapiteln 12—22 interpretiert
, während Apk 1—3 die Schöpfung eines christlichen Redaktors
sei. Der Unterzeichnete kann dieser Auffassung
nicht beipflichten, sondern hält an der literarischen Einheit
des paränetischen und des visionären Teils der Apokalypse
fest.

Saarbrücken Otto Böcher

Corriveau, Raymond, C. SS. R.: The Liturgy of Life, A Study
of the Ethical Thought of St. Paul in his Letters to the
Early Christian Communities. Bruxelles-Paris: Descl6e
de Brouwer; Montreal: Les Editions Bellarmin 1970.
296 S. gr. 8" = Studia, Travaux de Recherche, Collection
dirigee par les Facultes S. J. de Montreal avec la Colla-
boration de l'Universite de Sudbury, 25. bfr. 480,—.

In der vorliegenden katholischen Dissertation geht es um
die Verwendung und Interpretation kultischer Begriffe
durch Paulus, ohne daß der Verfasser dabei zu wesentlich
neuen Ergebnissen kommt. Bekannt ist, daß Paulus die